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Opfer von Polizeigewalt vor Gericht

Verfahren gegen einen Teilnehmer der Luxemburg-Liebknecht-Demonstration 2024 eingestellt

Friedliche Kundgebung vor dem Amtsgericht
Friedliche Kundgebung vor dem Amtsgericht

Bei der Liebknecht-Luxemburg-Demonstration im Januar 2024 war es auf dem Weg nach Berlin-Friedrichsfelde zu massiver Polizeigewalt gekommen. Acht Demonstrant*innen wurden ins Krankenhaus eingeliefert – unter ihnen ein 74-Jähriger, der das Bewusstsein verloren hatte und in Lebensgefahr schwebte. Die Polizei sprach von 21 verletzten Beamten. Serhat K. war unter den ins Krankenhaus eingelieferten Demonstrant*innen. Am Donnerstag steht er nun vor dem Amtsgericht Tiergarten. Ihm werden schwerer Landfriedensbruch, gefährliche Körperverletzung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte vorgeworfen.

Da mehrere Videos vor Gericht eindeutig zeigen, dass K. die Polizei nicht angriff und kaum die Möglichkeit hatte, Widerstand zu leisten, wird das Verfahren gegen ihn eingestellt. Er war vor Gericht gestellt worden, weil er Einspruch gegen einen Strafbefehl eingelegt hatte, der für ihn eine Geldstrafe und acht Monate Haft, ausgesetzt zur Bewährung, bedeutet hätte.

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Die zwei vor Gericht aussagenden Beamten beschreiben am Donnerstag, wie es im »Palästinenserblock« der Demonstration zu strafrechtlich relevanten Aussagen gekommen sein soll. Demonstrierende sollen die Parole »From the river to the sea, Palestine will be free« gerufen haben. »nd« berichtete jüngst über einen Freispruch eines Studierenden, der die Parole bei einer Besetzung an der Freien Universität gerufen hatte. Außerdem sagten die Beamten, sie seien von Demonstrant*innen getreten und geschlagen worden.

K. war weder Teil des Palästina-Blocks, noch hat er nachweisbar eine strafrechtlich relevante Parole gerufen. Doch als Mitglied der antirassistischen Gruppe Revolutionärer Jugendbund läuft er am 14. Januar 2024 mit seinen Genoss*innen zum Palästina-Block, als dieser von der Polizei angegriffen wird, wie er vor Gericht sagt. Als er dort ankommt, liegen bereits »sehr viele Menschen blutend auf dem Boden«, sagt er. Das bestätigen »nd« auch zwei Prozessbeobachterinnen.

Die Polizisten beschreiben das Geschehen während der Demonstration als »sehr dynamisch«. Auf den gezeigten Videos lässt sich erkennen, wie Polizisten Demonstrant*innen treten und schlagen, in deren Nähe sich auch der Angeklagte K. befindet. Ein Polizist sagt vor Gericht aus, K. habe seinem Kollegen mit einem Fahnenstock auf den Helm geschlagen. Der Kollege habe »ordentlich viel abbekommen«. Wegen einer Handprellung soll er drei Wochen dienstunfähig gewesen sein.

Der Schlag lässt sich in den Videos jedoch nicht erkennen. Stattdessen ist zu sehen, wie ein Polizist K. das Knie ins Gesicht tritt, wie ihn zwei Beamte auf den Asphalt werfen und ihm die auf den Rücken verdrehten Arme fesseln. Auf weiteren Videos im Internet sieht man K. mit einer stark blutenden Wunde am Auge. Die Videos vor Gericht zeigen viele Tritte und Schläge von Polizeibeamten. Einzelne Demonstrant*innen haben sich damals zur Wehr gesetzt, viele skandierten lediglich: »Wir sind friedlich, was seid ihr?«

Serhat K. ist schockiert über die Polizeigewalt, die er vor anderhalb Jahren miterlebte. Er ist jetzt 31 Jahre alt. Seit seinem 19. Lebensjahr nehme er an der Liebknecht-Luxemburg-Demonstration teil, berichtet er. So etwas habe er dort noch nie erlebt. Er verstehe zudem nicht, warum es eine halbe Stunde gedauert habe, bis er und die Rettungssanitäter*innen die Polizei überzeugen konnten, ihn ins Krankenhaus einliefern zu lassen.

Hinter den verschlossenen Türen des Gerichtssaals 101 ist während der Verhandlung zu hören, wie draußen »Viva, Viva Palästina« sowie »Free Palestine« gerufen wird. Diese Losungen erschallen bei einer Kundgebung vor dem Gebäude, die nicht nur für Serhat K. abgehalten wird, sondern auch einem palästinensischen Geflüchteten gilt, der seit vier Monaten in Untersuchungshaft sitzt. Laut Aufruf zur Kundgebung wirft ihm die Generalstaatsanwaltschaft vor, Feuerwerkskörper auf einen Polizisten geworfen zu haben. Dafür drohen ihm mehrere Jahre Haft.

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