Großbritannien, Kanada und Australien erkennen Staat Palästina an

Weitere Länder wie Frankreich und Portugal wollen nachziehen

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Weltweit wird Palästina als Staat anerkannt, nur der selbsternannte Westen sträubt sich. Doch die Mauer der Ablehung bröckelt.
Weltweit wird Palästina als Staat anerkannt, nur der selbsternannte Westen sträubt sich. Doch die Mauer der Ablehung bröckelt.

London. Großbritannien und Kanada haben als erste große westliche Wirtschaftsnationen die Anerkennung eines palästinensischen Staates beschlossen. Das gaben die Premierminister Keir Starmer und Mark Carney kurz vor Beginn der UN-Generaldebatte in New York bekannt. Dort wollen weitere westliche Nationen wie Frankreich und Belgien nachziehen – trotz Warnungen Israels, die Anerkennung eines Palästinenser-Staates komme einer »Belohnung für die Hamas« gleich.

Nahezu zeitgleich zur Bekanntgabe Großbritanniens und Kanadas verkündete auch Australiens Regierungschef Anthony Albanese, einen Palästinenser-Staat formal anzuerkennen. Portugal wollte dies noch am Sonntagabend tun.

Großbritannien will Druck auf Israel ausüben

Starmer hatte Israel bereits Ende Juli mit der Anerkennung eines palästinensischen Staates gedroht. Damals machte er die Entscheidung noch davon abhängig, ob Israel seinen Kurs im Gaza-Krieg ändern würde.

Großbritannien fordert unter anderem eine sofortige Waffenruhe sowie mehr humanitäre Hilfe für die not- und hungerleidende Bevölkerung im Gazastreifen. Die Debatte über die Anerkennung eines Palästinenser-Staates sei Teil eines Gesamtpakets, »das uns hoffentlich aus der derzeitigen, schrecklichen Situation heraus und hin zu einem sicheren Israel, das wir nicht haben, und einem lebensfähigen palästinensischen Staat führt«, sagte Starmer jüngst.

Kanada bevorzugt Zweistaatenlösung

Kanada verfolge im Nahost-Konflikt weiter die Zweistaatenlösung, erklärte Carney. Die israelische Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu arbeite systematisch daran, die Entstehung eines palästinensischen Staates zu verhindern. Deswegen erkenne Kanada nun als Teil einer internationalen Initiative einen palästinensischen Staat an, um die Perspektive einer Zweistaatenlösung zu erhalten.

Die USA sind Israels engster Verbündeter und lehnen – wie Deutschland – die Anerkennung eines palästinensischen Staates zu diesem Zeitpunkt ab. Deutschlands Außenminister Johann Wadephul bekräftigte zuletzt die Position der Bundesregierung, »dass ein Palästinenser-Staat jetzt nicht anzuerkennen ist, aber dass eine Zweistaatenlösung möglich sein muss«.

Netanjahu will keinen Palästinenserstaat

Mit der sogenannten Zweistaatenlösung ist die Errichtung eines unabhängigen palästinensischen Staates gemeint, der friedlich Seite an Seite mit Israel existieren soll. Sie gilt als das international anerkannte Ziel für eine Lösung des Nahost-Konflikts.

Netanjahu hatte die Idee eines entmilitarisierten palästinensischen Staates einst ebenfalls unterstützt, rückte dann jedoch davon ab. Seine gegenwärtige rechtskonservative Regierung lehnt eine Zweistaatenlösung strikt ab. Sie steht auf dem Standpunkt, ein palästinensischer Staat gefährde Israels Existenz und wäre eine »Belohnung« für die islamistische Terrororganisation Hamas nach dem beispiellosen Massaker in Israel am 7. Oktober 2023.

Israel treibt Siedlungsausbau voran

Netanjahus Regierung treibt gleichzeitig den Siedlungsausbau im Westjordanland und in Ost-Jerusalem stetig voran. In den Gebieten leben mehr als 700 000 Siedler neben rund drei Millionen Palästinensern. Die Palästinenser beanspruchen sie ebenso wie den Gazastreifen für ihren eigenen Staat.

Durch Israels fortschreitende Besiedlung bliebe davon jedoch schon heute nur ein »Flickenteppich« übrig. Insofern kommt der Vorstoß Großbritanniens und anderer einflussreicher Länder de facto einer eher symbolischen Anerkennung eines Staates ohne Land gleich. Auch der britische Vize-Premier David Lammy räumte bei Sky News ein, eine Anerkennung bedeute nicht, dass über Nacht ein palästinensischer Staat entstehen werde.

Radikale beider Seiten wollen keine Lösung

Gleichzeitig drängen ultrarechte israelische Minister massiv zu einer Ausweitung des israelischen Staatsgebiets und zur Annexion von großen Teilen des Westjordanlands und des Gazastreifens. Finanzminister Bezalel Smotrich hatte angedroht, Israel könnte sich als Reaktion auf die Anerkennung rund 80 Prozent des Westjordanlands einverleiben.

Auch die Hamas, die 2007 gewaltsam die alleinige Kontrolle im Gazastreifen an sich gerissen hatte, lehnt eine Zweistaatenlösung ab. Sie will Israel zerstören und stattdessen einen islamischen Staat auf dem gesamten Gebiet des historischen Palästina errichten.

Die gemäßigtere Palästinensische Befreiungsorganisation PLO, die im Westjordanland die Autonomiebehörde dominiert und international die Interessen der Palästinenser wahrnimmt, befürwortet hingegen die Zweistaatenlösung.

Mehrheit der Staaten erkennt Palästina an

Der Vorstoß, die Woche der UN-Generaldebatte für die Anerkennung eines palästinensischen Staates zu nutzen, war Ende Juli von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron gekommen. Wadephul will an der dafür von Frankreich organisierten Konferenz an diesem Montag auch teilnehmen.

Weltweit haben bereits fast 150 der 193 UN-Mitgliedsstaaten einen palästinensischen Staat anerkannt. Aus palästinensischer Sicht ist aber gerade die Entscheidung mehrerer führender westlicher Staaten von besonderer Bedeutung. Wenn nach Großbritannien wie geplant auch Frankreich folgt, dann haben einschließlich Russland und China vier der fünf UN-Vetomächte einen Palästinenser-Staat anerkannt – einzig die USA nicht. dpa/nd

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