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Steuererlass für Superreiche

Kritik an der »Verschonungsbedarfsprüfung« für Erben großer Unternehmensvermögen

Bei den Landesfinanzämtern kommt wenig rein durch die Erbschaftsteuer.
Bei den Landesfinanzämtern kommt wenig rein durch die Erbschaftsteuer.

Eine gewaltige Erbschaftswelle schwappt duchs Land: Der steuerpflichtige Erwerb im Zuge von Erbschaften und Schenkungen ist laut aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamts seit 2022 kräftig gewachsen – von 58,3 Milliarden Euro auf 64,7 Milliarden Euro im vergangenen Jahr. Doch mit Blick auf die Erbschaftsteuer sind die Angaben mit Vorsicht zu genießen. So liegen die meisten Erbschaftsfälle innerhalb der recht großzügig bemessenen Freibeträge (500 000 Euro für Eheleute, 400 000 je Kind), für die keine Steuer festgesetzt wird. Die offizielle Statistik erfasst daher nur einen Bruchteil der Vermögensübertragungen. »Tatsächlich werden in Deutschland jedes Jahr nach letzten Schätzungen rund 400 Milliarden Euro vererbt«, kalkuliert das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK).

Für Erbschaften und Schenkungen oberhalb der Freigrenzen werden Steuern fällig: 2024 wurde der Höchstwert von 13,5 Milliarden Euro erreicht – vor zehn Jahren waren es nur 5,5 Milliarden. Die Einnahmen stehen den Ländern zu.

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Insbesondere für Großvermögen sind diese offiziellen Zahlen aber »wenig aussagekräftig, sogar irreführend«, kritisierte die Steuerrechtlerin Julia Jirmann bereits Anfang 2024 in einem Aufsatz für das Fachblatt »Wirtschaftspolitik«. Dies liege vor allem am sogenannten Schonvermögen für Betriebe. Die Regelung verhindere zu 85 Prozent, dass für die Erbschaft von Firmen Steuern zu zahlen sind. Der ‎Erwerber muss den Betrieb dann mindestens ‎fünf Jahre lang fortführen. Mit der Regelung wollte der Gesetzgeber den Fortbestand von Handwerksbetrieben und Mittelständlern sichern.

Jetzt legte Jirmann, Referentin beim Netzwerk Steuergerechtigkeit, mit Verweis auf Zahlen des Bundesfinanzministeriums noch einmal nach: 45 Reiche erbten 2024 demnach zusammen ein Vermögen von fast zwölf Milliarden Euro, zahlten darauf aber im Schnitt nur rund 1,5 Prozent Steuern. Der Staat verzichte zu ihren Gunsten auf Einnahmen in Höhe von 3,4 Milliarden Euro, kritisiert das Bündnis, an dem etwa Attac, Oxfam und Verdi beteiligt sind.

Möglich macht dies eine sogenannte Verschonungsbedarfsprüfung. Sie ermöglicht für Unternehmensvermögen oberhalb von 26 Millionen Euro einen 100-prozentigen Steuererlass. Dafür müssen Erbende oder Beschenkte nachweisen, dass sie kein Vermögen haben, aus dem sie die fälligen Steuern begleichen können. Die Bedürftigkeitsprüfung lasse allerdings »Gestaltungen in erheblichem Ausmaß« zu, schreibt Jirmann. So blieben Gewinne, die nach dem Stichtag erzielt werden, bei der Verschonungsbedarfsprüfung ebenso unberücksichtigt wie Schenkungen an Kinder.

In der Vergangenheit hat das Bundesverfassungsgericht die Begünstigung des Unternehmensvermögens wiederholt als zu weitreichend kritisiert, was zu kleineren Reformschritten der großen Koalition führte. Diese seien jedoch bei Weitem nicht ausreichend, meinen Kritiker. Aktuell liegen gleich mehrere Verfahren zur Erbschaftsteuer dem BVerfG vor. Die Begünstigung des Unternehmensvermögens könnte vor einem teilweisen Aus stehen.

Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) brachte kürzlich eine höhere Besteuerung von Reichen ins Spiel. Der Linke-Vorsitzende Jan van Aken schlägt vor, die Verschonungsbedarfsprüfung wieder abzuschaffen – was zu höheren Einnahmen führe würde, »ohne für irgendwen die Steuern zu erhöhen«. Auch ein Bündnis aus Netzwerk Steuergerechtigkeit, Bürgerbewegung Finanzwende und der Vermögendenorganisation Taxmenow fordert eine Abschaffung der Privilegien für Vermögende bei der Erbschaft und hat dafür eine Kampagne unter dem Titel »Ehrensache Erbschaftsteuer: Keine Ausnahmen für Milliardäre!« gestartet.

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