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Sprach-Müll
Christoph Ruf ärgert sich über eine Amerikanisierung der deutschen Sprache
Alle, die mir in den vergangenen Jahren vorgehalten haben, dass ich zuweilen Fäkalsprache benutze, müssen nun stark sein. Das dürfte ihnen aber auch gelingen, schließlich stelle ich mir Menschen, die sich über das A-Wort erzürnen, eher als solche älteren Semesters vor. Menschen, die den Unterschied zwischen einem Zitat und einer Aussage des Autors nicht mehr kennen, sind hingegen fast immer jüngeren Semesters.
Die nun angemessen sensibel angetriggerten Zitate stammen jedenfalls aus »Trainspotting«, einem der großartigsten Filme, die je gedreht wurden: Als die vier dem Drogenkonsum verfallenen Freunde einen Ausflug in die Highlands machen und mitten in der grünen Weite ein Gemecker über die imperialistischen Engländer einsetzt, erhebt einer von ihnen, Mark Renton, die Stimme: »Es ist Scheiße, Schotte zu sein. Wir sind der letzte Dreck, der Abschaum der Menschheit. Das erbärmlichste, unterwürfigste, jämmerlichste Gesindel, das jemals ins Leben geschissen wurde. Wir konnten uns nicht einmal von einer vernünftigen Zivilisation erobern lassen (...) Wir sind von Wichsern kolonisiert worden. Was sagt das über uns?«
Christoph Ruf ist freier Autor und beobachtet in seiner wöchentlichen nd-Kolumne »Platzverhältnisse« politische und sportliche Begebenheiten.
Und jetzt ein krasser Themenwechsel: Jüngst fiel mir im Urlaub auf, dass die angeblich so patriotischen Korsen neuerdings »burgers corses« (korsische Burger) feilbieten. Eine sinnfreie Konzession (»kanadische Wan Tan«, »Holsteiner Donuts«) an all die Touris mit greinenden Kindern, die nichts anderes mehr essen wollen als Süßfraß. Und zwar am liebsten als »Take away« oder »to go«, wie man auch auf Korsika ständig las. »À emporter« (französisch für »zum Mitnehmen«) hingegen nicht so gerne, dazu müsste man Fremdsprachen können.
Dass es mal deutsche/französische/spanische Worte für »Handouts«, »Feedbacks«, »Support« oder »Mindset« gab, wird in ein paar Jahren keiner mehr wissen, während Visitenkarten überleben, bei denen das einzig Verständliche die Telefonnummer unter der kryptischen Job-Bezeichnung ist. Das gilt wohl auch für all die Redewendungen, die wörtlich übersetzt ins Amerikanische verweisen, bei Menschen mit Restbeständen an Sprachgefühl aber mehr Brechreiz verursachen als der ebenfalls in »Trainspotting« gezeigte Tauchgang in die »schlimmste Toilette Schottlands«.
Da »hatte man« Spaghetti zum Mittagessen, womit man auch »fein« war. Hingegen wurde das Auto nicht »gekauft«, sondern »geholt«, während eine Landschaft nicht als schön »beschrieben«, sondern »erzählt« wird. Da ist »schönen Tag« die universelle Einzelhandels-Abschiedsfloskel, »nicht wirklich« die Relativierung und zwar »tatsächlich«, während mit der »Adressierung« die »Anrede« gemeint ist. Zumindest, wenn man mit der »okay« ist. Was ich nicht bin.
Wobei: Vielleicht hätte ich gegen all den Sprach-Müll gar nichts einzuwenden, wenn es auch mal spanische, französische, arabische oder hebräische Begriffe ins deutsche Dummgelaber schaffen würden. So aber habe ich den Eindruck, dass das Allermeiste, was in den vergangenen Jahrzehnten als »Globalisierung« angepriesen wurde, eher die globale Ausrichtung auf das immergleiche Gesellschaftsmodell war. Was das über unsere Zivilisation aussagt? Mark Renton hätte die passende Antwort.
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