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Blau-weiße Tristesse: Schalke und Hertha BSC eröffnen die Saison
Während in Gelsenkirchen nach neuer Stabilität gesucht wird, machen die Berliner mehr Wind als nötig
Wenn aller guten Dinge wirklich drei sind, dann könnte es ausnahmsweise mal eine gute Saison für Hertha BSC und Schalke 04 werden. Zumindest bei den Berlinern ist das fest eingeplant: Im dritten Versuch soll endlich der Sprung zurück in die Erstklassigkeit gelingen. An diesem Freitag eröffnen beide Vereine in Gelsenkirchen die neue Zweitligaspielzeit. Herthas Trainer Stefan Leitl sieht ein Duell zweier »Schwergewichte des deutschen Fußballs«, Schalke bietet mit einem Flutlichtspiel vor mehr als 60 000 Fans zumindest den passenden Rahmen dafür.
Tristesse in Blau und Weiß
Vor zwei Jahren sind beide Klubs zusammen abgestiegen – als beste Beispiele dafür, wie man es im Profifußball nicht machen sollte. Schalke war einem Mäzen ausgeliefert, Hertha irgendwelchen Investoren, beide sind noch immer hoch verschuldet und waren selbst in Liga zwei dem Abstieg nahe.
Angesichts der jahrelangen blau-weißen Tristesse in Berlin und Gelsenkirchen ist es nur verständlich, dass beide Seiten den Anpfiff nun kaum erwarten können. Schalkes neuer Trainer Miron Muslic freue sich wie ein kleines Kind auf den Saisonstart, in Berlin ist man »froh, dass es endlich losgeht«, versicherte Sportdirektor Benjamin Weber. Die Ungeduld zeigt: Sie wollen es besser machen. Weil es schlechter kaum geht, sollte das gelingen. Und dass nach den Aufstiegen des 1. FC Köln und Hamburger SV das Label der »stärksten zweiten Liga aller Zeiten« diesmal keine Werbebotschaft sein kann, lässt die Aussicht auf Erfolg noch etwas strahlender erscheinen.
Erfolgsdruck und Emotionskontrolle
Mal sehen, wem die gute Laune zuerst vergeht. Dem Scheitern näher scheinen erst mal die Berliner. Während sich Schalke nach dem langen Abstiegskampf der Vorsaison vorerst stabilisieren will, zählt bei Hertha nur der Aufstieg. »Unser aller Ziel ist es, aufzusteigen«, verkündete der neue Kapitän Fabian Reese und forderte dabei, dass die Berliner die Favoritenrolle so annehmen müssten, dass sie ihnen Stärke gebe.
Schwere Aufgaben scheut Stefan Leitl nicht, sonst wäre er im Februar nicht zur damals abstiegsbedrohten Hertha in die Hauptstadt gekommen. Mit Erfolgsdruck scheint der 47-Jährige auch umgehen zu können: Ausnehmend gut gelaunt sprach der Berliner Trainer am Mittwoch über die »gute Vorbereitung«, aus der er viele positive Dinge mitnehme und von der »Vorfreude«, in dieser Saison mit dem »großen Ziel umzugehen«. Angesprochen auf den Auftakt am Freitag, antwortete Leitl etwas zurückhaltender: »Emotionskontrolle« sei in einem Spiel bei Schalke wichtig.
Aufstiegsträume
Während Herthas Trainer noch von einer »gewissen Anspannung« spricht, weil man erst wisse, wie gut man wirklich ist, wenn es ernst wird, ging sein Kapitän weit vorher schon richtig in die Vollen. »Mein Traum ist es, Meister mit Hertha zu werden«, hatte Reese in eine ferne Zukunft geschaut. Die Gegenwart beschrieb er nicht minder pathetisch: »Ein Bundesliga-Aufstieg in der Hauptstadt. Das will ich erreichen.«
Zugegeben, Reese ist ein Ausnahmespieler in der zweiten Liga – dynamisch, torgefährlich, mannschaftsdienlich. Ohne seine elf Treffer, die er allesamt nach seiner Verletzung in der zweiten Saisonhälfte erzielt hatte, wäre Herthas Klassenerhalt im Mai keineswegs selbstverständlich gewesen. Gleiches gilt für seine erste Spielzeit in Berlin, in der er mit neun Toren und 29 Vorlagen alle überragte. Weil der 27-Jährige diesmal gleich zu Saisonbeginn zu neuen Großtaten bereit zu sein scheint, ist vor allem er der Grund für die Aufstiegsträume in der Hauptstadt.
Zweifel am Ziel
Vielleicht gehört ja auch die Fußballwelt den Mutigen. Doch der Blick auf die Liga lässt im blau-weißen Fall der Hertha durchaus Zweifel zu. Viel spricht erst mal nicht dafür, warum der Tabellenelfte nun unbedingt die Rolle des Favoriten spielen sollte. Denn Vereine, die in der Vorsaison besser platziert waren, haben ähnliche Ambitionen. Eine vorsichtige Auswahl, der Tabelle nach: Paderborn, Düsseldorf, Kaiserslautern, Karlsruhe, Hannover. Hinzu kommen die Absteiger aus Bochum und Kiel.
Hoffnung in Berlin macht neben Reese vor allem Leitl, gerade weil er das Gegenteil eines Lautsprechers ist. Und so merkte der Trainer durchaus nachdenklich an, dass sich der Verein auf dem Transfermarkt im Rahmen seiner Möglichkeiten bewegt habe. Abgeben musste Hertha Ibrahim Maza und Derry Scherhant. Ob Dawid Kownacki die für insgesamt 14 Millionen Euro verkaufte Torgefahr ersetzen kann, wird vielleicht schon gegen Schalke zu sehen sein. Obwohl noch nicht wirklich fit, sei der Stürmer schon eine Option für die Startelf, deutete Leitl an. Ein gutes Beispiel für die Zwänge, die das Ziel Aufstieg erschweren.
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