Spätmerker-Alarm: Weiße Socken

Was ist im Sommer cool und sieht gut aus?

Zeiget eure Füße – und die Socken zeigen, wie cool ihr seid.
Zeiget eure Füße – und die Socken zeigen, wie cool ihr seid.

Modeschock beim Boots-Badeausflug in Berlin. Ich frage ein Teenager-Zwillingsschwesternpaar, warum sie weiße Socken tragen? »Weil es cool ist«, sagt die eine. Wie bitte, was? »Weil es gut aussieht«, sagt die andere. Und dann springen sie ohne Socken ins Wasser, und ich schaue ratlos in mich rein.

Weiße Socken sollen cool sein? Und gut aussehen? Das höre ich das erste Mal seit Dekaden! Mir galt das Weiße-Socken-Verbot als biblisches Gebot der Styler und Modernisten, erlassen für den Alltagsgebrauch, um nicht zu doof zu wirken. Dieses Gebot kam einst auf im finsteren Westdeutschland der mittleren 80er, als apokalyptisch vor saurem Regen (zerstört die Wälder) und Atomraketen (zerstören alles andere) gewarnt wurde – und vor weißen Socken.

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Das konnte man sich gut merken: Keine weißen Socken, und du bist okay. Es war eine Doppelwarnung: vor Hippies und vor Poppern gleichermaßen. Die einen trugen sie in Sandalen (das galt als ganz schlimm), die anderen in Collegeschuhen (fast noch schlimmer). Beides wurde als abstoßend empfunden: Hippies waren auf ihren Modetrips stehen geblieben, und Popper steckten im Konservatismus fest.

Und dann gab es noch Steffi Graf und Boris Becker, die Helden des neuen Wir-sind-wieder-wer-Tennis-Nationalismus. Dieser war besonders bum-bum-blöd und die weiße Tennissocke damit tabu. Kurze Hosen für Männer wurden gleich mitverboten und für alle Geschlechter auch die Stirnbänder, wie sie Björn Borg, John McEnroe und Martina Navratilova trugen, denn die sahen aus wie angeklebt.

Stirnbänder für die Füße, das war ungefähr das Image der weißen Socken – ein modisches Mißverständnis. Wer sie trotzdem trug, war komödiantisch unterwegs, in den Nullerjahren meist als renitente Atze wie in den TV-Serien »New Kids« oder »Little Britain«, wo stumpf Trumpf war.

Doch aus uncool wird das neue cool, das sind die ewigen Gesetze von Yin und Yang in der Modeindustrie oder wie es Yves Saint Laurent formulierte: »Was ist Eleganz anderes als das Vergessen, was man trägt?«

Ich habe es jetzt nachgelesen: Billie Eilish trägt weiße Socken. Ich habe mich jetzt umgehört: In der Redaktionsleitung dieser Zeitung weiß man schon, dass sie wieder gehen – seit mindestens einem Jahr, denn die Familie hat es so verkündet. Ich habe die Zwillinge auf dem Boot gefragt: »Und was ist mit schwarzen Socken?« – »Vergiss sie!«, sagten beide gleichzeitig.

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