Die Frau, die Spahn die Maske abzog

Sonderermittlerin Margaretha Sudhof (SPD) spricht vor dem Haushaltsausschuss – so weit sie darf

Margaretha Sudhof, Sonderermittlerin zu Corona-Maskenbeschaffungen, kommt zum Haushaltsausschuss im Bundestag.
Margaretha Sudhof, Sonderermittlerin zu Corona-Maskenbeschaffungen, kommt zum Haushaltsausschuss im Bundestag.

Margaretha Sudhof (SPD), Sonderermittlerin in der Maskenaffäre um Jens Spahn (CDU), sprach am Dienstag vor dem Haushaltsausschuss des Bundestages. Grund für die Sondersitzung und ihre Einladung war der geleakte »Bericht der Sachverständigen Beraterin«, bekannt als »Sudhof-Bericht«, am vergangenen Freitag. Es ist wohl der öffentlichkeitswirksame Höhepunkt einer Karriere, die eigentlich schon vorbei war. Wie ist es dazu gekommen?

Bis zu ihrem Ruhestand 2023 hatte Sudhof unter anderem als Richterin am Verwaltungsgericht Frankfurt am Main fungiert, war auch Referatsleiterin im Bundeskanzleramt und Staatssekretärin in zwei Bundesministerien. Am 24. Juli 2024 wurde sie dann vom damaligen Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) aus dem Ruhestand beordert und als Sonderermittlerin eingesetzt, um die Beschaffungsaktivitäten von Spahns Gesundheitsministerium im Jahr 2020 aufzuarbeiten. Grund waren zwei Urteile des Oberlandesgerichts Köln vom Juni und Juli 2024, in denen Lieferanten erfolgreich gegen das Gesundheitsministerium klagten. Diese kritisierten die »Fixgeschäftsklauseln«, wonach bei verspäteter Lieferung der ganze Vertrag nichtig werde.

Diese Klausel wurde vom Gericht für nichtig erklärt, und der Bund musste 85,6 Millionen Euro an den Maskenlieferanten ILTS zahlen. Insgesamt wurden in diesem sogenannten Open-House-Verfahren des Bundesgesundheitsministeriums unter Spahn 733 Zuschläge im Volumen von 6,4 Milliarden Euro vergeben. Bis heute gibt es rund 100 ähnliche Klagen mit einem Gesamtstreitwert von etwa 2,3 Milliarden Euro.

Sudhof startete mit ihrer Arbeit, sicherte und sichtete Akten, sprach mit Beamten und lieferte ihren Abschlussbericht bereits im April 2025 dem Gesundheitsministerium. Am 6. Mai wurde jedoch Nina Warken (CDU) neue Gesundheitsministerin und weigerte sich, den Sudhof-Bericht ans Parlament weiterzuleiten. Dem Haushaltsausschuss legte sie am 24. Juni nur einen geschwärzten Bericht vor. Passagen, die die Beschaffungspraxis Spahns kritisierten, wurden massiv herausgestrichen. Spahn selbst erschien am 25. Juni vor dem Ausschuss und verteidigte sein Wirken als Minister. Das Problem schien aus der Welt geschafft – die Parteifreundin hat allem Anschein nach Spahn gedeckt.

Doch am 4. Juli wurde der ungeschwärzte Sudhof-Bericht durch die »Süddeutsche Zeitung«, den NDR, WDR und »Frag den Staat« veröffentlicht. Neue Details zu Spahns Missmanagement und aktiver Bevorteilung CDU-naher Geschäftspartner wurden bekannt, und der Haushaltsausschuss tagte an diesem Dienstag wieder in geheimer Sitzung und befragte Sudhof zu ihrem Bericht und den Schwärzungen – nur darf sie nicht antworten. Abermals intervenierte CDU-Gesundheitsministerin Warken zugunsten Spahns und verweigerte der Sonderermittlerin die »unbeschränkte Aussagegenehmigung«.

Kritik kommt von der Linken. Ines Schwerdtner – selbst ordentliches Mitglied im Haushaltsausschuss – erklärt: »Wenn die Bundesregierung verlorenes Vertrauen zurückgewinnen will, muss sie für volle Transparenz sorgen. Erst wird ein geschwärzter Bericht vorgelegt, dann tagt der Ausschuss mit Margaretha Sudhof in geheimer Sitzung. Und zu allem Überfluss wird der Sonderermittlerin untersagt, offen zu sprechen.«

Es sei deutlich geworden, dass Frau Sudhof sehr wohl zur Aufklärung bereit sei, dies aber an der Genehmigung des Bundesgesundheitsministeriums scheitere. Schwerdtner weiter: »Diese Einschränkung, verantwortet durch Ministerin Nina Warken, lässt den Eindruck entstehen, dass die Aufklärung bewusst behindert werden soll.« Die Geheimniskrämerei schade dem Vertrauen in die öffentlichen Institutionen.

Weiter fordert Schwerdtner die SPD auf, für die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses zu stimmen. Die Linke und die Grünen pochen auf einen Untersuchungsausschuss zu Spahns Maskenaffäre. Bislang lehnen die Sozialdemokraten dies ab. Ob die SPD weiterhin den Burgfrieden mit der CDU der Aufklärung der Maskenaffäre um Spahn vorziehen will – die sie in der letzten Legislatur selbst eingeleitet hatte –, bleibt offen.

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