»Wir müssen unsere Probleme endlich selbst lösen«

Der arabische Raum hadert beim Umgang mit den Huthi im Jemen

  • Oliver Eberhardt, Kairo
  • Lesedauer: 3 Min.
Mitglieder einer Ehrengarde tragen Särge während einer Beerdigung für Huthi-Militärs, die in der vergangenen Woche bei einem israelischen Luftangriff getötet wurden.
Mitglieder einer Ehrengarde tragen Särge während einer Beerdigung für Huthi-Militärs, die in der vergangenen Woche bei einem israelischen Luftangriff getötet wurden.

Die Blicke richten sich auf den Fernseher. Dort sendet der Nachrichtensender Al-Dschasira gerade Bilder aus dem Jemen. Hier in Kairo ist der Krieg näher, als die rund 2000 Kilometer Distanz vermuten lassen. Da ist das Leid der Menschen. Die Dissonanz zwischen den teuren Waffen, die es ganz offensichtlich reichlich gibt, und den Nahrungsmitteln, die trotzdem Mangelware sind.

Die Meinung ist hier ganz klar: »Wir hier im Nahen Osten müssen endlich anfangen, unsere Probleme selbst zu lösen«, sagt Mansur Schukri, der wie viele hier für die Stadtverwaltung arbeitet. Es ist gerade Mittagspause.

Vertrauen in den Westen ist verloren gegangen

Trump war in Großbritannien, das war auch hier ein Thema, vor allem, weil man dem US-Präsidenten und seinem Team nicht vertraut. Vor einigen Jahren noch wurden die USA und deren Regierung ebenso wie die Regierungen in Europa von der säkularen Mittelschicht als Partner, als Verbündete gesehen. Heute ist davon nicht mehr viel übrig. Gaza, der Jemen, Syrien, auch der Irak, wo die USA aus hiesiger Sicht einen Trümmerhaufen hinterlassen haben, haben das Vertrauen zerstört: »Wir haben viel zu viele Kriege in unserer Gegend, in denen der Westen mitmischt. Die Rechnung dafür bezahlen wir Araber.«

Der Druck auf arabische Regierungen wie jener in Ägypten ist stark gestiegen: Nach Kriegsausbruch war Ägyptens Militär einige Jahre lang an einer mittlerweile abgewickelten Militärallianz unter Führung Saudi-Arabiens beteiligt. Mit Luftangriffen auf Ziele im Nord-Jemen versuchte man, die Truppen der jemenitischen Regierung zu unterstützen, vergeblich. Die Militärallianz war ein Debakel. Bei Angriffen wurden auch belebte Märkte und Schulen getroffen. In einigen Fällen wurden hunderte Zivilisten auf einmal getötet. Das Ergebnis: Im Jemen stieg die Unterstützung für die Huthis. Im Ausland kippte die öffentliche Meinung.

Araber rücken von den Huthi ab

Doch nun haben sich die Rahmenbedingungen aus Sicht vieler in der Region verändert. Raschad al Alimi, Vorsitzender des jemenitischen Präsidialrats und damit Staatsoberhaupt, stellt die Huthi-Bewegung in Interviews immer wieder als vom Iran gesteuerte Terror-Organisation dar und trifft damit einen Nerv. Auch arabische Diplomaten und Regierungsmitarbeiter betonen mittlerweile, dass die Organisation eine Bedrohung für die gesamte Region darstellt.

Dass sich Regierung und Öffentlichkeit in Ägypten so stark für den Jemen interessieren, liegt auch an der eigenen Wirtschaft. Die Einnahmen aus dem Suezkanal machen einen wichtigen Teil des Staatshaushaltes aus. Die Angriffe der Huthi auf Schiffe im Roten Meer haben allerdings dazu geführt, dass eine große Zahl an Schiffen die lange Route rund um Afrika wählt. Die Folge sind höhere Preise und, nach Angaben der ägyptischen Regierung, bis zu sieben Milliarden US-Dollar weniger Einnahmen aus dem Suezkanal allein im Jahr 2024.

Ägyptens Wirtschaft leidet unter Angriffen auf Schiffe

In Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten befürchtet man derweil, dass die Huthi auch verstärkt Ziele dort angreifen könnten. Raketeneinschläge gab es in der Vergangenheit immer wieder.

Die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einem erneuten Kriegseintritt der arabischen Staaten zur Unterstützung der al-Alimi-Regierung kommen wird, ist also hoch. Gleichzeitig heißt es aus den wichtigsten Regierungen der Region, dass man an den, meist im Oman geführten, Verhandlungen festhalten wolle, auch wenn man insgesamt wenig Hoffnung habe.

Von Zeit zu Zeit entsteht in den Gesprächen aber auch der Eindruck, dass man eine Machtbeteiligung der Huthi eher ablehnt.

Denn da ist auch das Thema Iran. Die militärische Unterstützung der Huthi durch die Revolutionsgarden wird von der saudischen Regierung auf »mehrere Milliarden US-Dollar« im Jahr geschätzt. Es sei ganz klar, dass die Führung in Teheran auch weiterhin versuche, sich an strategisch wichtigen Punkten in der Region zu positionieren, kommentierte die saudische Zeitung »Al Watan« Anfang September und forderte »ein klares Signal aller arabischen Staaten«.

Wir stehen zum Verkauf. Aber nur an unsere Leser*innen.

Die »nd.Genossenschaft« gehört denen, die sie lesen und schreiben. Sie sichern mit ihrem Beitrag, dass unser Journalismus für alle zugänglich bleibt – ganz ohne Medienkonzern, Milliardär oder Paywall.

Dank Ihrer Unterstützung können wir:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen in den Fokus rücken
→ marginalisierten Stimmen eine Plattform geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und weiterentwickeln

Mit »Freiwillig zahlen« oder einem Genossenschaftsanteil machen Sie den Unterschied. Sie helfen, diese Zeitung am Leben zu halten. Damit nd.bleibt.