Transgender USA: Zwischen Angst und Widerstand

Die Transgender-Gemeinschaft ist ein erklärtes Feindbild der Rechten in den USA und Donald Trump setzt eine radikale Anti-Agenda im Land durch

  • Marinela Potor, Detroit
  • Lesedauer: 8 Min.
Transgender USA – Transgender USA: Zwischen Angst und Widerstand

Ich werde den Kongress bitten, ein Gesetz zu verabschieden, das festlegt, dass die einzigen Geschlechter, die von der Regierung der Vereinigten Staaten anerkannt werden, männlich und weiblich sind – und sie werden bei der Geburt zugeschrieben.» Mit dieser und noch viel krasseren Anti-Trans-Aussagen mobilisierte Donald Trump Anhänger*innen in seinem Wahlkampf 2024. Es dauerte nicht lange, bis er nach dem Wahlsieg diese Versprechen in die Tat umsetzte. Bereits am ersten Amtstag, also am 20. Januar 2025, unterzeichnete Trump ein Dekret mit dem Namen «Defending women from gender ideology extremism and restoring biological truth to the federal government» («Frauen vor extremistischer Gender-Ideologie schützen und die biologische Wahrheit in den Verfassungsorganen wiederherstellen»).

Nach diesem Dekret können trans Frauen in den USA nur noch in Männergefängnissen untergebracht werden. Es darf lediglich «männlich» und «weiblich» als rein biologische Geschlechter geben und US-Pässe müssen das Geschlecht anzeigen, das eine Person bei der Geburt zugewiesen bekam.

Doch bei diesen ersten Maßnahmen blieb es nicht. Seither hat die Trump-Regierung unter anderem trans Personen aus dem Militär verbannt, Regierungsgelder für geschlechtsangleichende Maßnahmen gestrichen sowie Trans Mädchen und Frauen die Teilnahme an Frauensportarten verboten. Selbst der Buchstabe «T» wird systematisch aus Regierungstexten zur LGBTQ+-Community gelöscht.

Es ging mal voran

So umfassend diese Anti-Trans-Gesetze auch sind, für Rachel Crandall Crocker sind solche Restriktionen nicht neu. Sie wurde zwar als Junge geboren, identifizierte sich jedoch bald als weiblich. Als sie 1966 mit acht Jahren ihren Eltern sagte, dass sie ein Mädchen sei, war deren erste Reaktion: «Sprich das nie wieder laut aus!» Sie sagten ihr auch, das sei das «Schmutzigste», was es gebe. Akzeptanz gegenüber anderen Geschlechtsidentitäten gab es zu dieser Zeit in den USA nicht.

«Damals gab es das Wort Trans noch gar nicht und die Leute hatten keine Ahnung, was damit gemeint war», erinnert sich Crandall Crocker. Selbst Homosexualität war zu dieser Zeit fast im gesamten Land illegal und Gewalt – inklusive Polizeigewalt – an der LGBTQ+-Community an der Tagesordnung.

So versteckte auch Brandall Crocker jahrzehntelang ihre wahre Identität, nicht nur aus Angst vor möglicher Gewalt, sondern auch, weil sie sich dafür schämte. Die Worte ihrer Eltern hallten lange nach, sodass sie sogar als Mann heiratete. Doch mit der Zeit zog sie sich häufiger als Frau an, erst heimlich, um zu testen, wie sich das anfühlte. Irgendwann ging sie so auf die Straße. Ihr wurde klar, dass sie sich nicht mehr verstecken wollte.

«Es ist gerade einfach, uns unsere Rechte ohne großen öffentlichen Widerstand wegzunehmen.»

Rachel Crandall Crocker

1994 – mit 34 Jahren – outete sich Crandall Crocker endgültig als trans Frau, ließ sich scheiden und begann ihr neues Leben. Doch selbst 30 Jahre später war sie als trans Frau noch vielen Anfeindungen ausgesetzt und verlor zum Beispiel deswegen ihre Arbeitsstelle. Anlaufstellen, bei denen sie Hilfe hätte finden können, gab es zu dieser Zeit nicht, sagt sie. «Daher wollte ich einen Weg finden, das Transsein zu normalisieren.»

