Unter Ozempic auf sichere Verhütung achten

Neue Medikamentenklasse gegen Diabetes und starkes Übergewicht hat gute Wachstumschancen

Spritze mit dem Wirkstoff Semaglutid – in Deutschland zugelassen, aber nur zur Behandlung von Diabetes-Typ-2 Kassenleistung
Spritze mit dem Wirkstoff Semaglutid – in Deutschland zugelassen, aber nur zur Behandlung von Diabetes-Typ-2 Kassenleistung

Die sogenannten Inkretinmimetika, auch bekannt als GLP-1-Rezeptoragonisten, wurden eigentlich als Medikamente zur Behandlung von Typ-2-Diabetes entwickelt. Sie ahmen die Wirkung körpereigener Hormone nach, darunter von GLP-1, und führen so zur Senkung des Blutzuckerspiegels. Zusätzlich können sie die Gewichtsreduktion unterstützen, da sie das Sättigungsgefühl steigern. Semaglutid ist der Wirkstoff hinter Ozempic und Wegovy, ersteres ist niedriger dosiert und zur Behandlung von Typ-2-Diabetes zugelassen. Das höher dosierte Wegovy wird zur Gewichtsreduktion verschrieben, auch wenn kein Diabetes vorliegt. Mounjaro ist ein neuerer dualer Agonist, der zusätzlich zu GLP-1 ein weiteres Hormon (GIP) nachahmt.

Ozempic ist in der EU und Deutschland seit 2018 zur Diabetesbehandlung zugelassen, eine Tablettenversion von Semaglutid (Handelsname Rybelsus) seit 2020. Hersteller der entsprechenden Spritzen sind hauptsächlich zwei Unternehmen: Novo Nordisk aus Dänemark und Eli Lilly aus den USA. Weltweit wurde mit Semaglutid im Jahr 2024 etwa 16,1 Milliarden Euro Umsatz erzielt, mehr als die Hälfte davon in den USA und Kanada. Mit Mounjaro konnte wiederum Eli Lilly 2024 den Vorjahresumsatz auf 11,5 Milliarden US-Dollar verdoppeln.

Die Zukunft dieser Medikamente liegt darin, mit ähnlichen Wirkstoffen noch weitere Rezeptoren auf der Oberfläche der insulinausschüttenden Beta-Zellen anzusprechen und noch stärkere Wirkungen bei der Behandlung von Diabetes und Adipositas zu erzielen. Neben einer vereinfachten Einnahme sollen bestimmte Nebenwirkungen verringert werden, darunter am häufisten Übelkeit, Durchfall und Erbrechen zu Beginn der Therapie. Ungelöst ist zudem das Problem, wie die Medikamente sicher abgesetzt werden, ohne dass wieder eine Gewichtszunahme einsetzt.

Die Behandlung ist nicht nur deshalb (auch für die Hersteller) so interessant, weil die Zahl allein der adipösen Menschen weltweit auf 650 Millionen geschätzt wird. In den USA etwa sind schon 70 Prozent der Bevölkerung übergewichtig. Im Gegensatz zur Wahrnehmung der Abnehmspritzen als Modemittel für Medienstars geht es um viel mehr als kosmetische Probleme. Denn starkes Übergewicht jenseits eines Body-Mass-Indexes von 30 gilt als Risikofaktor nicht nur für Diabetes-Typ-2, sondern auch für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Fettleber und bestimmte Arten von Krebs.

Zu den selteneren Nebenwirkungen von Ozempic gehören Gallensteine, Bauchspeicheldrüsenentzündungen oder Schilddrüsenkrebs. In Bezug auf eine ganz besondere Nebenwirkung konnte jetzt Entwarnung gegeben werden: Die These, dass übergewichtige Frauen unter Ozempic einfacher schwanger werden, ist nur bedingt richtig. Aufklärung dazu kommt von Katharina Laubner. Sie ist Sprecherin der Arbeitsgemeinschaft Diabetes und Schwangerschaft der Deutschen Diabetes-Gesellschaft und am Universitätsklinikum Freiburg tätig. Die Medizinerin weist darauf hin, dass Adipositas und Typ-2-Diabetes sich negativ auf die reproduktive Gesundheit beider Geschlechter auswirken. Bei Frauen kommt es dann oft zum Polyzystischen Ovarialsyndrom – und damit zu Unfruchtbarkeit. »Schon eine moderate Gewichtsreduktion von etwa fünf bis zehn Prozent des Körpergewichts kann über eine bessere Insulinempfindlichkeit wieder zur Verbesserung der Fertilität führen«, erklärt Laubner.

Es ist also nicht das Medikament, sondern die Gewichtsabnahme, die den Zyklus regelmäßiger macht und eine Schwangerschaft ermöglicht. Insofern sollten Frauen etwa unter Ozempic auf eine sichere Verhütung achten. Belastbare Daten zum Einfluss der Inkretinmimetika auf das ungeborene Kind gebe es noch nicht. Jedoch sollte das Medikament ab dem zweiten Schwangerschaftsdrittel wegen seiner Stoffwechselwirkungen eher abgesetzt werden, empfiehlt Laubner. Es sei zudem noch nicht bekannt, ob Ozempic und Co. helfen könnten, auch die Qualität männlicher Spermien wieder zu verbessern. Mediziner halten das für vorstellbar.

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