Urlaub in Höchstform

Entspannt zwischen Kaffee und Kuchen erreiche ich im provinziellen Freibad plötzlich Bestleistungen

Probetraining – Urlaub in Höchstform

Hach, Provinz – du hast mein Triathlon-Herz erobert, und das in Windeseile! Ich grüße herzlich aus dem sonnigen Süden Deutschlands, indes meine lieben Kolleginnen und Kollegen am Berliner Franz-Mehring-Platz brav Redaktionsdienst schieben. Während sie schreiben, redigieren, layouten und nebenbei das »nd« fit für die nächsten 80 Jahre machen, radle ich mit meiner Frau an Mosel und Saar entlang – und entdecke in meinem Urlaub traumhafte Bedingungen fürs nächste Probetraining.

Denn eines steht fest: In jeder x-beliebigen Kleinstadt lässt sich’s besser trainieren als in Berlin. Wer’s nicht glaubt, fahre mal nach Remich in Luxemburg oder ins idyllische Saarburg und erlebe, wie einem großstadtgeplagten Pankower Möchtegern-Triathleten die Augen übergehen angesichts der Wasserwelten in der Provinz. Wo man in den Chlorbecken der Hauptstadt erbitterte Kämpfe um die Hoheit zwischen den Leinen austragen muss, ziehe ich hier entspannt meine Bahnen – gestört höchstens von einer schwatzsüchtigen Bademeisterin oder einem Rentner, der mit Poolnudel durchs Wasser walkt.

Probetraining
Jirka Grahl
Foto: nd

nd-Redakteur Jirka Grahl probiert Neues, zum Auftakt Triathlon. 1500 m Schwimmen, 43 km Rad, 10 km Lauf. Am 14.9. ist Wettkampfpremiere: beim Fehmarn-Triathlon.

Es ist unglaublich: Die Sonne scheint scheinbar immer, der Kaffee am Kiosk kommt aus der Espressomaschine, und erschreckend, wie freundlich das Freibad-Personal ist: »Willkommen! Was kann ich für Sie tun? Natürlich hab’ ich ein paar Hand-Paddel zum Ausborgen! Sie brauchen auch noch einen Pullbuoy? Kein Problem!«

Pullbuoy, das ist jenes sperrige, wellenförmige Schwimmbrett, das man sich zwischen die Beine klemmt, um ausschließlich den Armzug zu trainieren – selbstverständlich habe ich derlei nicht in meinem Reisegepäck. Doch in der Kleinstadt bekomme ich es im Schwimmbad einfach so gereicht. Die Provinz hat eben alles, wonach mich gerade dürstet: wenig Stress, viel Zugewandtheit und ganz nebenbei das beruhigende Gefühl, endlich mal zu den Schnellsten zu gehören.

Vor vier Tagen sorgte meine Sportuhr für Verwirrung: Drei Wochen hatte ich fast täglich Grundlagentraining betrieben, da leuchtete auf dem Display plötzlich nicht etwa wie gewohnt FORMERHALT oder FORMAUFBAU auf, sondern das Wort HÖCHSTFORM! Erst war ich höchst erfreut, doch dann überkam mich leichte Panik: Höchstform, jetzt schon? Hilfe! Dabei will ich doch erst in sechs Wochen beim Wettkampf glänzen!

Als ich aus dem Wasser stieg, fragte ich die freundliche Bademeisterin, ob das mit rechten Dingen zugehen könne – in Bestform, trotz Kaffee, Kuchen und entspannten Schwimmzügen im Freibad von Saarburg? Sie lächelte: »Ach, wissen Sie, hier in der Provinz geht alles schneller als in der großen Stadt. Nur, dass es bei uns eben keiner bemerkt.«

Einen Tag später stellte ich beim Eisessen in der Trierer Innenstadt fest, dass meine Uhr wieder auf ERHOLUNG umgesprungen war. Interessant, dachte ich, diese Höchstform hielt also ganze 24 Stunden. Die Provinz weiß Dreikampf-Dichter wie mich zu inspirieren: Wer zu früh in Form kommt, den bestraft das nächste Training.

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