Ausbau zur fossilen Festung

Erdgasförderung in der mosambikanischen Provinz Cabo Delgado auf dem Prüfstand

  • Andreas Bohne und Fredson Guilengue
  • Lesedauer: 5 Min.
Ruandische Soldaten patrouillieren am 22. September 2021 in Afungi in der Nähe des Total-Komplexes in Cabo Delgado.
Ruandische Soldaten patrouillieren am 22. September 2021 in Afungi in der Nähe des Total-Komplexes in Cabo Delgado.

Lokalen Schätzungen zufolge sind in Cabo Delgado im Norden Mosambiks seit 2017 über 5000 Menschen getötet und über eine Million vertrieben worden. Islamistische Gruppierungen versuchen, die Region unter Kontrolle zu bringen, vor deren Küste reiche Erdölvorkommen lagern. An der Ausbeutung hat der französische Multi Total Energies reges Interesse. Allerdings sind die Forderungen von Geschäftsführer Patrick Pouyanne immens: Um die geplante Erdgasförderung auf der Halbinsel Afungi in der Provinz Cabo Delgado vor Angriffen bewaffneter Islamisten zu schützen, soll das Gebiet nur noch auf dem See- und Luftweg erreichbar sein. Der Zugang auf dem Landweg soll nicht mehr möglich sein. Eine Mauer ohne Tore und eine militärische Präsenz sollen dies gewährleisten.

In Cabo Delgado soll nicht die mosambikanische Armee, die als extrem korrupt und ineffizient gilt, die Baustelle sichern, sondern die bereits stationierten Armeeeinheiten aus Ruanda. Mit EU-Mitteln für Ausrüstung unterstützt, sind sie zu einem bedeutsamen Akteur geworden. Total arbeitet bereits mit dem ruandischen Militär in den Bereichen Drohnenabwehr und maritime Sicherheit zusammen – eine besondere öffentlich-private Partnerschaft. Und ihre Bedeutung wird zunehmen. Beobachter*innen erwarten, dass nach einem möglichen Start der Erdgasproduktion in einigen Jahren bis zu 5000 ruandische Soldaten dauerhaft vor Ort bleiben könnten.

Ruandische Truppen sind seit 2021 vor Ort

Seit Oktober 2017 wird der Norden Mosambiks von bürgerkriegsähnlichen Zuständen erschüttert. Islamisten begannen, Menschen, Kirchen und staatliche Einrichtungen anzugreifen. Allerdings war auch Total ein Ziel, als im März 2021 die naheliegende Stadt Palma und die geplante Erdgasförderanlage angegriffen wurde. Im Nachgang berief sich Total auf »höhere Gewalt« und stellte alle Arbeiten ein. Während Organisationen wie die Menschenrechts- und Umweltorganisation Justicia Ambiental in Kooperation mit europäischen Organisationen seither Untersuchungen und Klagen gegen Total in Frankreich und Großbritannien vorantreiben, verstärkte die mosambikanische Regierung die militärische Präsenz. Seit 2021 sind ruandische Truppen vor Ort, durchgängig von Gerüchten begleitet, dass Frankreich für die Kosten aufkommt.

Total und die Regierung befinden sich in intensiven Verhandlungen, die noch im August abgeschlossen werden sollen. Pouyanne erklärte auf dem Japan Energy Summit im Juni, dass Total noch in diesem Jahr mit den Arbeiten beginnen und 2029 mit den Gasexporten starten könnte. Ein noch zu klärender Streitpunkt ist, dass Total von Mosambik fordert, für die Kosten der vierjährigen Verzögerung aufzukommen.

Mosambiks Präsident Daniel Chapo kündigte nach seiner umstrittenen Wahl an, dass er die Verträge mit multinationalen Unternehmen überprüfen und bei Ablauf neu verhandeln werde. Unter anderem laufen in den kommenden Monaten die Verträge mit dem Aluminiumunternehmen Mozal und Kenmare aus, einem Förderer von Titansand. Chapo möchte hier mehr Einnahmen generieren und den Kritiker*innen, die behaupten, dass multinationale Unternehmen den Menschen nur Peanuts übriglassen, eine positive Botschaft senden.

Total behält seine Vorzugskonditionen

Chapo schloss allerdings eine Neuverhandlung des Vertrags mit Total von vornherein aus. Ökonom*innen schätzen, dass der Staat ab 2031 zwei Milliarden Dollar pro Jahr einnehmen könnte, sollte die Wiederaufnahme noch in diesem Jahr beginnen. Eine höhere Summe, Schätzungen gehen von bis zu sieben Milliarden Dollar pro Jahr aus, würde jedoch erst fließen, wenn die Projektkosten zurückgezahlt sind – frühestens in zwölf Jahren. Für die Frelimo-Regierung alles zu spät. 2029 stehen Wahlen an und bis dahin sollten aus ihrer Sicht bereits Einnahmen fließen. Aus diesem Grund drängt sie auf einen schnellen Vertragsabschluss mit Total statt auf eine Neuverhandlung zu für Mosambik vorteilhafteren Konditionen.

Laut dem Mosambik-Experten Joe Hanlon zeigen die Verhandlungen um einen Neustart der Gasförderung, dass keine der beiden Seiten daran interessiert ist, den militärischen Konflikt mit seinen sozialen Ursachen zu lösen, sondern eher als gegeben zu akzeptieren. Ihr Hauptanliegen ist es, ein Investitionsprojekt für fossile Energie zu schützen, das hohe Renditen verspricht. In einer Erklärung sagte Präsident Chapo: »Die Region ist stabiler als vor vier Jahren, aber sie ist kein Paradies.« Doch der bewaffnete Konflikt in Cabo Delgado eskaliert seit vielen Monaten erneut. Das Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten meldete, dass im Mai »die stärkste Zunahme der Gewalt in Cabo Delgado seit Juni 2022« zu verzeichnen war. In allen fünf Distrikten von Cabo Delgado kommt es zu Überfällen und Gewalt. Teilweise hatten die bewaffneten Kämpfer die einzige asphaltierte Nord-Süd-Straße unter ihre Kontrolle gebracht und Menschen nur gegen Lösegeldzahlungen freigelassen. Die mosambikanische Nachrichtenagentur AIM verlautbarte kürzlich, dass 60 000 Menschen innerhalb von zwei Wochen aufgrund der Angriffe zur Flucht gezwungen worden sind.

Die lokale Bevölkerung fühlt sich seit Langem wegen der hohen Armut und Arbeitslosigkeit von der Zentralregierung vernachlässigt. Wenig überraschend kam es auch in Cabo Delgado mehrfach zu Protesten nach der Präsidentschaftswahl 2024. Die Auswirkungen der kommenden Erdgasproduktion waren dabei ein Thema. Die Regierung in Maputo reagiert mit Greenwashing-Maßnahmen, wenn sie etwa das Gasprojekt für die Bereitstellung von 500 Praktikumsplätzen für junge Menschen auszeichnet. Zur Befriedung der sozialen Lage reicht das sicher nicht.

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