»Mosambiks Regierung handelt im Interesse von Total«

Der Menschenrechtsaktivist Daniel Ribeiro über den Umgang mit den Gemeinden von Cabo Delgado

  • Interview: Fredson Guilengue
  • Lesedauer: 4 Min.
Eine Frau trägt eine Tüte mit Lebensmitteln, die vom Welternährungsprogramm (WFP) an Vertriebene aus der Provinz Cabo Delgado verteilt wurden.
Eine Frau trägt eine Tüte mit Lebensmitteln, die vom Welternährungsprogramm (WFP) an Vertriebene aus der Provinz Cabo Delgado verteilt wurden.

Wie beurteilen Sie die Beziehung zwischen den Energieunternehmen und den vom Gasprojekt in Cabo Delgado betroffenen Gemeinden?

Die Beziehung zwischen Energieunternehmen und lokalen Gemeinden in Cabo Delgado begann mit einem US-amerikanischen Unternehmen namens Anadarko, nachdem Anfang der 2010er Jahre die ersten Gasvorkommen entdeckt worden waren. Die ersten Kontakte waren geprägt von übertriebenen Versprechungen – Arbeitsplätze, Entwicklung, Wohlstand –, die unrealistische Erwartungen weckten. So wie beim Bau von Schulen. Unternehmen meinten damit die Infrastruktur, aber die Gemeinden erwarteten Bildung, einschließlich der Bezahlung von Lehrern. Mangelhafte Kommunikation und Übersetzungsfehler von Dokumenten aus dem Portugiesischen in die lokale Sprache verstärkten die Verwirrung. Berater stellten technische Details falsch dar und verwendeten vage Formulierungen, die die Fischergemeinden in die Irre führten. Kleinere Korruptionsfälle spielten eine große Rolle: Beamte verlangten von der lokalen Bevölkerung Tausende Meticais (1 Metical entspricht 0,013 Euro, d. Red.), nur um sie für Ausbildungsprogramme zu registrieren, die nie zustande kamen. Betrüger nutzten das Schweigen aus und kassierten Zahlungen für gefälschte Kurse. Das Vertrauen schwand, und als Arbeitsplätze geschaffen wurden, fehlten den Gemeinden die versprochenen Qualifikationen, um diese Arbeitsplätze zu besetzen.

Hat sich die Situation geändert, seit Total das Projekt übernommen hat?

Nicht zum Besseren. Fischer wurden 10 bis 15 Kilometer landeinwärts, weit weg vom Meer, umgesiedelt. Ihre traditionellen Fischereigebiete wurden aufgrund der Projektaktivitäten des französischen Konzerns Total und aus Sicherheitsgründen eingeschränkt. Ein Bussystem wurde eingeführt, aber es scheiterte – beim Fischen muss man die Gezeiten beachten und zu unvorhersehbaren Zeiten vor Ort sein. Wirtschaftliche Zeitpläne drängten die Umsiedlung voran, bevor das Land gesichert war. Soziale Bedürfnisse der Gemeinden wurden vernachlässigt. Und sie forderten klar: Umsiedeln nur, wenn sowohl Häuser als auch Land bereitstehen. Das wurde nicht respektiert. Die Menschen erhielten Häuser, aber kein Ackerland. Die versprochenen Lebensmittelrationen für drei Monate wurden zwar auf sechs Monate verlängert, dann jedoch eingestellt – doch auch Jahre später fehlt vielen noch immer Land.

Interview

Daniel Ribeiro ist seit Gründung 20024 politischer Mitarbeiter der mosambikanischen Menschenrechts- und Umweltorganisation Justiça Ambiental (JA!). Seit Jahren kritisiert JA! die Aktivitäten rund um die bevorstehende Gasförderung in Cabo Delgado. Mit Daniel Ribeiro sprach für »nd« Fredson Guilengue.

Woran liegt das?

