Die AfD frisst Kreide

Wolfgang Hübner über die angebliche Selbstdisziplinierung der Rechtsaußen-Partei

Der AfD-Abgeordnete Stephan Brandner, penetrantester Zwischenrufer im Bundestag, wird sich wohl auch durch fraktionseigene Benimmregeln kaum bremsen lassen.
Der AfD-Abgeordnete Stephan Brandner, penetrantester Zwischenrufer im Bundestag, wird sich wohl auch durch fraktionseigene Benimmregeln kaum bremsen lassen.

Kann gut sein, dass demnächst im deutschen Fachhandel ein Kreideengpass festgestellt wird. Das läge dann an Großbestellungen mit dem Absender AfD. Deren Fraktionsführung hat auf einer Klausurtagung ein paar Benimmregeln vorgegeben, die der Rechtsaußen-Partei im Bundestag ein weniger abstoßendes Bild verschaffen sollen. Die Abgeordneten sollen gemäßigt auftreten, was auch immer das heißen mag. Polarisierende rassistische und nationalistische Begriffe wie Remigration und Leitkultur wurden aus dem jüngsten Positionspapier gestrichen. Zudem wurden Regeln zur »Prävention von Bestechlichkeit« eingeführt.

Worauf das hinauslaufen soll, ist klar: Die weitgehend rechtsextreme Partei, die in Umfragen deutlich zweitstärkste Kraft nach der Union ist und dieser gelegentlich dicht auf die Pelle rückt, will sich massentauglicher und geeignet für eine Regierung präsentieren. Wie der Wolf in Grimms Märchen möchte die AfD die Stimme geschmeidig machen. Doch davon möge sich niemand täuschen lassen. Das ganze Politikmodell dieser Partei beruht auf Spaltung, Ausgrenzung, Provokation, Überschreitung der Normen von Demokratie und Anstand. Mitarbeiter werden in der rechtsextremen Szene rekrutiert, im Bundestag wird gepöbelt – mit einer Rekordzahl an Ordnungsrufen durch das Präsidium –, in den sozialen Netzwerken wird gehetzt. An der Widerlichkeit dieser Partei ändert sich nichts, wenn ihre Vorzeigeleute künftig den höflichen Onkel spielen.

Was irgendwelche Benimmregeln wert sind, führte gleich mal Partei- und Fraktionschefin Alice Weidel vor. Sie fühle sich vom Beschluss des SPD-Parteitags, ein Verfahren zum Verbot der AfD vorzubereiten, an Hitlers Machtergreifung erinnert. »Genau das hatten wir 1933«, als Hitler als Erstes andere Parteien verboten habe, erzählte Weidel. Nun hat sie ihre historische Expertise schon einmal unter Beweis gestellt, als sie während des Bundestagswahlkampfs mit der Behauptung aufwartete, Hitler sei ein Kommunist gewesen. Um es in Anlehnung an Max Liebermanns Bonmot anlässlich der Machtergreifung Hitlers zu sagen: Die AfD kann gar nicht so viel Kreide fressen, wie sie motzen möchte.

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