Berlin: Klinik-Konzern Vivantes drohen Streiks im neuen Jahr

Beschäftigte von Tochtergesellschaften fordern Gleichstellung mit ihren Kollegen im öffentlichen Dienst

Für gleiche Bezahlung wollen die Beschäftigten der Vivantes-Service-Töchter die Puppen zum vorerst letzten Mal herausholen.
Für gleiche Bezahlung wollen die Beschäftigten der Vivantes-Service-Töchter die Puppen zum vorerst letzten Mal herausholen.

Berlins größter Krankenhauskonzern steht vor einer schweren Tarifrunde. Für die Beschäftigten der Tochtergesellschaften der Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH hat die Gewerkschaft Verdi vergangene Woche ihre Tarifforderungen bekanntgegeben. Im Kern fordert Verdi für die etwa 2500 Beschäftigten eine Gleichstellung mit ihren Kolleg*innen, die direkt bei der Muttergesellschaft angestellt sind und für die der Tarifvertrag der Beschäftigten des Bundes und der Kommunen (TVöD) gilt. Die Vivantes-Geschäftsführung erklärte die Forderungen nach einem von ihr benannten »TVöD Plus« umgehend für »nicht finanzierbar«.

Der Vivantes-Konzern gilt als hochgradig sanierungsbedürftig. Das vergangene Jahr beschloss er mit einem Verlust von 146 Millionen Euro. In diesem Jahr rechnet die Geschäftsführung mit einem Minus von 135,1 Millionen Euro. Dabei bezuschusste das Land Berlin den Konzern im vergangenen Jahr mit 150 Millionen Euro. In diesem Jahr flossen schon 154,1 Millionen Euro. Bereits die vergangenen Zuwendungen gelten als rechtlich fragwürdig. Für die Jahre 2026 und 2027 sind im Entwurf über den Landeshaushalt weitere Kapitalzuführungen von 254,1 und 239 Millionen Euro vorgesehen.

Forderungen von Verdi
  • 100-prozentige Angleichung der Töchterverträge an den TVöD
  • Einmalzahlung von 2000 Euro an alle Beschäftigten
  • Drei zusätzliche Urlaubstage für Verdi-Mitglieder oder wahlweise 200 Euro für jeden der drei nicht genommenen Urlaubstage
  • Teilzeitkräfte bekommen Anrecht auf eine Vollzeitstellecle

»Vivantes macht Defizite, wie auch die Charité, wie fast jedes andere Krankenhaus in Deutschland«, sagte Verdi-Gewerkschaftssekretär Max Manzey zu »nd«. Die Geschäftsführung habe dabei mehrmals klargestellt, dass Einsparungen über die Personalkosten nicht geplant seien. Eine Entwicklung bei den Arbeitsbedingungen müsse auch während der Sanierung möglich sein, sagte Manzey. Bis 2029 will Vivantes das jährliche Defizit um 110 Millionen Euro verringern. Im Übrigen, sagt Manzey, sei in den vergangenen Jahren bereits enorm an Personalkosten gespart worden: »Die Tarifflucht durch die Unterbezahlung in den Tochtergesellschaften war die größte Einsparmaßnahme bei Vivantes.«

In einer Mitteilung bezifferte Vivantes die Kosten für eine Anwendung des TVöD auf jährlich 15 Millionen Euro. »Die Erfüllung der jetzigen Tarif-Forderungen würde aber die Sanierung und damit letztlich den Fortbestand der Tochterunternehmen gefährden«, erklärte Geschäftsführerin Dorothea Schmidt. Bei der Präsentation der Geschäftszahlen im Mai dieses Jahres hatte sie noch erklärt, dass Vivantes zu seinem Versprechen stehe, »auch in herausfordernden Zeiten eine attraktive und verlässliche Arbeitgeberin zu sein«.

Jetzt verwies Schmidt auf »vergleichbare Tarifabschlüsse« als »Benchmark« für die kommenden Verhandlungen. An der Charité hatten die Beschäftigten der dortigen Tochter-Gesellschaft Charité Facility Management (CFM) nach 48 Streiktagen einen Abschluss erkämpft, der bis 2030 schrittweise das TVöD-Niveau garantiert.

»Die Tarifflucht durch die Unterbezahlung in den Tochtergesellschaften war die größte Einsparmaßnahme bei Vivantes.«

Max Manzey (Verdi) Gewerkschaftssekretär

Eigentlich hat die schwarz-rote Regierungskoalition in Berlin beschlossen, die Tochtergesellschaften von Charité und Vivantes wieder in die Stammunternehmen zurückzuführen. Eine Senats-Arbeitsgruppe hatte im April aber davon abgeraten: »Vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Haushaltslage erscheint eine Integration der Tochtergesellschaften der Arbeitsgruppe derzeit nicht als gangbarer Weg«, hieß es in dem Bericht. Eine Wiedereingliederung würde Vivantes jährlich mindestens 50 Millionen Euro mehr kosten, an der Charité wären es 50,8 Millionen Euro. Künftige Verbesserungen des TVöD waren nicht eingerechnet.

Verdi geht von harten Auseinandersetzungen aus und lehnt daher einen Verhandlungsbeginn vor dem Jahreswechsel ab, wie Vivantes ihn vorgeschlagen hatte. Nun trifft man sich am 14. Januar 2026, dann gilt keine Friedenspflicht mehr und Verdi hat »die Möglichkeit, mit entsprechenden Arbeitskampfmaßnahmen zu reagieren«, sagte Manzey. Die CFM mache vielen Beschäftigten Mut. Zugleich verspürten die Kolleg*innen einen hohen Leidensdruck. »Bei uns in der Reinigung ist die Stimmung eindeutig«, sagte Magdalena Plachenka, die auch Mitglied in der Verdi-Tarifkommission ist. »Entweder es gibt den TVöD oder wir gehen streiken.«

Mit zehn Kliniken, knapp 7000 Betten und konzernweit 20 000 Beschäftigten ist Vivantes deutschlandweit das größte kommunale Krankenhaus-Unternehmen. Die Tochtergesellschaften übernehmen Aufgaben in den Bereichen Reinigung, Küche, Service, Technik und Reha. Verdi geht von Gehaltsunterschieden von monatlich 300 bis 600 Euro im Vergleich zu den Stammbeschäftigten aus. Das seien vier bis neun Prozent.

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