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Gewerkschaft will gegen mehr Pflichtstunden für Lehrer klagen
In Brandenburg sind weitere Protestaktionen vorgesehen
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) bereitet eine Klage gegen zusätzliche Pflichtstunden vor. Brandenburgs Lehrer sollen nach dem Willen der SPD/BSW-Koalition ab Februar pro Woche eine Stunde mehr unterrichten – und das will die GEW nicht kampflos hinnehmen. Es seien nach einer großen Demonstration in Potsdam, an der sich im Mai tausende Lehrer, Eltern und Schüler beteiligt hatten, weitere Protestaktionen geplant, kündigte der GEW-Landesvorsitzende Günther Fuchs am Freitag an.
Brandenburgs Pädagogen mussten früher schon einmal mehr unterrichten, bis sie ab 2014 entlastet wurden und seitdem pro Woche eine Unterrichtsstunde weniger haben als ihre Kollegen in Berlin. Dennoch hält Fuchs eine Klage für keineswegs chancenlos.
»Wenn ich die Situation der vergangenen Jahre beschreibe: Wir hatten keine Lehrer, aber wir hatten wenigstens noch Geld.«
Günther Fuchs GEW-Landesvorsitzender
45 Minuten Schulstunde bedeuten 90 Minuten mehr Arbeit, weil die Stunde vor- und nachbereitet werden muss. Unter dem Strich sollen die Lehrer aber nicht mehr zu tun haben, sondern von anderen Tätigkeiten entlastet werden. Darüber mit Bildungsminister Steffen Freiberg (SPD) zu verhandeln, weigert sich Gewerkschafter Fuchs jedoch. Eine Einigung über Entlastungen würde ja nur dazu dienen, dass vom Ministerium vor Gericht behauptet werden könne, dass die Arbeitsbelastung der Lehrer unter dem Strich gleich bleibe, erklärt Fuchs. Nach seiner Darstellung sind schon 27 statt 28 Unterrichtsstunden pro Woche für einen Grundschullehrer zu viel. Alles über 24 Stunden sei eigentlich zu viel, sagt er. Die GEW fordert die Lehrer auf, ihre Arbeitszeit derzeit akribisch aufzuschreiben. Sie geht davon aus, dass im Moment praktisch alle unbezahlte Überstunden machen, indem sie erkrankte Kollegen vertreten und deutlich länger an der Korrektur von Klassenarbeiten und der Erledigung anderer Aufgaben sitzen als gedacht.
Am Mittwoch hatte Bildungsminister Freiberg mit Blick auf den Beginn des neuen Schuljahrs am Montag beteuert, es seien »Lösungen gefunden, um den Unterricht an unseren Schulen weiterhin abzusichern«. Günther Fuchs nennt den Auftritt des Ministers »kabarettreif«. Er sagt: »Es ist am Ende eine Einsparung, eine Kürzung.« Denn ohne die Erhöhung der Pflichtstundenzahl hätten statt 1500 Lehrern rund 2500 Lehrer eingestellt werden müssen. Die Kürzung sei für die Schulen unerträglich. »Der Unterrichtsausfall ist programmiert.« Davon abgesehen würden mehr Schüler in einer Klasse sitzen und individuelle Förderung der Kinder und Jugendlichen sei nicht mehr möglich.
Fuchs rechnet mit zahlreichen Arbeitsgerichtsprozessen. Wenn in einer Schule jeder Lehrer eine Stunde mehr unterrichte, aber dort keine Stelle frei sei, müssten Kollegen an andere Schulen versetzt werden, an denen noch ein Lehrer gebraucht wird. Die Betroffenen würden sich aber sicher dagegen wehren.
Der GEW-Landesvorsitzende sagt: »Wenn ich die Situation der vergangenen Jahre beschreibe: Wir hatten keine Lehrer, aber wir hatten wenigstens noch Geld.« Damit meint er, dass es einen Lehrermangel schon lange gibt und auf Seiteneinsteiger zurückgegriffen werden muss. Daran scheiterte in der Vergangenheit die Besetzung von offenen Stellen mit Fachkräften. Aber das Geld, die Lehrer zu bezahlen, war im Haushalt noch eingeplant. Nun gebe es im neuen Schuljahr rund 3600 Schüler mehr als im alten, aber es gebe 1200 Lehrer weniger.
Insgesamt machte Finanzminister Robert Crumbach (BSW) übrigens mehr Geld für die Bildung locker. Aber das erklärt sich der GEW zufolge aus Tariferhöhungen. Mehr Qualität in der Bildung gebe es nicht für das Geld, sondern weniger.
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