- Sport
- Probetraining
Wellengang und Wunderbrille
Open Water, oje! Der nd-Kolumnist versucht sich im Meer
Ui, ui, ui, so hatte ich mir das nicht vorgestellt. Kabbelig ist die Ostsee an diesem Montag an Göhrens Nordstrand: frischer Wind aus Nordnordost, die Wellen brechen in kurzen Abständen an den Sandbänken. Ich kraule ein Stück dahinter parallel zum Ufer. Urlaubszeit ist Trainingszeit!
Es ist mein erstes Meer-Schwimmen in diesem Jahr. Und gleich so unangenehme Bedingungen: Immer wieder zieht mich die Strömung gen Ufer, immer wieder schwappen die Wellen über mich hinweg. Gut, dass ich mittlerweile ein halbwegs erfahrener Schwimmer bin. Zwei, drei Schluck Salzwasser zwischendurch können mir die Zweieratmung nicht verderben. Ich hole stoisch nach rechts Luft, zur Uferseite hin. Und denke an den 14. September, an mein Triathlon-Debüt. Hoffentlich ist da nicht so ein Wellengang!
Ich kraule, auch weil ich zum ersten Mal meine Wunder-Schwimmbrille im Meer ausprobieren will. »Form Smart Swim Pro 2«, so heißt das gut 300 Euro teure Stück, das mit Augmented Reality einen besseren Schwimmer aus mir machen soll: Ins Innere des rechten Glases werden mir beim Training oder Wettkampf allerlei Echtzeitdaten in gelben Pixeln angezeigt: Tempo, Distanz, Schwimmdauer, Züge pro Minute und sogar der Pulsschlag, der über einen Sensor im Brillenrahmen an meiner Schläfe gemessen wird. Die App zeigt mir später detaillierte Auswertungen an.
Im Schwimmbecken hat die Form-Brille gut funktioniert. Ich hab mir via Bluetooth jeweils das Trainingsprogramm meines Coaches auf die Brille geladen und meine Einheit abgespult. Alle Intervalle und Erholungspausen wurden angezeigt. Im ersten Monat ist testweise auch der Premium-Dienst inklusive, der ansonsten 120 Euro im Jahr kostet. Damit kann man sogar seinen Schwimmstil verbessern: Bei mir merkte die Brille sofort, dass ich den Kopf zu weit hebe. Wenn ich nun »Peak Head Roll« aktiviere, sehe ich in einer Art Strichgrafik, wie sehr mein Kopf sich senkt und hebt und welche Linie er dabei nicht überschreiten soll. Je weniger Abweichung, desto besser. Ich schwimme effizienter, wenn ich darauf achte.
nd-Redakteur Jirka Grahl probiert Neues, zum Auftakt Triathlon. 1500 m Schwimmen, 43 km Rad, 10 km Lauf. Am 14.9. ist Wettkampfpremiere: beim Fehmarn-Triathlon.
Heute an der windigen Rügener Küste soll die Brille aber noch mal Besonderes leisten – mit »Swim Straight«, einer Art Navigation in der Brille. Seit dem Einschalten des »Geradeschwimmens« dreht sich ein Kompassring im Display: Ich habe ihn vorhin auf einen Pfeiler der Seebrücke Göhren gerichtet – genau auf 130 Grad – und schwimme seither standhaft in die Richtung, die mir der Kompass anzeigt. Alle acht Schwimmzüge verlangt die Brille, dass ich den Kopf hebe und überprüfe, ob der Kurs stimmt. Klappt!
Tatsächlich bin ich jetzt, allen Wellen zum Trotz, genau an jenem Pfeiler angelangt, den ich zu Beginn anvisiert hatte. Alles wie geplant – nur, dass ich ursprünglich jetzt umdrehen und die ganze Strecke zurückschwimmen wollte. Stattdessen steige ich nun aus der Brandung und laufe am Strand zurück zu meiner Decke. Heute wird um einen Kilometer geschummelt. Die Brille zeigt mir den Weg, das Meer zeigt mir die Grenzen. Ich hab genug Salzwasser intus.
Die Testbrille wurde vom Hersteller zur Verfügung gestellt.
Wir stehen zum Verkauf. Aber nur an unsere Leser*innen.
Die »nd.Genossenschaft« gehört denen, die sie lesen und schreiben. Sie sichern mit ihrem Beitrag, dass unser Journalismus für alle zugänglich bleibt – ganz ohne Medienkonzern, Milliardär oder Paywall.
Dank Ihrer Unterstützung können wir:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen in den Fokus rücken
→ marginalisierten Stimmen eine Plattform geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und weiterentwickeln
Mit »Freiwillig zahlen« oder einem Genossenschaftsanteil machen Sie den Unterschied. Sie helfen, diese Zeitung am Leben zu halten. Damit nd.bleibt.