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Brandenburg: AfD, begründet rechtsextrem
Einstufung des Verfassungsschutzes legt geschlossen radikale Ausrichtung der Brandenburger AfD nahe
Das Brandenburger Innenministerium hat am Donnerstag die Begründung des Landesverfassungsschutzes veröffentlicht, aus der hervorgeht, warum die Behörde den Landesverband der AfD für verfassungsfeindlich hält. Der 142-seitige sogenannte »Vermerk« zur »Einstufung des Landesverbandes Brandenburg der Partei ›Alternative für Deutschland‹ als gesichert extremistische Bestrebung« war zuvor vom rechtspopulistischen Medium »Nius« verbreitet worden. »Die AfD kann, darf und sollte jetzt wieder als gesichert rechtsextremistische Bestrebung bezeichnet werden«, sagte Brandenburgs Innenminister René Wilke (parteilos) am Donnerstag während der Vorstellung des Berichts.
»Auf den über 140 Seiten fassen wir unsere Erkenntnislage zusammen und unterziehen unsere Erkenntnisse einer Bewertung«, sagte der Leiter des Landesverfassungsschutzes, Wilfried Peters. Das Ergebnis: Die AfD ist bestrebt, »elementare Verfassungsgrundsätze außer Kraft zu setzen«, so Peters. Die Prüfung sei anhand einer Matrix erfolgt, die im Wesentlichen zwei Merkmale umfasse: Verstoß gegen die Menschenwürde und Verstoß gegen das Demokratie-Prinzip.
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Als ein Beispiel für die Verletzung der Menschenwürde innerhalb der AfD griff Peters eine Aussage des Fraktionsvorsitzenden Hans-Christoph Berndt auf. Auf einer Demonstration 2023 in Cottbus hatte er demnach von einem Bevölkerungsaustausch gesprochen. Berndt zeichnete damals das Bild von einem Land, das »in einem multikulturellen und multikriminellen Sumpf« versinkt. Deutschland solle das Land der Deutschen bleiben, deshalb fordere er eine am Konzept des österreichischen rechten Influencers Martin Sellner orientierte »Remigration«.
Verfassungsschutz-Chef Peters zufolge gehe Berndt – anders als das Grundgesetz, das diejenigen als Deutsche anerkennt, die eine deutsche Staatsangehörigkeit besitzen – von einem »ethnisch-kulturellen Volksbegriff« aus. Auf dessen Grundlage sollten Menschen unterschiedliche Rechte zugewiesen bekommen. Bevölkerungsgruppen würden damit die deutsche Staatsangehörigkeit verlieren, diskriminiert und ausgewiesen. Diese Ungleichbehandlung würde die AfD laut dem Verfassungsschutz-Chef in erster Linie an Menschen adressieren, die nicht weiß sind oder dem muslimischen Glauben angehören – ein Verstoß gegen die Menschenwürde.
Als mit dem Demokratieprinzip der Verfassung unvereinbar erachtet der Inlandsnachrichtendienst Aussagen von AfD-Vertreter*innen, wonach etwa Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) eine Terror- und Migrationspolitik zu verantworten habe und dazu wahlweise vor ein Gericht gestellt werden oder die »Handschellen klicken« sollten, sagte Peters. Dass sich Regierungsmitglieder mit ihrem Handeln strafbar gemacht haben sollen, hält der Behördenleiter für »absurd«. Für ein rechtsstaatliches Verfahren gebe es keine Grundlage. Ein solches solle auch nicht stattfinden. Stattdessen schwebe der AfD ein verfassungswidriges »Ausnahmen-, Willkürgericht oder ein Tribunal außerhalb der Rechtsordnung« vor.
Wie Innenminister Wilke am Donnerstag sagte, bedeute eine Einstufung des Landesverbandes als gesichert rechtsextrem nicht, dass auch die Wähler*innen rechtsextrem seien, das gelte nicht mal für alle Mitglieder, wohl aber für die Kader und für die Anhänger. Als Anhänger bezeichnete Wilke AfD-Wähler*innen, die Parteien nicht mehr nach ihrem Angebot und ihrer Performance beurteilen und gegebenenfalls mal eine andere Partei wählen würden. Ähnlich einer Fußballfan-Kultur sei eine »Abkehr vom eigenen Verein« als »kultureller Gemeinschaftsraum« nicht bei den Anhängern denkbar. Kritische Stimmen innerhalb der AfD seien immer leiser geworden. Die Partei habe den Raum des Sag- und Denkbaren verschoben. Was heute als selbstverständlich gilt, sei vor zehn Jahren unvorstellbar gewesen, sagte Wilke.