Die Aufnahmegemeinden wehrten sich gegen die Aufteilung des Landes, und die umgesiedelten Familien befürchteten künftige Konflikte. In Mosambik ist Land heilig, es ist mit den Vorfahren verbunden. Diese kulturellen Dynamiken wurden völlig ignoriert. Aber für mich ist noch etwas anderes unterschätzt worden: Die Gemeinden erhielten in einer Zeit des Konflikts eine finanzielle Entschädigung. Was soll man in Zeiten der Unsicherheit mit dem Geld anfangen?

Sie beziehen sich auf den berüchtigten Angriff der Dschihadistengruppe im März 2021?

Ja. Ende März 2021 griffen Islamisten die Stadt Palma an, die sich in unmittelbarer Nähe des Gebiets von Total befindet, und konnten sie mehrere Tage lang besetzen. Über 1500 Menschen starben – was durch Haushaltsbefragungen bestätigt wurde –, doch die Regierung und Total sprechen weiterhin nur von »Dutzenden Toten«. Während des Angriffs schützten über 800 Soldaten das Projektgelände, während nur 10 bis 40 Soldaten die Dörfer bewachten. Die Bevölkerung rannte zum Projektgelände, wurde jedoch abgewiesen. Schlecht ausgebildete, unterbezahlte Soldaten begingen Misshandlungen – Erpressung, Vergewaltigung und Aggression. Diese Verbrechen bleiben von den lokalen Gerichten ungestraft, und jetzt werden wir uns an die Vereinigten Nationen wenden. Das Verhalten der Streitkräfte hat deutlich gezeigt, dass die Regierung im Interesse von Total handelt.

Welches Risiko gehen diejenigen ein, die sich gegen das Projekt aussprechen?

Sich zu äußern ist gefährlich – Aktivisten und Journalisten sind verschwunden. Organisationen stehen unter Druck, sich auf Dienstleistungen zu konzentrieren, nicht auf Rechenschaftspflicht und Verantwortung der Unternehmen. Mit dem 200 Millionen Dollar schweren Fonds für die Zivilgesellschaft nutzt Total die Gelegenheit, sich als »Entwicklungshilfeorganisation« zu präsentieren, insbesondere nach dem Rückzug des US-Entwicklungsprogramms USAID und der Kürzung der Entwicklungshilfe durch Schweden. Infolgedessen sind Gemeinden und Antragsteller dieses Fonds gezwungen, gute Beziehungen zu Total zu pflegen, um Zugang zu den Mitteln zu erhalten.

Das Projekt von Total birgt auch ökologische Herausforderungen, oder?

Aus ökologischer Sicht birgt das Projekt ernsthafte Risiken. Ballastwasser führt invasive Arten ein. Lärm- und Lichtverschmutzung stören das Leben im Meer, darunter auch gefährdete Quastenflosser. In den Umweltverträglichkeitsprüfungen wird die Modellierung von Tiefsee-Gaskondensat ausgelassen, das giftiger sein könnte als Öl. 200 bis 300 relevante Studien zu den Umweltauswirkungen der Gasförderung in diesem Gebiet wurden entweder nicht erwähnt oder aus den Umweltverträglichkeitsprüfungen ausgeschlossen. In einer Region, in der 80 Prozent der Bevölkerung von Subsistenzwirtschaft und Fischerei leben, bedrohen ökologische Schäden direkt das Überleben.

Wie kann internationale Solidarität den Aktivisten und Gemeinden helfen, die gegen dieses Projekt kämpfen?

Internationale Solidarität muss Rohstoffförderverträge, unfaire Investitionsabkommen und Subventionen für fossile Brennstoffe infrage stellen. Afrika muss die Möglichkeit haben, sich zu industrialisieren, in der Wertschöpfungskette aufzusteigen und seine eigene Wirtschaft zu regulieren. Die Zivilgesellschaft muss geschützt werden, und globale Stimmen müssen Druck auf öffentliche Banken ausüben, lokalen Stimmen Gehör verschaffen und falsche Klimalösungen ablehnen. Empathie und kollektives Handeln – nicht Angst – sind der Weg in die Zukunft.

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