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Berlin: Bits und Bytes für die Kriegsmaschine
SPD-Wirtschaftssenatorin sieht in der Rüstungsbranche »riesiges Potenzial« für Berlin
Berlins Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) will Unternehmen, die Produkte für die Rüstungs- und Verteidigungsindustrie anbieten, stärker fördern. »Mit Blick auf die globale wirtschaftliche Bedeutung von Verteidigung und Sicherheit kann Berlin nicht sagen, wir koppeln uns ab oder halten uns raus«, sagte die Senatorin auf einer Pressekonferenz von Berlin Partner am Mittwochvormittag. Berlin Partner ist eine Gesellschaft der Wirtschaftsförderung, die vom Land Berlin und der Privatwirtschaft getragen wird.
Die Senatorin hat dabei weniger die militärische Hardware vor Augen. Vielmehr gehe es um Softwarelösungen und digitale Produkte, die in Berlin ohnehin schon von wirtschaftlicher Bedeutung sind. »Das Zauberwort ist Dual-Use«, sagte die SPD-Politikerin – also Produkte, die sowohl für zivile als auch militärische Zwecke zum Einsatz kommen können. Giffey erwähnte beispielhaft Drohnentechnologie, autonomes Fahren und unbemannte Ermittlung etwa für die Minensuche.
Mit der landeseigenen Investitionsbank Berlin (IBB) habe man sich darauf verständigt, im Bereich Deftech (Verteidigungstechnolgie) alle Dual-Use-Unternehmen fördern zu können. Kriege würden nicht mehr nur mit Waffen und Munition geführt, sondern auch im Internet über Fake-News und Cyberattacken. Angesichts sehr vieler Lösungen, die Unternehmen im Bereich Cybersicherheit bereits entwickelt hätten, sprach die Senatorin von einem »riesigen Potenzial für Berlin«.
»Es ist nicht der Kern unserer industriellen Tätigkeit bisher.«
Franziska Giffey (SPD) Wirtschaftssenatorin
»Es ist nicht der Kern unserer industriellen Tätigkeit bisher«, so Giffey weiter. Es gäbe aber Unternehmen beispielsweise im Bereich Software und Cybersicherheit, die schon heute für die Verteidigungsindustrie tätig seien. Wie Stefan Franzke, Geschäftsführer von Berlin Partner, sagte, ist die Zahl der von Berlin Partner betreuten Dual-Use-Firmen in den letzten vier Monaten von 50 auf 100 gestiegen.
Berlin werde zwar auch in Zukunft »kein Deftech-Hauptquartier«, sagte Giffey. Dennoch sei das Ziel die Teilhabe der Metropolregion an der Entwicklung von Technologien für die Verteidigungsindustrie und die Sicherheit. Unterstützung und eine größere Offenheit wünschte sich die Wirtschaftssenatorin auch im Sinne »unserer Verteidigungsfähigkeit«. Die Hauptstadt stünde im Fokus von Bedrohungen, deshalb sei es umso wichtiger, sich da gut aufzustellen, sagte Giffey auf der Pressekonferenz, die in den Räumen des Sofwareunternehmens SAP stattfand. Produkte von SAP kommen unter anderem bei der Digitalisierung innerhalb der Bundeswehr zum Einsatz.
Stefan Franzke verwies darauf, dass auch die Technische Universität – die einzige Berliner Uni, an der eine Zivilklausel gilt – in Verbindung zur Verteidigung steht. Mit der Zivilklausel schließt die TU zwar »rüstungsrelevante Forschung« für sich aus. Franzke zufolge würden aber die Kleinsatelliten, mit deren Betrieb die Uni im Weltraum führend sei, auch zur Beobachtung von Truppenbewegungen eingesetzt. Dass in Berlin künftig gefährliche Produkte hergestellt werden, bezeichnete Berlin Partner-Chef Franzke als nicht vorstellbar. Er verwies darauf, dass etwa Rheinmetall sein Geschossmaterial zu Recht in der Lüneburger Heide produziere. Am Standort in Wedding würden die Geschosshülsen gefertigt.
Rheinmetall stellt seinen Standort am Humboldthain ab September um. Bisher wurden hier zivile Güter für die Automobilindustrie hergestellt. Rheinmetall hält den Schritt zum Erhalt des Standorts angesichts der Krise in der Automobilwirtschaft für notwendig. Die im Werk vertretene Gewerkschaft IG Metall hatte sich dem Vorhaben nicht entgegengestellt. Es sei »wie ein Sechser im Lotto«, dass so die 350 Arbeitsplätze erhalten werden können, hatte der Betriebsratschef Bernd Benninghaus gegenüber dem RBB gesagt. Bis auf eine Ausnahme hätten alle Beschäftigten für die Umstellung gestimmt. Nun sei sogar wieder ein Aufstocken der Belegschaft im Gespräch.
Laut Wirtschaftssenatorin Giffey zeigte sich Berlin im vergangenen Halbjahr als »krisensicher innerhalb einer schwachen Bundeskonjunktur«. Grund dafür seien eine große Branchenvielfalt und die gute Förderung. Während in diesem Jahr bundesweit mit einem Wirtschaftswachstum von 0 bis -0,3 Prozent gerechnet werde, erwarte man in Berlin ein Plus von 1 Prozent. Auch die Prognose für das kommende Jahr liege mit 1,8 Prozent über den Erwartungen für den Bund, wobei die Digitalwirtschaft und hierbei insbesondere die Künstliche Intelligenz an Bedeutung gewinnen werde.
Berlin Partner verteilt selbst keine Gelder, sondern steht Unternehmen insbesondere in Fragen von Neugründungen, Expansionen und Neuansiedlungen in Berlin beratend zur Seite. Auch über Vernetzungsarbeit und das Aufbereiten von Informationen soll das Klima für Unternehmen in Berlin verbessert werden.
Wie Senatorin Giffey erklärte, soll die Landesförderung für Berlin Partner trotz Sparhaushalt ausgebaut werden. Der Senat habe sich dazu entschieden, das Budget von derzeit 14 Millionen Euro auf 15,7 Millionen im Jahr 2026 und 15,8 Millionen Euro im Jahr 2027 zu erhöhen. Das markiere die »wirtschaftspolitische Schwerpunktsetzung« des Senats, sagte Giffey. »Das ist gut investiertes Geld, das durch die Investitionen, die wir damit nach Berlin holen, deutlich überstiegen wird«, sagte Giffey. Im ersten Halbjahr 2025 haben die von Berlin Partner betreuten Unternehmen 668 Millionen Euro in den Standort investiert – ein neuer Rekord.
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