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Klage gegen Akademie-Absage: Freie Kunst für alle?
Ist eine künstlerische Begabung objektiv messbar?
Die Bewertung von Kunst liegt immer im Auge des Betrachters. Wenn aber eine Kommission einer Kunsthochschule die künstlerische Eignung der Bewerberin nicht feststellt, kann das zu einem Problem für angehende Künstler werden. Eine Studentin wollte sich an der renommierten Kunstakademie Düsseldorf für das Studienfach Freie Kunst einschreiben.
Sie scheiterte aber an den Bewertungsmaßstäben der Kunstkommission der Akademie. Daraufhin klagte sie vor dem Düsseldorfer Verwaltungsgericht – vergeblich. Nur sehr selten klagten abgewiesene Bewerber gegen die Ablehnung, heißt es vom Gericht.
Ina Q.s Traum war es, Freie Kunst zu studieren. Als sie 23 Gemälde bereits 2023 einreichte, um ihre Eignung der Jury darzulegen, wurde ihr zwar bescheinigt, dass »viele Vorbilder zu erkennen« seien, wie die »Rheinische Post« aus Düsseldorf berichtet, aber es eben keine eigene Ebene gebe. Die braucht es genauso wie die künstlerische Gestaltungsfähigkeit, die Realisierungsfähigkeit in den gewählten künstlerischen Medien sowie die künstlerische Konzeption und Intensität der Arbeiten, liest man auf der Webseite der Hochschule, an der bereits Joseph Beuys und Gerhard Richter studierten und lehrten.
Die Bewerberin gab nicht auf, blieb hartnäckig, wollte wissen, was ihre Arbeiten noch bräuchten, damit sie zugelassen wird. Sie erzielte einen Teilerfolg, indem die achtköpfige Jury ihre Werke erneut betrachtete. Allerdings blieben sieben von acht Prüfern bei ihren Einschätzungen, heißt es in dem Bericht der »Rheinischen Post«. Wie schon bei der ersten Bewertung fehlte wiederum eine Begründung für die Nichtzulassung. Diese wurde dann, wie eine Sprecherin des Verwaltungsgerichts gegenüber »nd« erklärte, dem Gericht indes zwischenzeitlich nachgereicht.
In drei Kategorien würden von den Prüfern Punkte von 1 (hervorragend geeignet) bis 3 (nicht geeignet) vergeben. Q.s Schnitt soll demnach bei 2,88 gelegen haben. Nicht ausreichend. Das Mindestmaß liegt bei 2,3.
Auch diesen Ablehnungsbescheid wollte sie nicht akzeptieren. Verständlich, könnte man meinen. Denn, wenn eine staatliche Kunstakademie nach mehr oder weniger subjektiven Kriterien entscheidet, wer das Privileg bekommt, sich an einer Hochschule künstlerisch weiterzuentwickeln, kann das Fragen aufwerfen.
Zumal eine künstlerische Begabung schwer messbar ist. Und da es in Düsseldorf auch keine Bewerbergespräche, keine Rückfragen gibt für die Zulassung. Statt des persönlichen Eindrucks zählen das Portfolio und die Punktzahl. Schlimmstenfalls folgt die endgültige Ablehnung. Angesichts dessen fragen Kritiker immer wieder, wie frei unser Verständnis von Kunst überhaupt sein kann, wenn sie institutionell so stark reglementiert wird.
Gegen den zweiten Ablehnungsbescheid klagte Q. letztlich.
Denn sie hat Zweifel an der Unabhängigkeit der Kommission, es soll zudem an nachvollziehbaren Parametern der Bewertung fehlen. Um sich gegen den Vorwurf der Voreingenommenheit zu verwahren, erklärt das Gericht gegenüber »nd«, bestehe die Kommission aus acht Personen. »Das ermöglicht ein breites Spektrum von Einschätzungen und ein belastbares Bild.«
Das Gericht wies auch das andere Bedenken ab und erklärte, dass anders als bei exakten Wissenschaften Kunst und deren Bewertung nie als richtig oder falsch einzuordnen sei. Der Beurteilungsspielraum sei besonders bei der freien Kunst immens und berief sich auf die Studienverordnung der Kunstakademie Düsseldorf.
»Es geht bei der Begutachtung zur Zulassung nicht um kunstwissenschaftliches Verständnis oder technische Fertigkeiten, sondern ausschließlich um das Potenzial, als Künstler selbstständige Ideen zu entwickeln und auszudrücken«, heißt es vom Gericht.
Weiter heißt es: »Die Rechtsprüfung ist in solchen Fällen stark eingeschränkt; der Kunstakademie kommt ein erheblicher Gestaltungsspielraum bei der Beurteilung der künstlerischen Eignung zu.« Auch habe es keine Verfahrensfehler von der Kunstakademie gegeben. Bedeutet: Gerichtliche Eingriffsmöglichkeiten sind kaum vorhanden.
Weil die Richterin ihr in der mündlichen Verhandlung vom vergangenen Mittwoch kaum Hoffnung auf Erfolg der Klage machte, entschied sich Q. dann doch, von der Klage Abstand zu nehmen. Das Verfahren wurde eingestellt, die Verfahrenskosten trägt Q. Die Kunstakademie Düsseldorf wollte sich zu dem Verfahren nicht äußern.
Was bleibt von dem Verfahren: Natürlich entscheidet nicht eine Akademie, wer Künstler ist. Sie entscheidet nur, wem sie Raum gibt. Ob jemand tatsächlich künstlerisch tätig ist, bleibt eine persönliche Entscheidung, keine, die man sich von Punktwerten absprechen lässt. Genauso sieht es auch Q. Gegenüber der »Rheinischen Post« sagt sie, dass sie weiterhin male und bereits kleinere Aufträge an Land gezogen habe.
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