Kontinuität und Zuspitzung

Die Regierung Merz arbeitet hart daran, die Zahl an Abschiebungen zu erhöhen – das ist erst mal nichts Neues

Die Zahl der Abschiebungen stieg bereits unter der Ampel-Koalition an. Die jetzige Regierung will das übertreffen.
Die Zahl der Abschiebungen stieg bereits unter der Ampel-Koalition an. Die jetzige Regierung will das übertreffen.

Abschiebungen sind in Deutschland seit Jahren ein politisches Dauerthema. Der Trend ist klar: härtere Gesetze und mehr Abschiebungen. Der damalige Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte den Kurs im »Spiegel« Herbst 2023 angekündigt: »Wir müssen endlich im großen Stil abschieben«. Im Jahr darauf beschloss die Ampel-Regierung mit ihrem »Rückführungsverbesserungsgesetz« deutliche Verschärfungen. Dazu gehörten längerer Ausreisegewahrsam, nächtliche Wohnungsdurchsuchungen, weniger Ankündigungen der Maßnahmen und kürzere Klagefristen.

Die Zahl der Abschiebungen wuchs bereits unter der Ampel kontinuierlich an. So waren 2021 knapp 11 900 Menschen abgeschoben worden, im ersten Jahr der Ampel-Regierung 2022 waren es schon rund 13 000, 2023 bereits 16 400. Im vergangenen Jahr, nach Einführung des sogenannten Rückführungsverbesserungsgesetzes, wurden 20 084 Menschen abgeschoben, unter ihnen 2316 Minderjährige (11,5 Prozent).

Die CDU unter dem jetzigen Bundeskanzler Friedrich Merz hat mit den Themen Asylrechtsverschärfungen und Abschiebungen einen erfolgreichen Wahlkampf geführt. Die jetzt geplanten Gesetze der schwarz-roten Koalition verschärfen die Linie der Vorgänger-Regierung erneut. So soll Ausreisegewahrsam für sogenannte Gefährder und Straftäter unbefristet gelten. Der von der Ampel eingeführte anwaltliche Vertreter bei Abschiebungshaft und Ausreisegewahrsam soll abgeschafft werden.

Zusätzlich zu den bereits genannten Maßnahmen plant die Regierung unter Friedrich Merz, die Bestimmung sicherer Herkunftsländer durch Rechtsverordnung statt durch parlamentarische Beschlüsse vorzunehmen. Dies würde eine schnellere Einstufung von Ländern als sicher ermöglichen, was zu einer Reduzierung der Zahl der Asylsuchenden führen soll. Kritiker befürchten jedoch, dass dies die Rechte der Betroffenen einschränkt und die demokratische Kontrolle unterminiert, da statt des Parlaments die Regierung selbst entscheiden könne, was als sicheres Herkunftsland gelte.

In diesem Kontext sind auch kontinuierliche Rückführungen nach Syrien und Afghanistan vorgesehen, obwohl Menschenrechtsorganisationen dort auf massive Gefahren für Abgeschobene hinweisen. Zur Sicherstellung künftiger Abschiebungen nach Afghanistan will die Regierung gezielt mit den Taliban zusammenarbeiten.

Die Grenzkontrollen an den deutschen Grenzen sind beispielhaft für ein Muster aus Kontinuität und Zuspitzung in der jetzigen Politik der Regierung. Die Grenzkontrollen wurden bereits unter der Ampel eingeführt, im Kampf gegen sogenannte illegale Migration. Asylsuchende, die bereits in einem anderen EU-Staat registriert waren, wurden auf Basis der europäischen Dublin-III-Verordnung abgewiesen. Unter der jetzigen Regierung kommt es jedoch zunehmend zu generellen Zurückweisungen, ohne Prüfung der individuellen Zuständigkeit. Das Amtsgericht Berlin hatte die generelle Zurückweisung Asylsuchender nach einer Klage drei somalischer Betroffener in einem letztinstanzlichen Eilverfahren als rechtswidrig erklärt – der Minister setzt die Maßnahmen trotz des Urteils fort.

Tareq Alaows, flüchtlingspolitischer Sprecher der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl, fasst dies im Gespräch mit dem »nd« wie folgt zusammen: »Man hat das Gefühl, die Bundesregierung hält sich nicht länger ans Recht.« Die Härte der Ausweisungen habe eine neue Qualität erreicht. Familien würden ohne Rücksicht getrennt oder ohne Vorwarnung komplett abgeschoben. Polizeigewalt und Abschiebungen trotz laufender Verfahren habe es auch schon früher gegeben, doch »das Ausmaß ist viel größer geworden.« Alaows befürchtet, dass somit Demokratie und rechtsstaatliche Prinzipien gefährdet werden.

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