Lausitz: Singen für die letzte grüne Oase im Tagebau

In Nordsachsen soll ein Wäldchen der Braunkohle weichen. Umweltgruppen leisten auch mit Kultur Widerstand

Kunst und Literatur am Sonntag im Wald: Nicht nur Natur, sondern auch sorbische Identität wollen Aktive in der Lausitz bewahren.
Kunst und Literatur am Sonntag im Wald: Nicht nur Natur, sondern auch sorbische Identität wollen Aktive in der Lausitz bewahren.

Wo einmal Wald war, ist nur noch Brachland, so weit das Auge reicht. Totes Holz zeugt von den Bäumen, die hier gefällt wurden. Mitten in der Klimakrise musste ein Wald der Kohleförderung weichen. Das Unternehmen Leag erweitert seinen Tagebau Nochten im Nordosten Sachsen in Richtung der Dörfer Rohne und Nochten. Doch ein kleines Wäldchen existiert noch mitten im Kohleabbaugebiet. Dort weht eine Fahne der Grünen Liga, eines Netzwerks ökologischer Gruppen. Die Umweltschützer*innen haben das Wäldchen vom Eigentümer gepachtet.

Seit April laden die Umweltschützer*innen einmal im Monat dort zu Kulturveranstaltungen ein. Der Grund: Dem Wäldchen droht zum 1. Januar 2026 die vom sächsischen Oberbergamt beschlossene Enteignung und Abholzung für den Tagebau. Die Eigentümer haben dagegen Klage eingereicht. Mit einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Bautzen darüber ist ab August zu rechnen. Die Veranstaltungen sind eine Form des Widerstands.

Am Sonntag ist es wieder so weit. Rund 20 Menschen warten am Bahnhof Schleife auf Autos, mit denen sie zu dem Waldstück gebracht werden. Es ist von hier nur knapp 1,5 Kilometer entfernt. »Doch die Leag hat uns verboten, diese Strecke über ihr Gelände zu betreten. Also müssen wir einen Umweg von fast neun Kilometern fahren, um auf unser Grundstück zu gelangen«, sagt Theo, der eines der Autos fährt.

Die Besucher*innen können sich mit eigenen Augen davon überzeugen, wie hier in Nordsachsen Natur vernichtet wird. Überall stehen Schilder mit der Aufschrift »Lebensgefahr«, die vor einem Betreten des Tagebaugeländes warnen. Nur da, wo die Fahne der Grünen Liga weht, blühen noch Moose, Flechten und kleine Pflanzen. Ein Baum ist beim letzten Sturm umgefallen.

Doch das Areal ist eng eingegrenzt von einen Zaun. Auf der anderen Seite beginnt das Abbaugebiet. Dort gibt es keine Bäume mehr. Am Sonntag stehen die großen Bagger und anderen Geräte zur Kohleförderung still. Nur ein Surren ist ständig zu hören. Es kommt aus einem großen Rohr, das die Wasserzufuhr im Tagebau reguliert. Aus der Ferne ist das Geräusch einer Anlage zu hören, die regelmäßig den Sand mit Wasser besprüht, damit er nicht ganz austrocknet. »Als hier noch Wald war, brauchte man solche Maßnahmen nicht«, sagt eine ältere Besucherin aus der Region.

Gleich drei kulturelle Darbietungen gibt es an diesem Sonntag. Die Künstlerin Maja Nagel stellt einige ihrer großen Kohlezeichnungen aus, die, auf große Kunststoffbanner übertragen, weiter als Freiluft-Ausstellung zwischen den Bäumen des Waldstücks besichtigt werden können. Sie zeigen Menschen in der Natur.

Der Liedermacher Paul Geigerzähler spielte einige seiner Protestsongs. Mehr als ein Drittel sang er auf Sorbisch, in der Sprache, die zwischen Cottbus und Bautzen auf allen Straßenschildern zu finden ist. Geigerzähler ist selbst Sorbe und in Bautzen geboren.

Die Autorin und Filmemacherin Grit Lemke las aus ihrem Bestseller »Die Kinder von Hoy« über das Leben in der Stadt, die in der DDR für Kohleabbau und Energiegewinnung stand. Lemke las exakt 30 Minuten über das Leben in der Stadt, in der sich alles um das Gaskombinat Schwarze Pumpe drehte. Gleich zu Beginn bekannte sie, dass man sich damals wenig Gedanken über die ökologischen Folgen der Kohleförderung und -verarbeitung gemacht habe. Bis zum September sind weitere Veranstaltungen geplant.

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