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Paketzustellung in Berlin: Einfallstor für illegale Praktiken
Wie sich Subunternehmerstrunkturen in der Berliner Paketbranche auf die Zusteller auswirken
Nach Berlins Regierendem Bürgermeister Kai Wegner (CDU) hatte sich zuletzt auch Arbeitssenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) für bessere Arbeitsbedingungen in der Paketbranche ausgesprochen. Beide hatten sich die Arbeit bei Besuchen in Paketzentren von DHL (Deutsche Post AG) angesehen. Dort und auch in Gewerkschaftskreisen hält man den ehemaligen Staatskonzern für ein Vorbild in der Branche. Das betrifft nicht nur den Einsatz für eine Absenkung der Gewichtsobergrenze für Pakete auf 20 Kilogramm, sondern vor allem auch die Tatsache, dass die große Mehrheit der Zusteller*innen bei der Post/DHL direkt angestellt sind.
2022 waren in der gesamten Branche aber 48 Prozent der knapp 300 000 Zusteller*innen über Werkverträge für Subunternehmen unterwegs. Das geht aus Berechnungen der Gewerkschaft Verdi hervor. Wie sich die Vergabepraxis auf die Arbeit der Beschäftigten auswirken kann, erläuterte Svenja Ketelsen vom Berliner Beratungszentrum für Migration und Gute Arbeit (Bema) am Mittwoch im Abgeordnetenhaus.
Demnach habe das aus Landesmitteln finanzierte Bema im vergangenen Jahr 300 Beratungen für Beschäftigte aus der KEP-Branche (Kurier-, Express- und Paketbranche) durchgeführt. Die Ratsuchenden zählten Ketelsen zufolge zu den am prekärsten Beschäftigten in Berlin, wobei in den letzten Jahren keine Besserung zu erkennen gewesen sei.
»Wir haben Personen, die unter anderem Namen und mit falschen Papieren angestellt sind«, führte Ketelsen exemplarisch aus. Die Papiere würden durch die Subunternehmen zur Verfügung gestellt, um schnell Personallücken schließen zu können. Hierdurch entstehe eine Art Tagelöhnerstruktur, sagte Ketelsen.
Sie berichtete weiter von Arbeitsverträgen, die über digitale Plattformen abgeschlossen und unterzeichnet würden. Diese könnten vom Arbeitgeber gelöscht werden, sodass die Beschäftigten dann keinen Zugang mehr zu ihren Papieren hätten. »Wir haben eine Reihe von Arbeitszeitverstößen, die verbunden mit Pauschalvergütungen zu einer Aushebelung des Mindestlohns führen«, so Ketelsen. In seltenen Fällen hätten Ratsuchende von verbotenen Verträgen mit Akkordlohnvereinbarungen berichtet. Solche Vereinbarungen regen zu riskantem Verkehrsverhalten an und sind deshalb unrechtmäßig.
Wenn dem Bema die Subunternehmen bekannt seien, könnten gegen sie Ansprüche durchgesetzt und rechtswidrige Kündigungen bearbeitet werden. In den meisten Fällen sei das aber nicht der Fall. Der Rechtsweg sei dann laut Ketelsen oft nicht von Erfolg gekrönt. Die große Mehrheit der Ratsuchenden sei polnischer Herkunft gewesen, gefolgt von Bulgar*innen und Rumän*innen.
Um die Effekte der Subunternehmerketten zu unterbinden, empfiehlt das Bema ein Direktanstellungsgebot analog zur Fleischindustrie. Ein Vorhaben, zu dem der Regierende Bürgermeister im Paketzentrum meinte: »Das muss man sich genau anschauen. Da geht es für mich auch immer um gute Arbeitsbedingungen. Es geht nicht, dass nach unten immer weiter gedrückt wird.«
Insgesamt konnte das Bema 2024 knapp 200 000 Euro an Lohnansprüchen durchsetzen. Die Erfolgsquote lag hierbei bei etwa 80 Prozent. Angesichts geplanter Mittelkürzungen durch das Land Berlin von 1,85 auf 1,55 Millionen Euro im Jahr, kündigte Ketelsen Umstrukturierungen bei der Präventionsarbeit an. Schulungen würden durch Social-Media-Arbeit ersetzt. Man hoffe, den Umfang der Beratungsleistung so aufrechterhalten zu können.
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