Frankreich tritt kurz

Opfer der Sparpläne des Premiers sind Beschäftigte, Rentner, Einkommensschwache und Langzeitkranke

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.
Die linke Opposition und die Gewerkschaften wollen der Regierung Bayrou einen heißen Herbst bereiten.
Die linke Opposition und die Gewerkschaften wollen der Regierung Bayrou einen heißen Herbst bereiten.

Frankreichs Premierminister François Bayrou hat in der vergangenen Woche auf einer Pressekonferenz den Entwurf des Budgets für 2026 vorgelegt. Dabei ging es vor allem um die seit Wochen diskutierte Notwendigkeit, zur Vermeidung einer immer größer werdenden Staatsverschuldung Einsparmöglichkeiten in Höhe von 40 Milliarden Euro zu finden. Der vom Premier vorgelegte Budgetentwurf weist sogar Kürzungen um 43,8 Milliarden Euro aus.

Frankreich sei es gewohnt, auf Kosten der öffentlichen Ausgaben zu leben und habe »vergessen, dass man erst erarbeiten muss, was man ausgeben will«, erklärte der Regierungschef einleitend. Er erinnerte an die Staatsschuldenkrise Griechenlands vor Jahren mit ihren einschneidenden Folgen für die Bevölkerung. Das wolle er Frankreich, das sich heute unter den Schlusslichtern in Europa befinde, ersparen, betonte Bayrou. Sein Ziel sei es, das Defizit, das im vergangenen Jahr 5,8 Prozent des Bruttosozialprodukts betrug, im laufenden Jahr auf 5,4 und im kommenden auf 4,6 Prozent zu senken.

Danach soll es schrittweise weiter reduziert werden, bis es 2029 schließlich 2,9 Prozent erreicht und damit wieder in dem von der EU vorgegebenen Rahmen liegt. Um das zu schaffen, sollen zwei gesetzliche Feiertage abgeschafft und an diesen Tagen soll zugunsten der Staatskasse kostenlos gearbeitet werden. Mit Ausnahme des Militärhaushalts, der mit Verweis auf die vermeintlich bedrohliche internationale Lage aufgestockt wird, sollen alle öffentlichen Ausgaben im nächsten Jahr eingefroren werden. Es werden keine neuen Beamten eingestellt, und von den in Rente gehenden wird jeder dritte nicht ersetzt.

Eingefroren werden auch die Sozialhilfe und die Renten, was allein schon 7,1 Milliarden Euro spart. Die generelle zehnprozentige Steuerfreigrenze für Pensionäre soll abgeschafft und durch eine Pauschale in Höhe von 2000 Euro ersetzt werden. Diese Maßnahme käme den Rentnern mit den kleinsten Pensionen zugute.

Vor allem sollen fünf Milliarden Euro bei den Aufwendungen der staatlichen Krankenkassen eingespart werden. Einen Teil davon sollen die privaten Zusatzkrankenkassen übernehmen, deren Beiträge dadurch allerdings weiter steigen werden. Beispielsweise sollen die 100-prozentigen Erstattungen für die Medikamente von Langzeitkranken schon auslaufen, wenn sich diese Menschen – beispielsweise Krebskranke – »auf dem Weg der Besserung« befinden. Um Kosten zu sparen, soll auch stärker Jagd auf unberechtigte Krankschreibungen gemacht werden.

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Auch gegen Steuerhinterziehungen wolle man schärfer vorgehen, kündigte Bayrou an. Das war jedoch das einzige Mal, dass jene Franzosen mit den höchsten Einkommen andeutungsweise erwähnt wurden. Eine Wiedereinführung der von Präsident Emmanuel Macron 2017 abgeschafften »Reichensteuer« ISF schloss der Regierungschef aber einmal mehr kategorisch aus.

»Bayrou geht ganz offensichtlich mit der Kettensäge gegen die Aufwendungen für die sozial schwächsten Franzosen vor«, erklärte Sophie Binet, Generalsekretärin der Gewerkschaft CGT. »Damit steht nicht ein ›weißes Jahr‹, wie er es wegen der Einsparungen nennt, sondern ein schwarzes Jahr für die arbeitenden Menschen, für die jugendlichen Berufsanfänger und für die Rentner bevor. Sie verlieren gleich dreimal, denn sie müssen mehr arbeiten, werden weniger verdienen und soziale Errungenschaften einbüßen.«

So wie die Gewerkschaften lehnen die linken Parteien und auch das rechtsextreme Rassemblement National (RN) die Sparpläne scharf ab. Die rechtsbürgerliche Oppositionspartei der Republikaner, die gelegentlich das Regierungslager unterstützt, wird Bayrous Sparpläne nicht mittragen und stemmt sich vor allem gegen die Abschaffung von zwei gesetzlichen Feiertagen. Es zeichnet sich bereits ab, dass im Oktober, wenn das Budgetgesetz im Parlament behandelt wird, durch die linken Parteien und auch durch RN Misstrauensanträge eingebracht werden. Nach heutigem Stand der Dinge dürften Premier Bayrou und seine Regierung darüber stürzen.

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