Aus für Kohleproduktion in Norwegen

Die norwegische Kohleproduktion auf Spitzbergen wird eingestellt / Russland fördert weiter

  • Andreas Knudsen
  • Lesedauer: 4 Min.
Ein Bild für die Geschichtsbücher: Norwegens König Harald und Königin Sonja besuchen ein Bergwerk in Svalbard. Im norwergischen Gebrauch steht das Wort für »Kühle Küste«.
Ein Bild für die Geschichtsbücher: Norwegens König Harald und Königin Sonja besuchen ein Bergwerk in Svalbard. Im norwergischen Gebrauch steht das Wort für »Kühle Küste«.

Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts war Spitzbergen Niemandsland und keiner staatlichen Souveränität unterstellt. Die Inselgruppe war zu abgelegen und wirtschaftlich uninteressant und nur wenige Pelzjäger und Abenteurer ließen sich hierher locken. Einige dieser Glücksritter hatten bemerkt, dass es ergiebige Kohlevorkommen gab und machten zaghafte Versuche, sie zu fördern, aber es war nicht wirtschaftlich.

Das änderte sich im Verlaufe des Ersten Weltkrieges und die schwedische Firma AB Spetsbergen sandte 2000 Bergleute in die Hocharktis. Zwischen 1917 und 1934 war sie vor Ort, aber mit Kriegsende kamen wieder billigere Kohlebergwerke in Reichweite und der Preis brach ein. Seitdem waren die norwegischen Kohlebergwerke im Besitz der Store Norske Spitsbergen Kulkompani, die 1976 vom norwegischen Staat übernommen wurde. Zeitweise arbeiteten Hunderte Bergleute in bis zu sieben Gruben. Obwohl sie jährlich Millionen von Tonnen förderten, waren die Gruben selten profitabel. Das lag an den hohen Produktionskosten und Norwegen war nur selten das Ziel verkaufter Kohle.

Zunächst wurde noch Kohle nach Europa verschifft, aber im Takt mit der Umstellung der europäischen Energieproduktion auf Öl, Gas und Atomkraft verschwand dieser Markt. In den letzten Jahren, als eine mehr symbolische Produktion aufrechterhalten wurde, war das örtliche Kohlekraftwerk, dass das Bergwerk und die Siedlung Longyearbyen versorgte, wo die Bergleute wohnten, der Hauptabnehmer. Nicht umsonst nannte Greenpeace die Kohleproduktion in der Hocharktis die unsinnigste der Welt.

In den ersten Jahrzehnten hatte die Kohle einige tausend Menschen auf die Inselgruppe in relativer Nähe zum Nordpol gebracht. Heute ist das Interesse geopolitisch. Obwohl der Spitzbergen-Vertrag ausdrücklich die Entmilitarisierung festlegt, wird sich keines der Länder, neben Russland unter anderem China, freiwillig zurückziehen. Einen Fuß in der Tür zu haben für alle Fälle, das ist die Kosten und Mühen wert.

Die Schließung der letzten norwegischen Kohlegrube wurde standesgemäß begangen. König Harald und Königin Sonja liefen mit der Staatsyacht »Norge« in den Hafen Longyearbyen ein. Es war ein Akt, der die norwegische Souveränität über die Inselgruppe betonte, um den eventuellen Appetit anderer Länder zu dämpfen. Zuvor hatte das Königspaar noch einige nordnorwegische Siedlungen sowie die ebenfalls norwegischen Bäreninsel besucht.

Zum Ende der Kohleförderung lud das Paar auch die letzten 50 Bergleute zum Festessen ein. Was aus diesen Beschäftigten in Zukunft werden soll, ist allerdings unklar. Einige werden sicherlich an den Aufräumarbeiten beteiligt sein, denn das gesamte Bergwerksgelände soll renaturiert werden. Es gibt die Hoffnung, dass das Projekt Touristen anzieht.

Vielleicht finden einige auch Arbeit bei den geplanten Windenergie- und Solarparks. Die Grundversorgung von Longyearbyen wird allerdings seit zwei Jahren durch ein Dieselkraftwerk sichergestellt. Andere werden vielleicht Arbeit im Tourismus oder im Service für wissenschaftliche Einrichtungen finden. Beide Bereiche gehören heute zu den wichtigsten Erwerbszweigen. Wer keine Arbeit findet, muss die Inseln verlassen, denn Arbeitslosen ist es per Gesetz verboten, auf Spitzbergen zu leben.

Norwegens Energieproduktion basiert seit Jahrzehnten auf der Wasserkraft, die um die 90 Prozent des Energiebedarfes deckt, während ein geringer Teil von Wind und Sonne produziert wird. In Spitzenbelastungszeiten wird bei Bedarf Strom über die nordeuropäischen Netze importiert.

Die Kohlenförderung war und ist politisch motiviert, denn ohne Staatsbürger auf den Inseln kann Norwegen keine Souveränität ausüben oder wirkungsvoll begründen. Sie wurden dem Land 1920 zugesprochen mit der Auflage, allen Länder Zugang zu geben zu Forschungszwecken oder wirtschaftlichen Unternehmen.

Nur die Sowjetunion bzw. Russland hat dieses Recht voll ausgenutzt und unterhält weiterhin ein Bergwerk in Barentsburg, in dem 500 russische und ukrainische Bergleute arbeiten. Die Schließung wurde für 2032 angekündigt, aber das ist mit Vorsicht zu betrachten. Ohne das Bergwerk hätte Russland keine Möglichkeit, hier dauerhaft präsent zu sein. Es gibt Kräfte in Russland, die immer wieder die Annexion von Spitzbergen fordern, um »die russische Arktis« zu sichern.

1932, als die ersten sowjetischen Bergleute ankamen, wurde eine Langstreckentelegrafenstation eingerichtet, die jetzt längst auf moderne Technologie umgerüstet ist. Das zweite sowjetisch-russische Bergwerk namens Pyramiden wurde 1998 auf dem Höhepunkt der russischen Wirtschaftskrise geschlossen. In begrenztem Umfang folgten Aufräum- und Reinigungsarbeiten. Pyramiden ist heute eine Touristenattraktion.

Wir haben einen Preis. Aber keinen Gewinn.

Die »nd.Genossenschaft« gehört den Menschen, die sie ermöglichen: unseren Leser:innen und Autor:innen. Sie sind es, die mit ihrem Beitrag linken Journalismus für alle sichern: ohne Gewinnmaximierung, Medienkonzern oder Tech-Milliardär.

Dank Ihrer Unterstützung können wir:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ Themen sichtbar machen, die sonst untergehen
→ Stimmen Gehör verschaffen, die oft überhört werden
→ Desinformation Fakten entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und vertiefen

Jetzt »Freiwillig zahlen« und die Finanzierung unserer solidarischen Zeitung unterstützen. Damit nd.bleibt.