Koloniale Heuchelei

Matthias Monroy zur Debatte um Wiedergutmachung des Völkermords in Namibia

Die Halbinsel Shark Island am Stadtrand von Lüderitz im Süden Namibias ist ein beliebtes Ziel deutscher Tourist*innen. Aber nicht wegen des ersten deutschen Konzentrationslagers, das dort entstand.
Die Halbinsel Shark Island am Stadtrand von Lüderitz im Süden Namibias ist ein beliebtes Ziel deutscher Tourist*innen. Aber nicht wegen des ersten deutschen Konzentrationslagers, das dort entstand.

Mehr als hundert Jahre nach dem deutschen Genozid an Nama und Ovaherero verweigert die Bundesregierung immer noch, was eigentlich selbstverständlich sein sollte: eine klare rechtliche Anerkennung des Völkermords und echte Wiedergutmachung gegenüber den Nachkommen der massenhaft Getöteten. Auch das »Versöhnungsabkommen« von 2021 schreibt die koloniale Machtasymmetrie zwischen Deutschland und Namibia fort. Stattdessen gibt es Taschenspielertricks, und die Vertreter*innen der einst betroffenen Gemeinschaften bleiben von weiteren Verhandlungen zwischen den Regierungen in Windhuk und Berlin ausgeschlossen. Was unter dem Stichwort »Versöhnung« läuft, verkommt so zum Gnadenakt.

Zu den deutschen Organisationen, die seit Jahren auf eine echte Wiedergutmachung in Namibia drängen, gehört Medico International. Die Menschenrechtsorganisation weist zu Recht darauf hin, dass etwa die Verbrechen an den San und Damara bislang nahezu unerwähnt bleiben. Noch immer liegen menschliche Gebeine in deutschen Museumsarchiven. Gleichzeitig befinden sich 70 Prozent des fruchtbaren Farmlandes Namibias bis heute im Besitz europäischer Nachfahren – während die Opferfamilien in Armut gehalten werden.

Erst wenn diese kolonialen Kontinuitäten offiziell benannt und – unter Einbeziehung der einst betroffenen Gemeinschaften – angegangen werden, kann Deutschland das Wort »Versöhnung« ernsthaft im Mund führen. Denn das größte Problem des kolonialen deutschen Genozids bleibt, dass die Nachfahren der Opfer weiter entrechtet sind.

- Anzeige -

Andere Zeitungen gehören Millionären. Wir gehören Menschen wie Ihnen.

Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser:innen und Autor:innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.

Dank der Unterstützung unserer Community können wir:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ Themen ins Licht rücken, die sonst im Schatten bleiben
→ Stimmen Raum geben, die oft zum Schweigen gebracht werden
→ Desinformation mit Fakten begegnen
→ linke Perspektiven stärken und vertiefen

Mit »Freiwillig zahlen« tragen Sie solidarisch zur Finanzierung unserer Zeitung bei. Damit nd.bleibt.