Die Diskussion, ob die AfD »inhaltlich oder rechtlich zu stellen« sei, hält Innenminister Wilke für »sachfremd«. Die Partei treffe auf einen politischen Raum, der sich mit ihr auseinandersetzen wolle und werde. Aber in Kenntnis der Geschichte sei die Demokratie auch als eine wehrhafte konzipiert worden, »die nicht zusehen kann, wie sich Menschen radikalisieren und versuchen wollen, das Fundament unseres Landes zu zerstören«.
Die Einstufung, sagte Wilke, sei als »Zwischenhürde notwendig«, um die Überwachung durch den Verfassungsschutz auszuweiten und auch im späteren Verlauf, sollte sich die Partei nicht mäßigen, die Existenzberichtigung der Partei in Angriff zu nehmen. »Die AfD hat das gerichtliche Verbotsverfahren selbst in der Hand«, so Wilke.
Der Innenminister beschrieb die Partei als nervös und ängstlich. Man streite um den richtigen Umgang mit der zunehmenden Bedrohung durch ein Verbot. So habe der Bundestagsabgeordnete Maximilian Krah zuletzt eine Abkehr vom ethnischen Volksbegriff empfohlen. »Remigration à la Sellner ist keine Lösung, weil sie unsere Gegner mehr motiviert als uns, keine Mehrheitsperspektive hat, Repression rechtfertigt und das Wesen des Staates missversteht«, schrieb Krah auf der Plattform X.
Ob indes die strategische Mäßigung, die Krah vorschlägt, innerhalb der AfD mehrheitsfähig ist, kann bezweifelt werden. Wie in dieser Woche bekannt wurde, soll der als rechtsextrem eingestufte Brandenburger Landtagsabgeordnete Jean-Pascal Hohm Vorsitzender der sich im November wohl neu gründenden Jugendorganisation der AfD werden. Der Vorgänger, die Junge Alternative, hatte sich aufgelöst, mutmaßlich, um einem Verbot zuvorzukommen. Der Nachfolger, so hatte es aus der AfD geheißen, sollte so aufgestellt werden, dass er nicht so bald wieder mit der Verfassung kollidiert.
»Die AfD kann, darf und sollte jetzt wieder als gesichert rechtsextremistische Bestrebung bezeichnet werden.«
René Wilke (parteilos) Innenminister
Für den aktuellen Diskussionsstand innerhalb der Brandenburger AfD führte der Leiter des Landesverfassungsschutzes eine Aussage der Landtagsabgeordneten Lena Kotré an. Die legt nahe, dass man in Brandenburg nicht viel von einem Abrücken vom radikalen Kurs hält. Ende Mai hielt Kotré im Szene-Lokal »Staatsreparatur« im Berliner Ortsteil Lichterfelde einen Vortrag unter dem Titel »Remigration ist möglich – Lena Kotré zeigt, wie’s geht!«. Der Vortrag ist auf ihrer Facebook-Seite veröffentlicht. Kortré sprach davon, dass unter anderem auch bestimmte »nichtassimilierte Staatsbürger, Zugewanderte, die eine Staatsbürgerschaft erhalten haben« einen »Assimilationsdruck« zu spüren bekommen müssten, sodass es »so richtig unbequem« werde.
Die AfD-Fraktion lud ihrerseits am Donnerstagnachmittag zu einer Pressekonferenz. Dort erklärte der Fraktionsvorsitzende Berndt, der Brandenburger Landesverband sei »so gefestigt, wie man es als Organisation nur sein kann«. Mit Blick auf den Bericht des Verfassungsschutzes sagte Berndt: »Die Gedankendeuterei des Landesverfassungsschutzes ist Paranoia.« Er bezeichnete den Verfassungsschutz als Gefahr für die Demokratie. Berndts Fraktionskollege im Landtag, Dennis Hohloch, sagte, er habe den Vermerk gelesen: »Ich sehe da nichts Verfassungsfeindliches.« Als »unfassbar« bezeichnete Hohloch die Tatsache, dass die AfD im Vermerk mit Aussagen als rechtsextrem eingestuft würde, die Politiker*innen von anderen Parteien heute verwenden würden. Als Beispiel nannte Hohloch die Forderung von Bundesbildungsministerin Karin Prien (CDU) nach einer Migrationsquote an Schulen. »Als ich das gesagt habe, stand ich damit im Verfassungsschutzbericht« so Hohloch. »Es ist das Verdienst der AfD, dass der Sprechraum und der Bereich des Sagbaren und Denkbaren endlich wieder erweitert wird.«
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