Comeback der Sprossen-Krise?

Mehrere teils schwere Ehec-Fälle bei Kindern in Mecklenburg-Vorpommern

Vielleicht wird man hier fündig: Am Universitätsklinikum Münster existiert eine der weltweit größten Sammlungen an Ehec-Erregerstämmen.
Vielleicht wird man hier fündig: Am Universitätsklinikum Münster existiert eine der weltweit größten Sammlungen an Ehec-Erregerstämmen.

Ehec? War da nicht mal was? Blutiger Durchfall nach dem Genuss von Bio-Sprossen? Und eine Ursachenforschung, die irgendwann im Sande (Ägyptens) verlief? Jetzt wird von einigen neuen und schweren Ehec-Fällen im Nordosten der Republik berichtet.

Insgesamt seien laut Landesamt für Gesundheit und Soziales in Mecklenburg-Vorpommern neun Kinder erkrankt, fünf wiesen ein sogenanntes Hämolytisch-urämisches Syndrom auf, was Nierenversagen zur Folge haben kann. Sechs der Erkrankten werden in verschiedenen Bundesländern aktuell stationär betreut.

Alle Betroffenen sind Kinder zwischen einem und 14 Jahren. Einige stammen aus Mecklenburg-Vorpommern, andere aus weiteren Bundesländern waren hier zum Urlaub. Die Fälle sind alle nach dem 18. August aufgetreten. Zu den Symptomen gehörten Erbrechen sowie wässriger und teils blutiger Stuhl.

Dass sich sechs der Betroffenen in intensivmedizinischer Versorgung befinden, deutet darauf hin, dass es sich hier nicht eben um einen harmlosen Magen-Darm-Infekt handelt. Bei zunächst zwei Patienten muss nach Nierenversagen eine Dialyse durchgeführt werden. Ein wirksames Gegenmittel gibt es noch nicht, es sind nur die Symptome behandelbar.

Die Infektionsquelle ist noch nicht gefunden, es könnten sich also weitere Menschen anstecken. Am Dienstag wurden noch Stuhlproben untersucht. Parallel überprüften Lebensmittelhygieniker mögliche Lieferketten.

Da es eine Meldepflicht für Ehec-Bakterien gibt, lässt sich zumindest ein Zuwachs von Infektionen im Nordosten in diesem Jahr feststellen. So wurden in Mecklenburg-Vorpommern nach Zahlen des Landesamtes für Gesundheit und Soziales bis Ende voriger Woche bereits 134 Fälle in diesem Jahr registriert. Im Gesamtjahr 2024 waren es 74 und 2023 nur 30 Fälle. Offenbar verliefen die Erkrankungen weniger schwer, sodass diese Infektionen bis jetzt unter dem Radar liefen. Bundesweit infizieren sich insgesamt pro Jahr im Schnitt 1000 Menschen mit dem Erreger.

Escherichia-coli-Bakterien sind weit verbreitet. Sie zählen zu den üblichen Bewohnern des menschlichen und tierischen Darms, sorgen mit für dessen natürliche Funktion wie auch für ein gesundes Immunsystem. Schon 40 Stunden nach der Geburt ist der menschliche Darm mit diesen Bakterien besiedelt. Unter den E.-coli-Stämmen gibt es relativ harmlose, aber auch krankheitsauslösende Stämme.

Bei Ehec, was für enterohämorrhagisches Escherichia coli steht, handelt es sich um E.-coli-Bakterien, die Zellgifte bilden. Derartige Keime werden vor allem über verunreinigte Lebensmittel aufgenommen. In der Folge kommt es zu Durchfallerkrankungen. Die spezielle Form kommt gewöhnlich im Darm von Wiederkäuern wie Rindern, Schafen und Ziegen vor. Mit den Ausscheidungen der Tiere können die Bakterien in Landwirtschaftsbetrieben auf Gemüse gelangen.

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Durch die Corona-Pandemie ist die Ehec-Krise von 2011 fast in Vergessenheit geraten. Damals starben 53 Menschen in Deutschland. Tausende litten an schwerem Durchfall. Infektionen traten damals auch in Skandinavien und in den USA auf.

Dieser Erreger war aggressiver als andere. Bei vielen der Infizierten trat das Hämolytisch-urämische Syndrom auf, eine Komplikation der Infektion, bei der Blutzellen zerstört werden und es zu einer Nierenschädigung kommt. Bei einem Teil der damals Erkrankten traten auch schwere neurologische Störungen auf. Unter den Betroffen vor 14 Jahren waren besonders viele junge Frauen, während bis dahin vor allem kleine Kinder schwerer erkrankten.

Bei der Suche nach der Ursache konnten 2011 rohe tierische Produkte wie Fleisch und Milch bald ausgeschlossen werden. Dann gerieten Tomaten, Gurken und Blattsalat in den Fokus. Eine Spur, die sich auf spanischen Salatgurken fand, erwies sich später als falsch. Als neuer Verdächtiger wurden dann rohe Gemüsesprossen benannt. Genauer: In Zusammenhang mit der Erkrankungswelle wurde vom Rohverzehr von Bockshornklee-Samen aus Ägypten und dessen Sprossen abgeraten. Jedoch wurde nie geklärt, wo und wie die Samen mit dem Erreger in Kontakt kamen.

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