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Berlin: Koalitionskleber Miete
Grüne und Linke beschließen ähnliche Mietenkonzepte
Eigenbedarfskündigungen, fehlende Sozialwohnungen, Mieterhöhungen durch Modernisierung, Abriss von Wohnraum, möbliertes und überteuertes Wohnen auf Zeit – die Liste der Missstände auf dem Berliner Wohnungsmarkt ist lang. Bisher sind alle Versuche gescheitert, die Praktiken der Vermieter in den Griff zu bekommen und die Mieten auf ein erträgliches Niveau zu senken.
Grüne und Linke haben nun mietenpolitische Konzepte vorgelegt, die erstaunlich große Übereinstimmungen aufweisen. Der konstitutive Ansatz beider Programme: Vermieter, die mehr als 50 Wohnungen besitzen, sollen verpflichtet werden, mindestens 20 Prozent ihrer Wohnungen zu bezahlbaren Preisen anzubieten. Sie erhalten zudem eine gesetzliche Instandhaltungspflicht. Für mehr Transparenz soll ein Miet- und Wohnungskataster eingeführt werden, das Informationen zu Besitzverhältnissen und Miethöhen liefert. Zudem soll ein Landesamt für Wohnungswesen eingerichtet werden, das die Einhaltung der Vorgaben kontrolliert.
Dass solche weitreichenden Beschränkungen verfassungsrechtlich möglich sein könnten, hatte die Linksfraktion im Abgeordnetenhaus 2024 durch ein Gutachten der Juristin Pia Annika Lange – Professorin für Öffentliches Recht und Direktorin des Zentrums für Europäische Rechtspolitik – prüfen lassen. Sie untersuchte, welche Gesetzgebungskompetenzen den Ländern im Bereich Wohnungswesen zustehen und wie eine öffentlich-rechtliche Wohnraumbewirtschaftung gestaltet sein müsste. Ihr Fazit: »Je angespannter sich die Lage auf dem Wohnungsmarkt darstellt, desto eingriffsintensivere Maßnahmen lassen sich rechtfertigen.« Das Land habe nicht nur die Möglichkeit, sondern auch die Verpflichtung, gegen die »Unterversorgung der Bevölkerung mit angemessenem Wohnraum« vorzugehen. Sozialquote, Verpflichtung zum Bestandserhalt, Transparenzpflichten und – im Fall von Verstößen – selbst der Ausschluss vom Markt seien rechtlich zulässige Maßnahmen in einer wohnungspolitischen Notlage.
Die Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus hat ihr »Bezahlbares-Mieten-Gesetz« Anfang Juli beschlossen – »einstimmig«, wie deren wohnungspolitische Sprecherin Katrin Schmidberger im Gespräch mit »nd« betont. Auch die Grünen sprechen von einer »wohnungspolitischen Notlage«. »Wir brauchen jetzt eine große Lösung«, so Schmidberger. Diese soll neben Sozialquote, Transparenzregister und Landeswohnungsamt auch eine Begrenzung des Marktzugangs beinhalten – als stärkstes Instrument. Vermieter, die sich nicht an die Vorgaben halten, sollen »vom Markt genommen« werden, heißt es im Konzept. Innerhalb von zwei Jahren müssten sie ihre Wohnungen dann verkaufen.
Damit gehen die Grünen über das Ende 2024 vorgelegte »Sicher-Wohnen-Gesetz« der Linken hinaus, das einen Ausschluss vom Markt nicht vorsieht. Niklas Schenker, wohnungspolitischer Sprecher der Linken, zeigt sich gegenüber »nd« skeptisch: »Wir sind nicht überzeugt, wie das funktionieren soll. Es wird extrem kompliziert, das durchzusetzen. Vonovia dürfte die Bedingungen erfüllen – an die großen Bestände kommt man so also nicht ran.« Die Sanktionsmöglichkeiten seien vorhanden, sie müssten nur angewandt werden. Die Linke plädiert daher für ein gut ausgestattetes Amt für Wohnungswesen mit umfassenden Eingriffsrechten. Vor allem das Instrument der Treuhänderschaft – also die Übernahme von Problemimmobilien in staatliche Hand – werde noch viel zu wenig genutzt.
Vermieter, die mehr als 50 Wohnungen besitzen, sollen verpflichtet werden, mindestens 20 Prozent ihrer Wohnungen zu bezahlbaren Preisen anzubieten.
Bei aller Unterschiedlichkeit sei es, so Schenker, dennoch ein starkes Signal, dass Grüne und Linke nun ähnliche Konzepte vorlegen. Sollten diese Bestandteil eines gemeinsamen Regierungsprogramms werden, könne daraus ein Referenzprojekt für eine Wohnungspolitik entstehen, das Spekulation eingrenzt und Mieter*innen schützt.
Auch in der SPD wird über mehr Regulierung nachgedacht. Zum Wochenende sorgte Fraktionschef Raed Saleh mit dem Vorschlag für Verwirrung, Artikel 15 des Grundgesetzes – den Vergesellschaftungsparagrafen – anzuwenden, um Mietendeckel und Marktzugangsregeln rechtssicher einzuführen. Die Kommentare zu dem Vorschlag reichen von »juristischer Unsinn« (Niklas Schenker) bis zu »verfassungsrechtlicher Amoklauf« (Deutsche Wohnen & Co enteignen). Ob mehr dahintersteckt, bleibt abzuwarten. Immerhin hatte der SPD-Parteitag 2021 ein Wohnraumsicherungsgesetz gefordert, das den aktuellen Vorschlägen von Grünen und Linken nahekommt. Damit lägen – ergänzend zum Vergesellschaftungskonzept des Volksentscheids – konkrete Vorschläge für eine Wohnungspolitik vor, die eine Alternative zur Politik des aktuellen CDU-SPD-Senats aufzeigen.
Zustimmung finden die Pläne bei Mieterorganisationen. Der Berliner Mieterverein hebt die Quote für WBS-fähige Wohnungen im privaten Wohnbesitz »als sehr sinnvoll« hervor, denn, so die Geschäftsführerin des Vereins, Ulrike Hamann-Onnertz, gegenüber »nd«, »es ist nicht erklärbar, warum sich private Eigentümer nicht an der sozialen Wohnraumversorgung beteiligen«. Der Mieterverein unterstütze die Forderung nach einem Miet- und Wohnungskataster und nach einem Amt für Wohnungswesen. Hamann-Onnertz erinnert daran, dass auch der aktuelle Senat in seinem Koalitionsvertrag ein Wohnraumsicherungsgesetz angekündigt hat: »So ein Gesetz erwarten wir schon lange. Ob dieser Senat sich traut, so beherzt in den Wohnungsmarkt einzugreifen, wie er es könnte, werden wir hoffentlich in den nächsten Wochen endlich zu sehen bekommen.«
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