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Der Tierpark Berlin feiert 70. Geburtstag
Historische Fotos säumen die Kamelwiese und Tierzeichner Reiner Zieger gibt Autogramme
»Die vielen tausend Berliner, die gestern Nachmittag Zeuge der feierlichen Eröffnung des Berliner Tierparks waren, hätten sich kaum besseres Wetter wünschen können«, berichtete das »Neue Deutschland« in seiner Ausgabe vom 3. Juli 1955. »Der Sonnenschein auf den anmutigen Parkwiesen, der in den alten Bäumen rauschende Wind, die glitzernden Wasserfontänen, die harmonisch sich in die Parklandschaft einfügenden Gehege mit ihren Tieren, die freudigen und erwartungsfrohen Gesichter der Menschen – schon das alles war ein unvergesslicher Eindruck.«
Schon seit 1844 hatte Berlin seinen Zoologischen Garten. Doch er lag im Westen der im Kalten Krieg geteilten Stadt. Mit dem Tierpark in Friedrichsfelde sollte auch Ostberlin seinen Zoo bekommen. Vor 70 Jahren schnitt DDR-Präsident Wilhelm Pieck (SED) das Band durch. Hinter Tierparkdirektor Heinrich Dathe und seinen Ehrengästen strömten 30 000 Besucher herein und sollen begeistert gewesen sein.
Ab Mittwoch bis zum Sonntag feiert der Tierpark seinen 70. Geburtstag. Der Tierzeichner Reiner Zieger wird am Mittwoch zu einer Autogrammstunde am Terassencafé »Kakadu« erwartet. Der 86-Jährige entwarf zahlreiche Plakate für den Tierpark und präsentiert sein neuestes in würdiger Umgebung. Denn auf der Freilichtbühne am Café ist seit April eine Ausstellung historischer Tierpark-Plakate zu sehen, in der Zieger mit 17 seiner Werke vertreten ist.
Zum Entstehen des Tierparks trugen einst viele fleißige Helfer mit freiwilligen Aufbaustunden bei. Der Rentner Albert Zinke soll mehr als 2500 Aufbaustunden geleistet haben, die Rentnerin Elise Meinert 660 Stunden und der Kraftfahrer Ernst Pahl in seiner Freizeit 240 Stunden. Ihnen dankte Oberbürgermeister Friedrich Ebert (SED) bei der Eröffnung.
»Mit dem Bewusstsein um die einzigartige Geschichte dieser Einrichtung wächst für mich als Mitarbeiter die Identifikation mit dem Tierpark.«
Sascha Böhme Projektleiter
Mit nur 400 Tieren ging es los. Heutzutage warten etwa 10 000 Exemplare auf die jährlich rund 1,7 Millionen Besucher. Im Laufe der Zeit wurde der Tierpark, der das bestehende Schloss Friedrichsfelde integrierte, noch erweitert und ist mit seinen 160 Hektar Europas flächenmäßig größter und der weltgrößte innerstädtische Zoo. Das 1963 eröffnete Alfred-Brehm-Haus, in dem Raubtiere zu bestaunen waren und sind, war damals das größte Tierhaus der Welt und eine Sensation. »Die begehbare Tropenhalle mit Flughunden sowie die Felsenanlage mit Wassergraben sind zu dieser Zeit einzigartig«, heißt es in einer kurzen Chronik auf der Internetseite des Tierparks.
Zum Jubiläum sind entlang der Kamelwiese acht Stelen mit 585 historischen Fotos aus dem Archiv des Tierparks zu finden. Mehr als 10 000 Aufnahmen wurden dafür gesichtet. Das habe zwar monatelang gedauert, »doch die dabei aufgekommene Goldgräberstimmung hat mich enorm motiviert«, erklärt Projektleiter Sascha Böhme. »Mit dem Bewusstsein um die einzigartige Geschichte dieser Einrichtung wächst für mich als Mitarbeiter die Identifikation mit dem Tierpark noch weiter – genau wie der Stolz, ein Teil davon zu sein.«
Die ausgewählten Fotos stammen aus den Jahren 1955 bis 1989. Sie zeigen etwa den Elefanten Kosko, den Panda Chi Chi, die Baustellen des Alfred-Brehm-Hauses und der Eisbärenanlage und den legendären Direktor Dathe. »Ich freue mich, dass wir diesen Schatz aus dem Archiv zutage fördern konnten«, sagt der derzeitige Direktor Andreas Knieriem.
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Dathe war vom Leipziger Zoo gekommen, um in Berlin ab 1954 den Tierpark aufzubauen. Er leitete ihn, bis er im Dezember 1990 kurz nach seinem 80. Geburtstag zwangsweise in den Ruhestand versetzt wurde. Er sollte dann auch binnen weniger Wochen seine Dienstwohnung auf dem Gelände räumen und starb am 6. Januar 1991. Der Tierpark war sein Leben. Er hatte sich unermüdlich und zuweilen unkonventionell um alles gekümmert. So nahmen Dathe und seine Frau ein von der Mutter nicht angenommenes Bärenjunges mit ins Ehebett und bürsteten ihm den Bauch, damit es aus der Flasche trank. Einen Fleck gibt es allerdings auf der ansonsten weißen Weste von Dathe: Er war als 21-Jähriger bereits 1932 der NSDAP beigetreten.
Gezeigt wird in der Fotoausstellung auch Annemarie Brodhagen. Sie morderierte die ab 1959 im DDR-Fernsehen ausgestrahlte Sendung »Zu Besuch bei Prof. Dr. Dr. Dathe«, die ab 1973 »Tierparkteletreff« hieß und bis 1990 zur Popularität des Tierparks beitrug.
Im Tierpark werden die Tiere nicht auf engen Raum gedrängt präsentiert wie in anderen, älteren Anlagen. Das ist für sie besser und macht einen Bummel dort so angenehm. Derweil meldete der Tierpark im Juni, dass vier seiner Przewalski-Wildpferde in die Weiten der kasachischen Steppe entlassen werden konnten. Sie waren im Frühjahr 2024 zusammen mit drei Pferden aus dem Prager Zoo zur Eingewöhnung dorthin gebracht worden. Sie bilden nun im angestammten Verbreitungsgebiet dieser Tiere die erste Herde seit über 200 Jahren. Zwischenzeitlich gab es Przewalski-Pferde nur noch in Zoos, bevor sie erst in China, der Mongolei und nun in Kasachstan ausgewildert wurden.
Tierpark Berlin, Am Tierpark 125 in 10319 Berlin, geöffnet vom 31. März bis 21. September täglich von 9 bis 18.30 Uhr, letzter Einlass 17 Uhr, zu anderen Jahreszeiten früher. Eintritt: 22,50 €, ermäßigt 11,50 €, Kinder bis 15 Jahre 11 €, Kinder bis 4 Jahre frei
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