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Mehrheit in Brandenburg hält AfD-Verbot für unangemessen
58 Prozent der Bevölkerung halten ein Verbot der Partei für nicht angemessen, 35 Prozent sprechen sich dafür aus
Die Kampagnen Menschenwürde verteidigen und AfD-Verbot jetzt haben am Samstag bei einer Kundgebung vor dem SPD-Bundesparteitag im Berliner CityCube gefordert, die AfD zu verbieten. Mehr als 1000 Postkarten dieses Inhalts aus ganz Deutschland seien an die Parteitagsdelegierten übergeben worden, teilte die Kampagne AfD-Verbot jetzt mit.
»Mit jeder Landes- und Bundestagswahl kommt die AfD ihrem Ziel näher, eine
faschistische Ordnung in Deutschland aufzubauen«, erklärte Sprecher Malte Engeler. »Wir wollen nicht zuschauen und warten, bis die AfD an Regierungsmacht kommt und wir Verhältnisse haben wie in den USA – oder sich unsere eigene Geschichte wiederholt. Es wird Zeit, dass die SPD ihren Worten auch Taten folgen lässt und sich auf allen Ebenen für die schnelle Einleitung eines
Verbotsverfahrens einsetzt.«
Am Sonntagmorgen wollte dann Betina Kern von den Omas gegen rechts ihre Petition für ein AfD-Verbot beim SPD-Parteitag übergeben. Fast 1,2 Millionen Unterschriften hat diese Petition bekommen. Und der Parteitag hat beschlossen, einen Verbotsantrag zu prüfen.
Indessen halten nur 35 Prozent der Brandenburger ein AfD-Verbotsverfahren für angemessen und eine Mehrheit von 58 Prozent hält so ein Verfahren für nicht angemessen. Das ergab eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Infratest dimap im Auftrag des Senders RBB. Den am Mittwochabend veröffentlichten Ergebnissen zufolge sind 84 Prozent der Wähler der Grünen in Brandenburg für ein AfD-Verbotsverfahren und auch 73 Prozent der Wähler der Linken. Bei den SPD-Wählern sind es 59 Prozent, bei den CDU-Wählern 35 Prozent und bei den BSW-Wählern 21 Prozent.
Die Befragung von 1185 Wahlberechtigten erfolgte im Zeitraum 19. bis 23. Juni. Dabei haben auch zwei Prozent der AfD-Wähler angegeben, dass sie ein AfD-Verbotsverfahren für angemessen halten. Über ihre Gründe lässt sich nur spekulieren: Entweder haben sie die Frage nicht richtig verstanden oder sie sind der Ansicht, dass in einem Verbotsverfahren einmal eindeutig geklärt werden sollte, dass die AfD eine zulässige Partei sei.
»Ein Verbotsverfahren gegen die größte Oppositionspartei, ebenso wie ihre politische Verfolgung durch den Inlandsgeheimdienst, ist nicht nur ein Anschlag auf unsere Demokratie – es ist ein Angriff auf die Hunderttausenden Wähler der AfD allein hier in Brandenburg«, findet der AfD-Landesvorsitzende René Springer. Er fordert den Ministerpräsidenten Dietmar Woidke (SPD) auf: »Nehmen Sie umgehend Abstand von Ihren AfD-Verbotsplänen – und beenden Sie die politische Verfolgung der AfD-Brandenburg durch den Verfassungsschutz!«
Die Landtagswahl im September hatte Brandenburgs SPD nach einer fulminanten Aufholjagd mit 30,9 Prozent doch noch gewonnen. Nur wenige Monate zuvor hätte ihr das kaum noch jemand zugetraut. Doch jetzt steht die SPD in der jüngsten Umfrage nur noch bei 23 Prozent und die AfD hat sich von 29,2 Prozent bei der Landtagswahl auf jetzt 32 Prozent verbessert.
Beim SPD-Landesparteitag am 21. Juni in Cottbus sagte Ministerpräsident Woidke, die vom Verfassungsschutz vorgenommene Einstufung der AfD als gesichert rechtsextrem sei für ihn »nicht nur nachvollziehbar, sondern auch konsequent«. Wenn die Einstufung von Gerichten bestätigt sei – die AfD klagte dagegen und die Verfahren laufen noch –, dann müsste auch überprüft werden, ob man diese Partei verbieten könne. »Aber macht euch nichts vor«, warnte Woidke seine Genossen. Politisch und juristisch sei ein Verbotsverfahren ein langer, schwerer und steiniger Weg. Das weiß Woidke von den NPD-Verbotsverfahren 2003 und 2017, die beide scheiterten.
CDU-Landtagsfraktionschef Jan Redmann hat vor einem überstürzten Verbotsverfahren gewarnt. Nachdem das Bundesverwaltungsgericht am Dienstag das Verbot des rechten »Compact«-Magazins kippte, hatte Redmann gemeint: »Allen, die heute versuchen, ein AfD-Verbot herbeizureden, muss das eine Warnung sein.«
Der Linke-Landesvorsitzende Sebastian Walter hat ein AfD-Verbot schon seit Ende 2023 immer wieder gefordert. Er sei nach wie vor für ein Verbot dieser Partei, bestätigte er dem »nd« am Sonntag. »Wer jetzt bei der AfD wegschaut, macht sich mitschuldig an der Zerstörung unserer Demokratie« argumentierte Walter. »Eine Partei, die ganz bewusst eine Stimmung der Angst gegen Andersdenkende anheizt, gehört nicht in die Parlamente, sondern vor das Bundesverfassungsgericht. Auch wenn 58 Prozent der Brandenburger ein Verbot ablehnen, gilt: Grundrechte sind nicht verhandelbar.« Walter fügte hinzu: »Wir lassen nicht zu, dass Verfassungsfeinde unter dem Deckmantel der Demokratie eben diese abschaffen.«
Auch Grünen-Landeschef Clemens Rostock ist für Verbotsverfahren eingetreten. Rostock sagte Mitte Mai: »Es ist höchste Zeit, dass das Bundesverfassungsgericht darüber entscheidet, ob diese Partei verboten werden kann.«
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