Neues Leben für alte Dinge

Im Ayinger Repair-Café werden defekte Geräte wieder fit gemacht

  • Rudolf Stumberger
  • Lesedauer: 5 Min.
Jörg von Styp beim Schrauben im Ayinger Repair-Café
Jörg von Styp beim Schrauben im Ayinger Repair-Café

Das Bürgerhaus von Aying, einer kleinen Gemeinde im Umland von München, steht direkt neben dem Rathaus, schräg gegenüber von einem Kirchturm. Im großen Saal im ersten Stock ist dort an einem Sonntagnachmittag im Frühsommer einiges los. Während sich linker Hand mehrere Besucher an Kaffee und Kuchen laben, sind auf der rechten Seite drei Männer und eine Frau dabei, Elektrogeräte aufzuschrauben und Hosen zu kürzen. An der Tür sitzt Thomas Wiedemann und sagt: »Ich finde es eine gute Idee, kaputte Dinge zu reparieren, anstatt sie wegzuwerfen.« Der 62-Jährige ist der Organisator des hier stattfindenden »Repair-Cafés«.

Wiedemann nimmt die zu reparierenden Sachen entgegen, versieht sie mit einem Zettel und legt sie hinter sich auf einen Tisch. Hier wartet schon Etliches auf seine Reparatur. Zettel Nr. 15: »Toaster bleibt nicht unten.« Zettel Nr. 8: »Staubsauger, Schalter defekt.« Zettel Nr. 11: »Küchenmaschine defekt. Klappt nicht zu.« Jedes kaputte Gerät bekommt so einen Laufzettel, mit einer Nummer und einer knappen Schilderung des Problems. Gerät und Zettel werden dann von den Fachleuten des Repair-Cafés abgeholt, zu einem Arbeitstisch gebracht und repariert.

Zum Beispiel von Jörg von Styp. Der 59-jährige Elektroingenieur schraubt gerade an einem alten Fernseher herum. Das Gerät hat einen integrierten DVD-Player und dieser funktioniert nicht mehr, er klemmt. Für von Styp ist Nachdenken angesagt. »Ich bin ein bisschen ratlos«, sagt der Ingenieur und legt die Stirn in Falten.

Er ist einer der zwölf Ehrenamtlichen, die seit gut zwei Jahren das Repair-Café am Laufen halten. Einige reparieren, andere kochen Kaffee und backen Kuchen. Die »Kunden« können beides an Tischen genießen, während sie warten, bis ihre mitgebrachten Dinge repariert sind – oder auch nicht. Zwischen 20 und 30 Leute kommen zu dem Termin im Bürgerhaus, der alle drei Monate stattfindet.

Ingenieur von Styp wohnt in der Gemeinde, er hat in eine Bauernhoffamilie eingeheiratet. Und weil er schon immer gerne bastelt, ist er zum Repair-Café gestoßen. Der Fernseher mit dem kaputten DVD-Player, den er gerade bearbeitet, stammt von einer Discounter-Kette und ist an die 15 Jahre alt. »Je älter, desto besser«, meint der Ingenieur. Jedenfalls, was das Reparieren anbelangt. Denn bei modernen Geräten ist das oft nicht mehr möglich.

Auf dem zum Fernseher gehörenden Laufzettel kann man drei Möglichkeiten ankreuzen: »Reparatur gelungen«, »Nicht ganz. Empfehlung?« und »Nein. Grund?«. Was von Styp hier eintragen wird, ist noch nicht klar. Anders als bei der Heißmangel zum Glätten von Stoffen, die er davor unter seine Fittiche genommen hat. Da waren nur die Stromkontakte verdreckt. Nachdem sie gereinigt worden waren, ging die Mangel wieder.

Einen Tisch weiter sitzt Carla Spindler vor ihrer Nähmaschine, die sie von zu Hause mitgebracht hat, und kürzt eine Hose. »Sieben Zentimeter«, sagt sie und misst nach. Neben ihr steht ein Kästchen mit jeder Menge Fäden und Nadeln. Eine Schneiderin ist Spindler nicht, aber einfache Näharbeiten sind für sie kein Problem. »Wir haben noch in der Schule auf der Nähmaschine gelernt«, erzählt sie. Wobei sie weiß: »Jeans sind eher schwierig.«

Carla Spindler vor ihrer Nähmaschine
Carla Spindler vor ihrer Nähmaschine

Neben der Reparatur von Elektrogeräten und dem Nähservice gibt es auch die Möglichkeit, sein Fahrrad mitzubringen. Vor dem Bürgerhaus hat ein Radmechaniker sein Werkzeug ausgebreitet und inspiziert Bremsen und Gangschaltungen. Fahrräder, Staubsauger, Spielekonsolen, Radios, Plattenspieler, Hosen – die Bandbreite der hier zur Reparatur gebrachten Dinge ist groß. Jetzt steht eine ältere Dame bei Thomas Wiedemann und hat mehrere Handys dabei. »Welches ist kaputt?«, fragt er. Eigentlich keines, aber die Sim-Karten müssen gewechselt werden.

Zum ersten Mal tauchten derlei Reparatureinrichtungen 2009 in den Niederlanden auf. Das Repair-Café in Aying ging aus einer sogenannten Zukunftswerkstatt der Gemeinde (früher hieß das »Agenda 21«) hervor. In ihr beschäftigen sich die Bürger in vier Bereichen mit dem Thema Umwelt und Nachhaltigkeit: Energie, Mobilität, Naturschutz und Konsum. Im Letzteren ist das Repair-Café angesiedelt. Wiedemann stellte einen Aufruf in das Gemeindeblatt und das Projekt nahm seinen Anfang. Unterstützung bekam er von der Gemeinde – sie stellt die Räume zur Verfügung – und von der örtlichen Volkshochschule.

Mittlerweile gibt es in Bayern an die 250 Repair-Cafés, von Aschaffenburg bis Murnau. Sie sollen dabei helfen, Müll zu vermeiden und Umwelt und Ressourcen zu schonen. Bundesweit gibt es an die 1200 derartige Reparatureinrichtungen. Ein Förderprogramm des Bundesumweltministeriums stellt für Einrichtungen, die als gemeinnützige Vereine organisiert sind, bis zu 3000 Euro zur Verfügung. Im weiteren Verlauf des Programms sollen auch Einrichtungen gefördert werden, die nicht als Verein konstituiert sind. Insgesamt stehen drei Millionen Euro an Mitteln bereit.

In Berlin unterstützt darüber hinaus der Senat die Reparatur von Elektrogeräten wie Waschmaschinen oder Staubsaugern. Instandsetzungen aller haushaltsüblichen Geräte werden mit bis zu 200 Euro gefördert, die Reparaturen können sowohl in gewerblichen als auch nichtgewerblichen Reparaturbetrieben wie etwa den Repair-Cafés vorgenommen werden. 2024 wurden in Berlin 7500 derartige Reparaturanträge gestellt.

Zurück zu Elektroingenieur von Styp. Er hat den Defekt im DVD-Player gefunden. Ein Kunststoffzahnrad war gebrochen und hat so den DVD-Schlitten blockiert, wegen fehlender Ersatzteile war hier nichts mehr zu machen. »Wir können in der Tat nicht alles reparieren, aber zumindest in den meisten Fällen feststellen, wo der Fehler liegt«, so Organisator Wiedemann.

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