Kunden mit Eiern hereingelegt

Verbraucherzentrale Brandenburg will Lebensmittelkonzern verklagen

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.
Wie die Hühner gehalten werden, sollte für die Käufer von Eiern erkennbar sein.
Wie die Hühner gehalten werden, sollte für die Käufer von Eiern erkennbar sein.

Die Illustrationen auf der Verpackung legen nahe, dass es sich um Eier von besonders artgerecht gehaltenen Hühnern handelt, die im Freien nach Herzenslust nach Würmern scharren können. Zwar ist auch ein Hinweis aufgedruckt, dass es in Wirklichkeit Eier von Hühnern aus Bodenhaltung sind. Doch just dieser Hinweis ist geschickt und anscheinend absichtlich von dem Aufkleber mit dem Mindesthaltbarkeitsdatum verdeckt. Da die Lebensmittelkette, in deren Filialen diese Eier verkauft werden, diesen Missstand nicht abstellen wolle, plane die Verbraucherzentrale Brandenburg (VZB), mit einer Klage dagegen vorzugehen.

Das sagt Geschäftsführer Christian A. Rumpke am Mittwoch, als er den jüngsten Jahresbericht der VZB vorlegt. Bei diesem Termin in der Potsdamer Staatskanzlei wird ihm eine Internetseite der Ucker-Ei GmbH vorgehalten. Zu sehen sind da ein paar offenbar sehr glückliche Hühner an frischer Luft. Wenn nun aber dieser Agrarbetrieb tatsächlich knapp 40 000 Legehennen in einer Halle halte – ist dies nicht ebenfalls eine Irreführung der Verbraucher?

Aus dem Jahresbericht 2024/25
  • Die Internetseite verbraucherzentrale-brandenburg.de verzeichnete im ver­gangenen Jahr 827 500 Klicks, wobei allein 261 000 Zugriffe auf Informationen zu betrügerischen Inkassoforderungen entfielen.
  • Die Verbraucherzentrale Brandenburg mahnte drei Energieversorger ab, die es ermöglichten, bei ihnen online Verträge zur Lieferung von Strom, Gas oder Fernwärme abzuschließen, die aber auf ihren Inter­netseiten keinen Button hatten, mit dem solche Verträge durch die Kunden auch wieder unkompliziert gekündigt werden konnten.
  • Für Beratungen kann mittels Dolmetschern in 20 verschiedene Sprachen übersetzt werden, darunter Ukra­inisch und Polnisch. Es gibt auch ein deutsch-polnisches Ver­braucherschutz­informations­zentrum in Frankfurt (Oder).
  • In einem Fahrzeug beraten wird in 31 Städ­ten und einer Gemeinde im gesamten Bundesland. Gewöhnlich wird dabei auf Markt­plätzen beziehungsweise vor Rat­häusern haltgemacht.
  • 72 Prozent der Bundesbürger haben einer Umfrage zufolge großes oder sehr großes Vertrauen zu den 16 Verbraucherzentralen der Länder und zur Bundeszentrale. af

    »Wir stehen als Verbraucherzentrale für Wahrheit und Klarheit«, versichert Rumpke. Er vermutet eine Fangfrage und möchte die konkrete Internetseite nicht beurteilen, da er sich diese nicht genau angeschaut habe. Wenn allerdings wie im Falle der anderen Eier ein irreführendes Bild auf der Verpackung abgedruckt wäre, so würde die VZB dagegen vorgehen.

    Es ist eine Fangfrage. Denn die Ucker-Ei GmbH ist der Familienbetrieb von Brandenburgs Agrarministerin Hanka Mittelstädt (SPD), die für den Verbraucherschutz zuständig ist. Mittelstädt war die Chefin und gab diese Funktion an ihre Mutter ab, bevor sie Ende 2024 zur Ministerin ernannt wurde. Sieht man sich die Internetseiten der GmbH genauer an, finden sich dort Videos, in denen Hanka Mittelstädt beispielsweise erklärt, was und wie viel ein Huhn frisst. »Wir legen viel Wert auf Transparenz«, heißt es. »Gerne zeigen wir Ihnen, wo das Ucker-Ei herkommt.« Zu finden sind Fotos von Hühnern im Freien und in der Halle. Mittelstädt beteuert auf Nachfrage, dass die Tiere Auslauf haben.

