- Kommentare
- Gewerkschaften
DGB: Verschleiernde Zahlenspielchen
Die DGB-Rechtfertigung zur Mindestlohnerhöhung überzeugt nicht
Zahlenspielchen werden von Wirtschaftsverbänden gerne genutzt, um mit Schreckensszenarien von Pleitewellen und aussterbenden Regionen Politik gegen den Mindestlohn zu machen. Auch wenn sich keines dieser Szenarien bei der Einführung der Lohnuntergrenze bewahrheitet hat, werden Wirtschaftslobbyisten nicht müde, an den Zahlen zu drehen.
Umso ernüchternder ist es, dass auch Stefan Körzell, Mitglied im DGB-Bundesvorstand und Verhandlungsführer in der Mindestlohnkommission, die Zahlen zur am Freitag beschlossenen Erhöhung zuungunsten der Beschäftigten umdeutet. Er erklärte, mit der beschlossenen Anhebung sei »die Grundlage für einen armutsfesten Mindestlohn« gelegt. Das aber widerspricht wissenschaftlichen Untersuchungen, etwa gewerkschaftsnaher Ökonom*innen. Körzell stellt damit zudem die Kernforderung nach einer Lohnuntergrenze von 15 Euro infrage.
Nicht nur der DGB, auch die SPD, deren Mitglied Körzell seit 1993 ist, hatte die Mindestlohnerhöhung auf 15 Euro zu einem maßgeblichen Wahlkampfthema gemacht und sich im Koalitionsvertrag gegen die Union durchgesetzt. Die nun beschlossene Erhöhung liegt ganze 40 Cent unter dem geforderten Betrag – und damit unter der Armutsgrenze. Eigentlich erfordert das einen gesetzlichen Eingriff. Doch der ist mit Union und Wirtschaftsverbänden nicht zu machen, sodass die SPD von links in Bedrängnis zu geraten droht.
Körzell mag mit dem verschleiernden Zahlenspielchen zur Mindestlohnerhöhung dem DGB und der Sozialdemokratie politisch den Rücken freihalten wollen. Der Glaubwürdigkeit der Gewerkschaften erweist er damit aber genauso einen Bärendienst wie den Beschäftigten im Niedriglohnbereich.
Wir haben einen Preis. Aber keinen Gewinn.
Die »nd.Genossenschaft« gehört den Menschen, die sie ermöglichen: unseren Leser:innen und Autor:innen. Sie sind es, die mit ihrem Beitrag linken Journalismus für alle sichern: ohne Gewinnmaximierung, Medienkonzern oder Tech-Milliardär.
Dank Ihrer Unterstützung können wir:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ Themen sichtbar machen, die sonst untergehen
→ Stimmen Gehör verschaffen, die oft überhört werden
→ Desinformation Fakten entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und vertiefen
Jetzt »Freiwillig zahlen« und die Finanzierung unserer solidarischen Zeitung unterstützen. Damit nd.bleibt.