- Wirtschaft und Umwelt
- Fossile Energien
Protest am Ort der Klimazerstörung
Die Gasbohrungen vor Borkum sind genehmigt – jetzt hilft nur noch Widerstand
Während die Bundesregierung offiziell den Ausstieg aus den fossilen Energien anstrebt, erlebt die heimische Gasförderung ein überraschendes Comeback. In Bayern startete bereits ein neues Förderprojekt in der Nähe des Ammersees. Und vor der Nordseeinsel Borkum – wenige Kilometer vom Naturschutzgebiet und Unesco-Weltkulturerbe Wattenmeer entfernt – bereitet der niederländische Energiekonzern One-Dyas Bohrungen vor.
Im Kampf um das heftig umstrittene Borkum-Projekt ist nun die Klimaschutzbewegung am Zug. Fridays for Future organisiert bis zum kommenden Dienstag auf der niedersächsischen Insel ein Protestcamp. »Niemand außer One-Dyas will diese Gasförderungen«, sagt Nele Evers von Fridays for Future.
Die Aktivist*innen haben eine Reihe von Aktionen angekündigt, zudem Workshops und Konzerte. Über 200 Leute werden vor Ort erwartet. Für den 5. September ruft Fridays for Future außerdem zum Klimastreik am Borkumer Inselbahnhof auf. »Wir protestieren am Ort der Klimazerstörung, um der Bundesregierung unmissverständlich zu zeigen: Rückschritte bei Klima- und Naturschutz werden wir nicht akzeptieren«, so Aktivistin Evers.
Die geplanten Aktionen reihen sich in eine vielfältige Protestserie gegen die umstrittenen Gasbohrungen ein. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) bemüht sich zudem schon seit mehreren Jahren auf rechtlichem Weg, die Bohrungen zu stoppen oder zumindest aufzuschieben – bisher mit durchwachsenem Erfolg. Zwar konnte die Umweltorganisation den Start der kommerziellen Gasförderung verzögern, doch Schritt für Schritt scheinen die Gerichte bei den zahlreichen Klagen zugunsten des Konzerns zu entscheiden. So erlaubte das Oberverwaltungsgericht Lüneburg vor knapp drei Wochen die kurzzeitig gestoppte Verlegung des Stromkabels, das die geplante Plattform mit einem Offshore-Windpark verbinden und den angeblich klimaneutralen Betrieb des Projekts gewährleisten soll. Das Kabel führt allerdings durch ein geschütztes Steinriff. Die Arbeiten könnten viele der dort lebenden Meerestiere – Fische, Seevögel, sogar Robben – stark unter Druck bringen.
Auch wenn das Kabel verlegt ist, könnten irreversible Schäden am Riff entstehen. »Die Wiederherstellung von Riffen ist kompliziert, Erfolge sind schwer abzuschätzen und der Prozess kann Jahrzehnte in Anspruch nehmen«, erklärte Sandra Franke, die Umweltbeauftragte der Stadt Borkum.
Anfang der Woche folgte ein weiterer juristischer Rückschlag für die Umwelt- und Klimaschützer*innen: Das niedersächsische Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie erteilte One-Dyas eine Bohrgenehmigung auf deutschem Hoheitsgebiet. Damit kann der Gaskonzern mit der Förderung aus dem Gasfeld beginnen, das sich über die niederländisch-deutsche Grenzregion erstreckt.
Das Landesamt begründete seine Entscheidung damit, dass es so »dem überwiegenden öffentlichen Interesse an einer sicheren Energieversorgung« nachkomme. Julian Schwartzkopff vom Team Gas-Ausstieg bei der DUH sieht das ganz anders: Im öffentlichen Interesse liegen für ihn der Klima- und Umweltschutz und damit nur eine sichere Versorgung durch erneuerbare Energien. Durch die Behördenentscheidung »wird vor Borkum ein besorgniserregender Präzedenzfall geschaffen«, erklärt Schwartzkopff. Denn auch zukünftige Gasförderprojekte könnten nun als öffentliches Interesse ausgelegt werden. One-Dyas plant nach eigenen Angaben zahlreiche weitere Bohrungen mit einem Gasvolumen von insgesamt 50 Milliarden Kubikmetern.
Auch Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) setzt stark auf die fossile Energiequelle. Neue Gaskraftwerke mit einer Leistung von über 20 Gigawatt möchte sie ausschreiben. Damit stelle sich die Regierung an die Seite der Gasindustrie, statt konsequent den Ausbau erneuerbarer Energien voranzutreiben, warnen Kritiker*innen.
Daran ändert auch ein am Mittwoch vom Bundeskabinett beschlossener Gesetzentwurf aus dem Umweltministerium nichts. Demnach soll in den sechs Meeresschutzgebieten jenseits hiesiger Küstengewässer in Nord- und Ostsee die Öl- und Gasförderung verboten werden. »Der Schutz der Meeresnatur und der Ausstieg aus der Nutzung fossiler Energien passt mit Öl- und Gasbohrungen nicht zusammen«, erklärte Minister Carsten Schneider (SPD).
Nach Einschätzung von Greenpeace ist das Vorhaben überfällig, aber nicht ausreichend. »Schweinswale, Seevögel und viele andere Meeresbewohner brauchen echte Rückzugsräume«, hob Meeresexpertin Daniela von Schaper hervor. »Solange in den Schutzgebieten weiter gebaggert, gebaut oder gefischt werden darf, sind sie nicht wirksam geschützt.« Nicht betroffen von dem Verbot ist die Förderung vor Borkum, da sie im niedersächsischen Küstengewässer geplant ist.
»Dass Schwarz-Rot keine Skrupel hat, neue Gasprojekte voranzubringen, zeigt, dass ihnen die Profite der Gaskonzerne wichtiger sind als all die Menschen, die von den Folgen der Klimakrise betroffen sind«, sagt Yasin Hinz von Fridays for Future. »Dann braucht es eben einen Druck von der Straße und den Menschen«, ergänzt Aktivistin Nele Evers.
Wir stehen zum Verkauf. Aber nur an unsere Leser*innen.
Die »nd.Genossenschaft« gehört denen, die sie lesen und schreiben. Sie sichern mit ihrem Beitrag, dass unser Journalismus für alle zugänglich bleibt – ganz ohne Medienkonzern, Milliardär oder Paywall.
Dank Ihrer Unterstützung können wir:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen in den Fokus rücken
→ marginalisierten Stimmen eine Plattform geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und weiterentwickeln
Mit »Freiwillig zahlen« oder einem Genossenschaftsanteil machen Sie den Unterschied. Sie helfen, diese Zeitung am Leben zu halten. Damit nd.bleibt.