Syrien: Gelenkte Legislative

Cyrus Salimi-Asl über die bevorstehenden Parlamentswahlen in Syrien

  • Cyrus Salimi-Asl
  • Lesedauer: 2 Min.
Ein Wähler wirft bei den syrischen Parlamentswahlen von 2024 in der nord-syrischen Stadt Aleppo seinen Stimmzettel in eine Wahlurne. Damals herrschte noch der langjährige Diktator Baschar Al-Assad.
Ein Wähler wirft bei den syrischen Parlamentswahlen von 2024 in der nord-syrischen Stadt Aleppo seinen Stimmzettel in eine Wahlurne. Damals herrschte noch der langjährige Diktator Baschar Al-Assad.

Grundsätzlich ist zu begrüßen, dass die Syrerinnen und Syrer nach dem Sturz Assads im Dezember 2024 ein Übergangsparlament wählen können. Doch der Wahlmechanismus lässt ernsthafte Zweifel daran aufkommen, ob diese Wahl tatsächlich ein repräsentatives Parlament produzieren kann. Dass Übergangspräsident Ahmad Al-Scharaa höchstpersönlich ein Drittel der 210 Abgeordneten bestimmen darf, lässt nur einen Schluss zu: Er will auch in der Legislative die Kontrolle über den politischen Kurs Syriens behalten – egal, was die Bevölkerung an der Wahlurne entscheidet. Die zunehmende Konzentration der Macht in den Händen des gewendeten Islamisten Al-Scharaa und seiner radikalen Milizen wird zu Recht von oppositionellen Gruppen kritisiert und hat Potenzial für Konflikte in der nahen Zukunft.

Positiv ist zumindest, dass nach Angaben der syrischen Behörden internationale Wahlbeobachter zugelassen werden und die Abgeordneten auf regionaler Basis ins Parlament kommen. Das könnte bis zu einem gewissen Grad garantieren, dass die Belange der sich auf verschiedene Regionen verteilenden BevölkerungsgruppenAlawiten im Westen, Kurden im Norden und Drusen im Süden – Berücksichtigung finden. Während der fünfjährigen Transitionsphase, in der eine neue Verfassung ausgearbeitet werden soll, kann jedoch viel passieren. Und die im März von Al-Scharaa unterzeichnete Verfassungserklärung hat zahlreiche Schwachpunkte und begünstigt die Präsidialexekutive gegenüber der Legislative.

Wir stehen zum Verkauf. Aber nur an unsere Leser*innen.

Die »nd.Genossenschaft« gehört denen, die sie lesen und schreiben. Sie sichern mit ihrem Beitrag, dass unser Journalismus für alle zugänglich bleibt – ganz ohne Medienkonzern, Milliardär oder Paywall.

Dank Ihrer Unterstützung können wir:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen in den Fokus rücken
→ marginalisierten Stimmen eine Plattform geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und weiterentwickeln

Mit »Freiwillig zahlen« oder einem Genossenschaftsanteil machen Sie den Unterschied. Sie helfen, diese Zeitung am Leben zu halten. Damit nd.bleibt.