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Die Muse der Zukunft: KI
Ist das noch Utopie oder schon Dystopie? Das Debütalbum von Superspace
Seit die Künstliche Intelligenz vor gut zwei Jahren in Form von Chat GPT zu ihrem anscheinend endgültigen Siegeszug angesetzt hat, scheint das Gros der Kunst- und Kulturszene in Angst und Schrecken versetzt. Was, so fragt man sich, wird mit uns und unseren Ideen sein, wenn das Äquivalent aus der Retorte den Mainstream erobern wird? Wenn wir die Maschinen füttern, wer füttert dann uns? Und wer wird in Zukunft überhaupt noch bereit sein, der Kreativwirtschaft einen Penny hinterherzuwerfen, wenn die Maschinen für lau arbeiten?
Maurice Summen und Tom Hessler scheinen dahingehend unbesorgt zu sein. Zumindest könnte man das denken, wenn man das Debütalbum der beiden Musiker hört, das dieser Tage unter dem superben Namen Superspace veröffentlicht wurde. Denn so düster das obige Zukunftsszenario – das längst schon in die Gegenwart eingesickert ist – erscheint, so zuversichtlich und unbekümmert groovt das selbstbetitelte Werk des Duos, das sich musikalisch irgendwo zwischen House, Dub, Minimal Techno und Ambient bewegt.
Das Album der Woche. Weitere Texte unter dasnd.de/plattenbau
Entstanden ist es an der Schnittstelle von Mensch und Maschine, oder genauer: Im Wechselspiel zwischen »billigen KI-Anwendungen, sündhaft teurem Vintage-Equipment und einer an die 90er Jahre erinnernden Sample-Ästhetik«, wie es im begleitenden Info-Text heißt. Klingt zunächst neu und aufregend, ist es aber nur bedingt: Denn längst arbeitet auch das Gros der Kreativszene im Wechselspiel mit der KI. Doch das wird dabei zumeist unterschlagen, untergräbt es doch den Schein der gern und viel beschworenen Authentizität.
Was das vorliegende Album deshalb besonders macht, ist der Umstand, dass Summen und Hessler die umrissene Arbeitsweise ins Zentrum ihres Werkes rücken – und damit etwa auch drängende Fragen danach, wer hier spielt und die Kontrolle über den kreativen Prozess innehat. Insofern kann man im Falle von »Superspace« von einem Meta-Album sprechen, da es sich selbst thematisiert und infrage stellt.
Den musikalischen Mehrwert der insgesamt zehn Stücke schmälert dieser Umstand indes nicht. Denn fernab der philosophisch-ethischen Problemstellungen bieten Stücke wie »Superspace Heaven«, »Superspace Feeling« oder »Superspace Business« feinste Electronica-Tunes, die wie ein zuckersüßes Zukunftsversprechen aus der sepia-gefärbten Vergangenheit klingen. Mal werden dabei Erinnerungen wach an Downtempo-Sounds in der Tradition von Nightmares on Wax. In anderen Momenten meint man Gruppen wie Air, Thievery Corporation oder Massive Attack am Werk zu hören.
Und wer weiß, vielleicht tut man das ja auch, nur halt über Umwege. Denn irgendwoher müssen ja all die musikalischen Ideen kommen, die sich Summen und Hessler aus den KI-Anwendungen gezogen haben. Was sie sich dabei – neben ihrem eigenen musikalischen Beitrag – zweifellos auf die Fahne schreiben können, ist, die Maschine mit den richtigen Befehlen gefüttert zu haben. Das ist die kreative Muse der Zukunft.
Ist das noch Utopie oder schon Dystopie? Die Frage steht im Raum. Wer darüber nachdenkt, hört dabei in Zukunft am besten »Superspace«.
Superspace: »Superspace« (Fun in the Church)
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