Also rief sie 1997, gemeinsam mit ihrer derzeitigen Ehefrau Susan Crocker «Transgender Michigan» ins Leben. Die Organisation veranstaltet jährliche Gesundheitsevents für die Trans-Community und klärt auf regionalen Events über das Thema Transgender auf. Als Therapeutin bietet Rachel Crandall Crocker psychologische Beratung an – auch für Jugendliche und Eltern, die mehr zur Transition, dem Übergang von einem Geschlecht ins andere, erfahren möchten.

Außerdem startete sie die «Helpline», die erste allgemeine Transgender-Hotline in den USA. Seit den Anfängen habe sich in den USA viel getan, sagt Crandall Crocker. «Die Einstellung der Menschen hat sich verändert. Es gibt mehr Akzeptanz, was auch daran liegt, dass die meisten viel besser verstehen, was Transgender ist.»

Mit der wachsenden gesellschaftlichen Toleranz änderte sich auch die Rechtslage: Transgender durften beispielsweise ihr Geschlecht in Ausweisen anpassen und die staatliche Krankenversicherung zahlte für geschlechtsangleichende Behandlungen. Das waren positive Entwicklungen. «Wir waren wirklich auf einem guten Weg – bis Trump kam. Er hat uns wieder zurückgeworfen.»

Jetzt ist nur noch Angst

Die neuen Regulierungen der Trump-Regierung machen Crandall Crocker und der Transgemeinschaft große Angst. «Wir haben die Zahlen unserer Helpline seit Jahresbeginn analysiert und wir bekommen definitiv mehr Anrufe. Die Community fürchtet sich davor, dass wir alle zusammengetrieben und als trans Menschen ausgelöscht werden sollen.» Für viele sind die Parallelen zu extremistischen Regimes, in denen Minderheiten systematisch getötet werden, allzu deutlich.

Crandall Crocker, die Jüdin ist und von ihrer Familie weiß, dass viele ihrer Vorfahren von den Nationalsozialisten in Deutschland verfolgt und ermordet wurden, erinnern die aktuellen Anti-Trans-Maßnahmen in den USA an das Vorgehen der Nazis. «Wir werden als Sündenböcke hingestellt. Weil wir eine so kleine Gruppe sind und sich viele Vorurteile gegen trans Menschen hartnäckig halten, ist es einfach, uns unsere Rechte ohne großen öffentlichen Widerstand wegzunehmen.»

Mit gezielten Maßnahmen gegen Transgender-Personen im Land sind diese Sorgen nicht unbegründet. Die von Trump erlassenen Gesetze schränken trans Menschen nicht nur im Ausdruck ihrer Identität ein, sondern auch in ihrer Bewegungsfreiheit und ihrer Existenz. So beschreibt beispielsweise die Journalistin Grace Byron, wie sie als trans Frau nun bei Reisen zusätzlichen Kontrollen ausgesetzt ist. Am Flughafen triggert ihr Aussehen zusätzliche Untersuchungen, in denen sie auch von Männern abgetastet werden kann.

Byron sieht darin einen allgemeinen Trend, die physische Autonomie bestimmter Bevölkerungsgruppen einzuschränken. «Die Attacken gegen Transgender-Menschen sind sehr eng mit den aktuellen Abschiebewellen und dem Fall von Roe v. Wade verbunden, die Teil eines harten Durchgreifens gegen körperliche Autonomie sind.» In dem Urteil des Obersten Gerichtshofs von 2024 wurde das landesweite Recht auf Abtreibung wieder aufgehoben, das ursprünglich in dem Grundsatzurteil zwischen Roe gegen Wade von 1973 Frauen als Verfassungsrecht zugesprochen wurde.

