Netanjahu: »Verschwinden Sie«

Mit schweren Bombardements drängt Israel die Einwohner aus Gaza-Stadt

  • Cyrus Salimi-Asl
  • Lesedauer: 3 Min.
Vertriebene Palästinenser, die aus dem nördlichen Gazastreifen fliehen, tragen ihre Habseligkeiten entlang der Küstenstraße in Richtung des südlichen Gazastreifens, nachdem die israelische Armee die Evakuierung von Gaza-Stadt angeordnet hat.
Vertriebene Palästinenser, die aus dem nördlichen Gazastreifen fliehen, tragen ihre Habseligkeiten entlang der Küstenstraße in Richtung des südlichen Gazastreifens, nachdem die israelische Armee die Evakuierung von Gaza-Stadt angeordnet hat.

Die Global Sumud Flotilla, die Wasser und Nahrungsmittel in den Gazastreifen bringen will, könnte zu spät kommen. An diesem Mittwoch wollen die Schiffe aus Tunis auslaufen und in wenigen Tagen dort eintreffen. Doch die israelische Regierung hat in ihrem Vernichtungsfeldzug gegen die Bevölkerung im Gazastreifen den letzten Akt eingeläutet. In den vergangenen Tagen legte die israelische Luftwaffe in Gaza-Stadt gezielt Wohnhäuser in Schutt und Asche, die angeblich von der Hamas genutzt wurden; Regierungschef Benjamin Netanjahu zufolge sind binnen zwei Tagen bereits 50 Hochhäuser zerstört worden. Die Armee hat alle Einwohner offiziell zur Flucht aufgefordert. Die Menschen sollten sich zu ihrer eigenen Sicherheit nach Al-Mawasi in den Süden begeben, hieß es in einem in arabischer Sprache veröffentlichten Aufruf. Israels Armee werde in der Stadt Gaza »mit großer Intensität vorgehen«.

Eine Fluchtaufforderung der Armee für die gesamte Stadt hat es bislang nicht gegeben, sondern immer nur für einzelne Gegenden. Das bedeutet, dass geschätzt rund eine Million Menschen sich in Bewegung setzen müssten, um dem Tod zu entgehen. Doch Al-Mawasi im Südwesten des Gazastreifens ist alles andere als sicher: Im Verlaufe des Krieges wurde es von Israel als »humanitäre Zone« ausgewiesen, aber das israelische Militär hat auch dort mehrfach angegriffen, angeblich um Hamas-Einrichtungen zu treffen. Am Montag hatte bereits Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu die Einwohner zum Verlassen von Gaza-Stadt gedrängt. »Sie wurden gewarnt, verschwinden Sie von dort«, sagte er.

Dabei liegt noch immer ein US-amerikanischer Plan für eine Waffenruhe auf dem Tisch. Die Hamas zeigte sich gesprächsbereit, auch Israel hat dem Plan grundsätzlich zugestimmt: »Präsident Trump hat es vor zwei Tagen deutlich gesagt: Israel hat Ja zu seinem Vorschlag gesagt«, sagte Außenminister Gideon Saar nach Angaben seines Büros bei einem Besuch in Kroatien. Israel habe »nur zwei einfache Forderungen«, die Rückkehr aller Geiseln sowie die Entwaffnung der Hamas, sagte Saar weiter. Doch nach der Bombardierung des Hamas-Büros in Katar fragt man sich, mit wem die israelische Regierung noch verhandeln will?

Doch an einer Waffenruhe scheint die israelische Regierung kein Interesse zu haben. Nächstes Ziel ist, die Stadt Gaza militärisch vollständig einzunehmen. Netanjahu sagte am Sonntag, bislang hätten rund 100 000 Palästinenser den Ort verlassen.

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Die internationale Öffentlichkeit hält sich weitgehend heraus aus dem, was im Gazastreifen passiert. Entschiedene Kritik am israelischen Vorgehen hört man fast nur aus der arabischen Welt. So hat Jordanien den israelischen Angriff auf die Führungsspitze der Hamas in Katar als »feige Aggression« verurteilt. Außenminister Aiman Al-Safadi sagte auf X, der Angriff stelle einen eklatanten Verstoß gegen das Völkerrecht dar. In Europa ist nur die spanische Regierung willens, dem genozidalen Krieg Israels mit Gegenmaßnahmen zu begegnen. So verhängte die Regierung in Madrid am Dienstag Einreiseverbote gegen zwei rechtsextreme israelische Minister: Itamar Ben Gvir (Nationale Sicherheit) und Bezalel Smotrich (Finanzen) seien auf eine Sanktionsliste gesetzt worden und dürften somit nicht mehr nach Spanien einreisen, sagte Außenminister José Manuel Albares bei einer Pressekonferenz in Madrid.

Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez hatte am Montag von einem »Völkermord« durch Israel im Gazastreifen gesprochen und neun Gegenmaßnahmen verkündet, darunter ein Waffenembargo, Einreiseverbote und einen Einfuhrstopp für Produkte aus israelischen Siedlungen im Gazastreifen. Israels Außenminister Gideon Saar warf Sánchez daraufhin eine »anti-israelische und antisemitische Kampagne« vor und kündigte ein Einreiseverbot für Spaniens Vize-Regierungschefin Yolanda Díaz und Jugendministerin Sira Rego an. Als Reaktion rief Spanien seine Botschafterin in Israel zu Beratungen nach Madrid zurück.

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