Etwas Luft für die Kommunen

Der Bund einigt sich mit den Ländern auf die Übernahme der Steuerausfälle durch den »Investitionsbooster«

Auch bei einem Treffen der Ministerpräsidenten mit Vertretern der Bundesregierung war die Entlastung der Kommunen ein Thema.
Auch bei einem Treffen der Ministerpräsidenten mit Vertretern der Bundesregierung war die Entlastung der Kommunen ein Thema.

Es ist eine schlechte Tradition, dass der Bund sich im Alleingang Finanzvorhaben ausdenkt, deren Kosten dann vor allem bei Ländern und Kommunen anfallen. So startete auch die neue schwarz-rote Koalition, als sie ihren »Investitionsbooster« für Unternehmen beschloss. Er führt zu erheblichen Steuerausfällen bei den anderen Gebietskörperschaften, deren Vertreter sich lautstark beschwerten. Selbst einer der Koalitionschefs, CSU-Chef Markus Söder, warnte in seiner Funktion als bayerischer Ministerpräsident vor einer Blockade im Bundesrat und sagte: »Das wird schon noch ein hartes Ringen werden.«

Dieses führte nun nach wochenlangen Verhandlungen in der Nacht zu Dienstag zu einer Einigung: Der Bund wird den größten Teil der Steuerausfälle von Ländern und Kommunen übernehmen, wie aus dem Beschlusspapier einer hochrangigen Verhandlungsgruppe von CDU-, CSU- und SPD-Politikern aus Bund und Ländern hervorgeht. Niedersachsens neuer Ministerpräsident Olaf Lies (SPD) sagte dazu im ZDF, die Verständigung »sichert den Kommunen die Handlungsfähigkeit, denn die sollen ja auch investieren«. Sein hessischer CDU-Kollege Boris Rhein (CDU) tönte sogar: »Das ist ein Politikwechsel auch in der Beziehung von Bund und Ländern.«

Allein bei Städten und Gemeinden geht es um bis zu 14 Milliarden Euro, wie die Gewerkschaft Verdi vorgerechnet hat. Laut der Einigung erstattet der Bund den Kommunen ihre Steuerausfälle in den Jahren 2025 bis 2029 vollständig, den Ländern zumindest teilweise. Umgesetzt werden soll dies im Fall der Kommunen durch einen höheren Anteil an den Einnahmen aus der Mehrwertsteuer. Die Länder sollen dem Papier zufolge als Kompensation in den Jahren 2026 bis 2029 zusätzliche acht Milliarden Euro aus dem Sondervermögen des Bundes für Infrastruktur und Klimaschutz erhalten, wovon pro Jahr jeweils eine Milliarde in ein neues Programm zur Förderung von Investitionen in Kitas, Hochschulen und Wissenschaftseinrichtungen fließt. Um ebenfalls eine Milliarde Euro jährlich soll der Länderanteil am Transformationsfonds für die Krankenhäuser gesenkt werden.

Der Bund will sich zudem mit 250 Millionen Euro pro Jahr an Maßnahmen der Länder beteiligen, die ihre Kommunen durch eine landesseitige Übernahme übermäßiger Kassenkredite entlasten. Eine weitere Entlastung von 400 Millionen Euro jährlich durch den Bund soll es für Geberländer im bundesstaatlichen Finanzausgleich geben, allen voran Bayern.

Die Länder hatten die Kompensationen zur Bedingung für ihre Zustimmung zu dem »Investitionsbooster« gemacht – über das Gesetz soll der Bundestag bereits an diesem Donnerstag und der Bundesrat am 11. Juli abstimmen. Und nicht nur das: Eine Nicht-Einigung hätte auch die Vorlage des schwarz-roten Bundeshalts für 2025 und der mittleren Finanzplanung gefährden können. Darin berücksichtigt sind nämlich finanzielle Auswirkungen der Steuergeschenke für Unternehmen sowie weitere Vorhaben wie die niedrigere Mehrwertsteuer für die Gastronomie oder die Erhöhung der Pendlerpauschale, die ebenfalls für Ausfälle bei den Ländern sorgen.

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Der »Booster« soll Firmen Anreize für Investitionen geben, unter anderem durch erweiterte steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten für Maschinen und Elektrofahrzeuge. Von 2028 an soll zudem die Körperschaftsteuer sinken. Ziel ist die Stärkung der Konjunktur. Der Deutsche Steuerberaterverband weist indes darauf hin, dass die geplanten Erleichterungen bei Abschreibungen »vor allem großen und finanzstärkeren Unternehmen mit versierten Steuerabteilungen« nutzen werden. »Bei kleineren Unternehmen ist die Wirkung häufig geringer«, sagte Verbandspräsident Torsten Lüth dem »Spiegel«.

Kleinere Firmen sind allerdings gerade für eine florierende kommunale Wirtschaft und entsprechend für die Kommunalfinanzen zentral. Die jetzige Einigung wird daher lediglich verhindern, dass neue Löcher entstehen. An der grundsätzlich prekären Finanzlage in vielen Städten und Gemeinden wird sich hingegen nichts ändern.

Das sieht man bei den Gewerkschaften ähnlich: Der Verdi-Vorsitzende Frank Werneke lobte zwar, die Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern zur Eindämmung drohender Steuermindereinnahmen verschafften den Kommunen Luft bis 2029, fügte aber hinzu: »Jetzt muss es im nächsten Schritt darum gehen, die Kommunen zukunftsfest zu machen und die strukturelle Unterfinanzierung zu beseitigen.« Verdi drängt auf einen »dauerhaft« deutlich höheren Anteil der Kommunen an den Gemeinschaftssteuern sowie die Übernahme der Altschulden der Kommunen durch Bund und Länder. Und um künftige finanzielle Fehlentwicklungen zulasten der Städte und Gemeinden zu vermeiden, sollte sich der Bund endlich auf den Grundsatz einlassen: »Wer bestellt, bezahlt.«

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