    Es ist aber auch nicht die Absicht der Verbraucherzentrale, mittelständische Firmen mit Klagen zu überziehen, erst recht nicht eine kleine Imbissbude, die vergisst, Hinweise zu den Zutaten auszuhängen. Vorgegangen wird in der Regel gegen große Lebensmittel- oder Versicherungskonzerne, um bei unlauteren Methoden ein Stoppsignal zu setzen, wie Rumpke erläutert. Fragwürdig ist etwa ein rötlicher Senf mit einem gezeichneten Einhorn auf dem Glas, da der verwendete Farbstoff E122 Allergien auslösen und die Konzentrationsfähigkeit von Kindern herabsetzen könnte. Die VZB verwarnte den Hersteller.

    Abgemahnt hat die VZB eine Sparkasse in Südbrandenburg, die eine Kundin bei der Kündigung ihres Kontos unbemerkt eine Klausel unterschreiben ließ, dass die Frau auf Zinsnachzahlungen verzichte. Die Klausel stand erst unterhalb der Unterschrift. Eine andere Sparkasse in Ostbrandenburg hatte mit der Losung »Weihnachten kann kommen« für Kredite geworben. Das sei »leider nicht justiziabel«, gesteht Rumpke. Er hält es aber für zweifelhaft, wenn eine Sparkasse dazu verführt, sich zu verschulden, um Weihnachtsgeschenke kaufen zu können.

    In 39 Fällen hat die VZB im vergangenen Jahr abgemahnt oder geklagt. Fünf von insgesamt 60 Mitarbeitern sind dafür zuständig. Kündigen musste die Zentrale keinem Kollegen. Diese Gefahr hatte im Raum gestanden, als im Zuge der Verhandlungen über den Doppelhaushalt 2025/26 eine Finanzierungslücke von rund 300 000 Euro im Jahr drohte. Doch das konnte glücklicherweise abgewendet werden. Vom Land Brandenburg erhält die VZB im laufenden Jahr annähernd genauso viel Zuschuss wie im vergangenen – etwas mehr als drei Millionen Euro, die extra zu beantragenden Mittel für konkrete Projekte bereits eingerechnet. Nun ist es nur wichtig, dass es in den kommenden Jahren ebenfalls nicht gekürzt wird.

    Was es nun nicht mehr gibt: dass mit dem Digimobil ein Fahrzeug der Verbraucherzentrale für Beratungen nach Rheinsberg kommt. Die Nachfrage sei zu gering gewesen, bedauert Rumpke. Stattdessen wird aber Strausberg angesteuert. Auch gebe es keine Filiale mehr in Brandenburg/Havel, weil mit den Stimmen von CDU, AfD und Freien Wählern der Zuschuss der Stadt dafür abgeschafft worden sei.

    Nach dem außerordentlich hohen Beratungsbedarf in den vorherigen Krisenjahren sank die Nachfrage 2024 wieder etwas. Die VZB zählte nach 64 200 persönlichen Kontakten im Jahr zuvor nun 52 300 Kontakte und statt 15 400 umfassenden Beratungen lediglich noch 12 000. Für Bedürftige, zum Beispiel Empfänger von Bürgergeld, gibt es neu einen Sozialtarif. Sie zahlen nur 5 Euro für eine Beratung. Sonst sind 20 Euro für 30 Minuten Gespräch fällig.

    Bei 49 Prozent der Beratungen dreht es sich um Energiepreise oder Betriebskostenabrechnungen für die Wohnung, davon abgesehen beispielsweise um untergeschobene Zeitschriftenabos, die Telefonrechnung oder den Rundfunkbeitrag. Es gibt Betrüger, die sich als Finanzamt Finsterwalde-Stadt ausgeben und unberechtigt 500 Euro Steuern nachfordern, oder als angebliches Inkassounternehmen mit Pfändung drohen, um den verängstigt nachfragenden Menschen irgendwas aufzuschwatzen. Die Betroffenen sind froh, wenn sie von Verbraucherschützern erfahren, dass sie solche Schreiben einfach wegwerfen können.

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