Diplomatisches Kräftemessen um Palästina

Die ritualhafte Anerkennung eines eigenständigen palästinensischen Staats trifft auf Kritik, auch von links

  • Cyrus Salimi-Asl
  • Lesedauer: 4 Min.
Ein Bildschirm zeigt Israels UN-Botschafter Danny Danon während seiner Rede bei einer Generalversammlung der Vereinten Nationen.
Ein Bildschirm zeigt Israels UN-Botschafter Danny Danon während seiner Rede bei einer Generalversammlung der Vereinten Nationen.

Die UN-Generaldebatte in New York steht diese Woche ganz im Zeichen der Anerkennung eines eigenständigen palästinensischen Staats. Mittlerweile haben 151 von 193 UN-Mitgliedsstaaten Palästina anerkannt, zuletzt am Wochenende Großbritannien, Kanada, Australien und Portugal. Bei einer eigens dazu anberaumten Konferenz am Montag (Ortszeit, n. Red.) wollten weitere Staaten die Anerkennung formalisieren, darunter Frankreich und eventuell auch Belgien. Israel und die USA boykottierten die Veranstaltung. Auch Palästinenserpräsident Mahmud Abbas war nicht anwesend – weil die US-Regierung ihm ein Visum verweigerte, musste er per Videostream sprechen.

Initiiert wurde die Konferenz von Frankreich und Saudi-Arabien mit dem Ziel, die sogenannte Zweistaaten-Lösung wiederzubeleben. Die Bundesregierung bleibt derweil bei ihrer zurückhaltenden Position: »Für Deutschland steht die Anerkennung eines palästinensischen Staats eher am Ende des Prozesses«, betonte der deutsche Außenminister Johann Wadephul vor dem Abflug zur UN-Generaldebatte nach New York. »Aber ein solcher Prozess muss jetzt beginnen.«

Fragt sich nur: Wie, wenn niemand ernsthaft Druck auf Israels Regierung ausübt. Regelmäßig überhören bundesdeutsche Politiker die klare Ansage seitens der israelischen Regierung: Einen Palästinenserstaat werde es nie geben. Wadephul sollte zwar als Unterstützer einer Zweistaatenlösung an der Konferenz teilnehmen, dort aber keine neue Position der Regierung verkünden. Zuletzt war noch nicht einmal klar, ob Deutschland in der dreistündigen Veranstaltung überhaupt reden durfte.

Wenig Verständnis für die deutsche Haltung zeigt der palästinensische Botschafter in Deutschland, Laith Arafeh: »Die derzeitige Position Deutschlands – die Anerkennung auf die letzte Phase eines hypothetischen politischen Prozesses zu verschieben – ignoriert die brutale Realität«, erklärte er. Real sei allein »die gewaltsame Annexion, Auslöschung und Vertreibung durch Israel«. Doch, ganz Diplomat, schickt Arafeh seiner Kritik noch die Hoffnung hinterher, dass Deutschland, dem eine besondere Verantwortung zukomme, sich der weltweiten Mehrheit anschließen möge: »Palästina ist ein besetzter Staat, bewohnt von einem Volk, dem seit Langem das Recht auf Selbstbestimmung verweigert wird.«

Auch die Linkspartei fordert, dass die Bundesregierung endlich ihren Sonderweg verlässt und dem Beispiel von Staaten wie Großbritannien folgt: »Die Bundesregierung muss endlich das Richtige tun: Palästina ebenfalls anerkennen, ein vollständiges Waffenembargo verhängen und sich nicht weiter gegen die Suspendierung des Assoziierungsabkommens der EU mit Israel sperren«, sagte Lea Reisner, Sprecherin für internationale Beziehungen der Fraktion Die Linke im Bundestag. Die israelische Regierung zementiere die »dauerhafte Besatzung« und treibe die »gewaltsame Vertreibung der Palästinenser*innen« voran. »Wer dieses Vorgehen noch immer verteidigt, verschließt die Augen vor der grausamen Realität«, schließt Reisner.

Dass sich mit der Anerkennung eines Staates Palästinas erst mal nichts ändert, ist auch den Unterstützern einer Zweistaaten-Lösung sehr wohl bewusst. Doch allein der Umstand, dass Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu tobt und die Anerkennung eines palästinensischen Staats als »Belohnung für die Hamas« bezeichnet, spricht dafür, dass dieser Schritt nicht ganz wirkungslos wäre.

Doch es gibt auch scharfe Kritik von links: »Genau die Länder, die jetzt ihre Absicht bekunden, Palästina in den kommenden Tagen anzuerkennen, haben den Völkermord an denselben Menschen ermöglicht, deren Recht auf Selbstbestimmung sie nun verspätet anerkennen, und tun dies auch weiterhin«, schreibt Aida Tuma-Souleiman, Abgeordnete der sozialistischen Partei Hadasch im israelischen Parlament, in einem Beitrag für Jacobin. Sie befürchtet, der bloße Akt der Anerkennung diene nur der Selbstentlastung westlicher Unterstützer Israels, die die wegen des Massakers im Gazastreifen und der Gleichgültigkeit der eigenen Regierenden aufgebrachte Bevölkerung ruhigstellen wollten.

»Anerkennung ist ein wichtiger Schritt, aber auch sie muss in Taten umgesetzt werden«, so Tuma-Souleiman, zum Beispiel »mit Sanktionen gegen die permanente illegale Besetzung des anerkannten Staates«. Spanien, Irland und Slowenien hätten bereits erste Schritte unternommen. Aber die Europäische Union als Ganze versage, »da sie nicht in der Lage ist, ein Waffenembargo zu verhängen«.

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