Die neue Bahnchefin heißt Evelyn Palla

Managerin mit ÖBB-Erfahrung soll bundeseigenen Konzern aus der Krise führen

  • Fabian Nitschmann, Matthias Arnold und Andreas Hoenig
  • Lesedauer: 4 Min.
Nicht nur Posing – die designierte neue Bahnchefin hat den Führerschein für Triebwagen.
Nicht nur Posing – die designierte neue Bahnchefin hat den Führerschein für Triebwagen.

Als Mitte August über die Nachfolge von Richard Lutz an der Spitze der Deutschen Bahn spekuliert wurde, fiel ihr Name schon sehr früh: Evelyn Palla arbeitet seit 2019 beim bundeseigenen Konzern, erst als Finanzvorständin bei DB Fernverkehr, seit Juli 2022 als Chefin der Regionalverkehrssparte. Am Wochenende wurde bekannt, dass die gebürtige Italienerin nun wohl an die Spitze des Konzerns aufsteigen wird – als erste Frau auf diesem Posten.

Am Montag soll Palla nach dpa-Informationen offiziell als neue Bahn-Chefin vorgestellt werden. Nach dem Vorschlag von Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) muss Palla noch vom Aufsichtsrat der Deutschen Bahn berufen werden. Die nächste Sitzung des Gremiums beginnt am Dienstag.

Palla, Jahrgang 1973, kennt sich nicht nur durch ihre Zeit bei der Deutsche Bahn gut in der Branche aus. Von 2011 bis Anfang 2019 war sie bei den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) aktiv. Ebenso wie die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) gelten die Österreicher im Vergleich zu Deutschland als eine der Vorzeigenationen, wenn es um den Verkehr auf der Schiene geht.

Mit der Verantwortung für den gesamten Regionalverkehr in Deutschland hat Palla seit drei Jahren eine sehr gewichtige Aufgabe. Rund 780 000 Zugfahrten werden im Nahverkehr – inklusive aller S-Bahnen – jeden Monat absolviert. Zuletzt war die Pünktlichkeit auch im Nahverkehr im Vergleich zu vorherigen Zeiten schlechter, brach aber nicht komplett ein.

Zudem erwirtschaftete DB Regio unter Palla im ersten Halbjahr 2025 einen operativen Gewinn von 103 Millionen Euro. Im ersten Halbjahr 2024 hatte an dieser Stelle noch ein dickes Minus gestanden. Bei der Bahn freute man sich über die Trendwende – ein kleiner Erfolg inmitten vieler schlechter Nachrichten, mit denen die Kunden der Bahn ebenso wie das Management des Konzerns fast täglich konfrontiert sind.

Die kriselnde Bahn hat vor allem mit der maroden Infrastruktur zu kämpfen, die jeden Tag die Züge ausbremst. Verspätungen, Zugausfälle und Frust bei den Fahrgästen sind die Folge. Und weil nahezu jedes Eck des mehr als 33 000 Kilometer langen Schienennetzes der DB betroffen ist, wird es absehbar noch sehr lange dauern, bis sich die Situation grundlegend verbessern wird. Große Hoffnungen setzt die Bahn in die grundlegende Sanierung von mehr als 40 besonders wichtigen Strecken bis 2036.

Das nächste Problem ist eng mit der Infrastruktur verbunden: Die Pünktlichkeit im Fernverkehr lag im August bei nur knapp 60 Prozent. Vor allem an wichtigen Knoten sammeln die Züge regelmäßig Verspätung ein, Störungen und Baustellen machen einen reibungslosen Betrieb kaum möglich. Nahezu jeder Fernverkehrszug muss auf seiner Reise durch das Land derzeit durch mindestens eine Baustelle fahren.

Auch die wirtschaftlichen Zahlen sehen seit Jahren nicht gut aus. Zuletzt verbesserten sie sich zwar, am Ende des ersten Halbjahres 2025 stand aber weiterhin ein dickes Minus von 760 Millionen Euro. Um den Konzern wirtschaftlicher aufzustellen, sollen Tausende Stellen gestrichen werden. Damit steht auch die Verwaltung des riesigen Konzerns vor vielen Veränderungsprozessen – schlecht gemanagt ist so etwas ein typischer Grund für Unruhe in einem Unternehmen.

Viel zu tun also für die neue Bahnchefin, die trotz ihrer schon jetzt bedeutenden Aufgabe als Regio-Chefin zuletzt wenig öffentlich in Erscheinung trat. Bereitete sich die gebürtige Bozenerin womöglich schon länger auf den Sprung an die Konzern-Spitze vor?

Die Rückendeckung des zuständigen Ministers dürfte Palla jedenfalls in den nächsten Monaten haben. Doch reicht das, um die Bahn wieder nach vorne zu bringen? Für die Grünen, die Palla mit ihrer Führungserfahrung für eine gute Wahl halten, eher nicht: »Ohne deutlich bessere Rahmenbedingungen wird auch Frau Palla nicht erfolgreich sein können«, sagte deren Verkehrsexperte Matthias Gastel der »Rheinischen Post«. »Dazu gehört die auskömmliche und mittelfristig verlässliche Finanzierung der Infrastruktur.«

Wenn Palla am Montag in Berlin offiziell als neue Bahn-Chefin vorgestellt wird, will Verkehrsminister Schnieder auch eine neue Eigentümer-Strategie für den DB-Konzern präsentieren. Sie dürfte der Leitfaden sein, an dem sich die designierte neue Chefin, die über einen Triebfahrzeugführerschein verfügt, orientieren muss. Über die Inhalte wurde bisher nicht viel bekannt. Es gilt aber als sicher, dass der Bund die Bahn enger an die Leine nehmen wird als in den vergangenen Jahren.

»Die Bahn muss pünktlich, sicher und sauber sein«, sagte Schnieder zuletzt. Zudem müsse der Konzern »schneller, schlanker, schlagkräftiger und auch wirtschaftlicher« werden. Derzeit sei die Lage »dramatisch«. dpa/nd

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