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Auch wird es vor allem für Transjugendliche zunehmend schwieriger, die für sie notwendige geschlechtsangleichende Hormontherapie zu bekommen. Unter einem neuen Dekret von Trump wurden Regierungshilfen dazu nicht nur gestrichen. Institutionen, die solche Hormontherapien für Jugendliche anbieten, bekommen auch keine Forschungsgelder mehr aus Washington.

Diese gezielten Angriffe auf die Transgender-Community haben System. Denn für konservative Extremist*innen stellen trans Menschen ein Feindbild dar. In «Project 2025», einem Handbuch rechter Ideologen, wird zum Beispiel die Verbreitung der «Transgender-Ideologie» mit Kindesmissbrauch und Frauenfeindlichkeit gleichgesetzt. Die Trans-Community wird auch dafür verantwortlich gemacht, «wokes» Gedankengut wie Frauenrechte, Gender-Diversität und Rassismuskritik in den USA zu verbreiten und damit die amerikanischen Werte zu zerstören.

Tatsächlich fruchten einige dieser Argumente bei vielen Bevölkerungsgruppen. So sagen aktuellen Umfragen zufolge 69 Prozent der Amerikaner*innen, dass das Geburtsgeschlecht den Ausschlag geben sollte, ob eine Person im Frauen- oder Männersport aktiv ist. Das sind sieben Prozent mehr als noch vor drei Jahren. 51 Prozent finden Geschlechtsumwandlungen unmoralisch.

Während sich die Anti-Trans-Stimmung also im Land verschärft, nehmen auch die Gewalttaten gegen die Community zu. 2024 wurden 32 Transgender und Gender-Expansive-Menschen (Personen, die sich außerhalb von Gender-Normen definieren) Opfer von gewaltvollen Tötungsdelikten. Eine Studie der Non-Profit-Organisation «The Trevor Project» zeigt, dass in US-Staaten, in denen Anti-Trans-Gesetze verabschiedet wurden, die Anzahl der Selbstmordversuche von Jugendlichen in der Trans-Community um 72 Prozent gestiegen ist.

Aber Zusammenhalt hilft

Darum sei die Unterstützung ihrer Gemeinschaft gerade jetzt so wichtig, betont Crandall Crocker. Entsprechend organisiert «Transgender Michigan» regelmäßig Treffen, nimmt an Demonstrationen teil und richtet Aufklärungsveranstaltungen aus. Auch die Transgender-Hotline ist eine direkte Anlaufstelle für alle, die Unterstützung wünschen und brauchen. Mehr noch: Organisationen im ganzen Land haben angefangen, gegen die Anti-Trans-Gesetze der neuen Regierung mobil zu machen.

Auf Bundesebene gehen Menschenrechtsorganisationen wie die ACLU mit zahlreichen Klagen gegen die Dekrete von Trump vor – mitunter auch erfolgreich. So erlaubte etwa ein Bundesgericht Hormonbehandlungen für Transgender-Personen in Gefängnissen wieder, nachdem Trump dies verboten hatte.

Zugleich werden andere Anti-Trans-Auflagen verfestigt. So hat der Oberste Gerichtshof den von Trump erlassenen Ausschluss von trans Personen im Militär für rechtmäßig erklärt. Die meisten dieser Rechtsstreite sind noch nicht endgültig geklärt. Das belaste die Transgender-Community, sagt Crandall Crocker. «Diese Ungewissheit macht es mental schwierig, mit der Situation umzugehen, da du nie genau weißt, woran du bist.»

Dennoch will sich die Community nicht unterkriegen lassen. Seit dem Amtsantritt von Trump gab es zahlreiche Proteste gegen die Anti-Trans-Maßnahmen der Regierung – nicht nur von regionalen Organisationen, sondern auch landesweit. Tausende trans Menschen und Unterstützende protestierten am 31. Mai 2025 zum «International Day of Transgender Visibility» in Washington D.C. «Wir leisten Widerstand», sagt Crandall Crocker. «Auch wenn es aktuell komplizierter wird, hören wir nicht auf.»

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