Flughafen Domodedowo: Abflug in staatstreue Hände

Der Moskauer Flughafen Domodedowo soll nach der Verstaatlichung erneut privatisiert werden

  • Ewgeniy Kasakow
  • Lesedauer: 4 Min.
Der Airport Domodedowo war einst ein Symbol für gelungene Privatisierung. Doch die Betreiber waren dem russischen Staat ein Dorn im Auge.
Der Airport Domodedowo war einst ein Symbol für gelungene Privatisierung. Doch die Betreiber waren dem russischen Staat ein Dorn im Auge.

Viele Jahre lang galt der Moskauer Flughafen Domodedowo als Inbegriff gelungener Privatisierung in Russland. Früh streifte der Airport südlich der russischen Hauptstadt den sowjetischen Mief ab, zog mit gutem Management und Sauberkeit viele ausländische Airlines an und wurde zu Russlands größtem Flughafen.

Diese Zeiten sind vorbei. Seit der Pandemie und spätestens mit dem Krieg in der Ukraine sind die westlichen Airlines verschwunden. Und der Flughafen ist seit Juni wieder in staatlicher Hand, nachdem ein Gericht der Forderung stattgegeben hat, den nur noch viertgrößten Airport des Landes an den Staat zu übergeben.

Die Staatsanwaltschaft hatte dem Inhaber der Betreiberfirma Dimitri Kamenschtschik und Aufsichtsratschef Walerij Kogan vorgeworfen, Teil der »westlichen Strategie zur Schädigung der russischen Wirtschaft« zu sein. Die beiden Geschäftsmänner (Kamenschtschik soll laut »Forbes« 1,5 Milliarden US-Dollar schwer sein) sollen zwischen 2012 und 2013 unter dem Deckmantel der Schuldentilgung 18 Milliarden Rubel (rund 200 Millionen Euro) außer Landes geschafft haben. Außerdem sollen sowohl Kamenschtschik als auch Kogan ausländische Pässe besitzen. Somit dürfen sie kein »strategisches Unternehmen« kontrollieren, als das Domodedowo deklariert wurde.

Verstaatlichung nimmt an Fahrt auf

Seit einigen Jahren revidiert der russische Staat immer häufiger die Ergebnisse der postsowjetischen Privatisierungswelle und greift auch nach den Resten westlicher Unternehmen, die nach Kriegsbeginn das Land verlassen haben. In den ersten neun Monaten des laufenden Jahres zog der Staat laut der Wirtschaftszeitung »Wedomosti« Unternehmensanteile und Vermögenswerte mit einem Gesamtvolumen von mehr als 2,4 Billionen Rubel (24 Milliarden Euro) ein. In den Jahren 2023 und 2024 waren es 1,9 und 1,1 Billionen Rubel (19 und elf Milliarden Euro), 2022 lag das Volumen bei 440 Milliarden Rubel (4,4 Milliarden Euro). Seit 2022 gingen demnach 122 Unternehmen im Wert von 5,9 Billionen Rubel (59,5 Milliarden Euro) in die Hände des Staates über. Für Aufsehen sorgte dabei der Fall des Unternehmens Danone Russland, das vom tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow übernommen wurde.

Die Verstaatlichung hat allerdings mindestens zwei Haken. So scheinen die Kriterien, nach denen ein Unternehmen als zu Unrecht privatisiert gilt und damit wieder an den Staat zurückgeht, recht willkürlich zu sein. Und Verstaatlichung heißt keineswegs die Rückgängigmachung der Privatisierung. Denn beim Staat verbleiben die Unternehmen in der Regel nicht lange, bevor sie an Personen aus dem Dunstkreis der Regierung weitergegeben werden. Wirtschaftsredaktionen kommen mit der Recherche der politischen, regionalen und familiären Kontakte der neuen Eigentümer kaum noch hinterher.

Eigentumsverhältnisse des Flughafens unklar

Auch im Fall von Domodedowo ist es nicht anders. Bereits 2005/2006 versuchte die Föderale Agentur für die Verwaltung des Staatsvermögens, den Flughafen vom Betreiber East Linie einzuziehen. Präsident Wladimir Putin kommentierte den Vorgang damals mit den Worten, dass der Staat kein erfolgreich funktionierendes Business kaputtmachen solle.

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Lange Zeit blieben die Eigentumsverhältnisse des Flughafens undurchsichtig. Bis der damalige Präsident Dmitri Medwedjew 2011 persönlich veranlasste, die Frage zu klären, wobei der Name Kamenschtschik erstmals in die Schlagzeilen geriet. Zu dieser Zeit tauchte auch der Putin-Vertraute Arkadij Rotenberg als Interessent auf, der bereits die Mehrheit am Konkurrenzflughafen Scheremetjewo besaß. Der Kauf kam wegen der hohen Forderungen Kamenschtschiks jedoch nicht zustande. Im Januar, als sich bereits die dunklen Wolken des Staates über Kamenschtschik und Kogan zusammenzogen, winkte Rotenberg ab.

Neuer Besitzer dürfte aus dem Regierungsumfeld stammen

Auch ohne Rotenberg will der Staat den Flughafen Domodedowo erneut privatisieren. Bis Jahresende soll der Verkauf an einen Investor abgeschlossen sein, so der Plan. Das soll offen geschehen samt Ausschreibung, damit Wettbewerb herrscht und man den Marktpreis erzielen kann, versicherte Finanzminister Anton Siluanow. Bisher haben Witalij Wanzew, Miteigentümer des dritten Moskauer Flughafens Wnukowo, und Rotenbergs Geschäftspartner Alexander Ponomarjew ihr Interesse geäußert. Medienberichten zufolge soll sich das Finanzministerium auch schon entschieden haben, für wen, ist nicht bekannt. Der Marktpreis von geschätzt 29 bis 35 Milliarden Rubel (293 bis 354 Millionen Euro) wird jedoch kaum überwiesen werden.

Für die Mitarbeiter bedeutet der doppelte Besitzerwechsel nichts Gutes. Schon bei der Verstaatlichung wurden die Gehälter radikal auf 20 Prozent gekürzt. Der Rest muss seitdem als »Prämie« verdient werden. Bis zu 500 Mitarbeiter sollen deshalb gekündigt haben. Unwahrscheinlich ist, dass sich ein neuer Betreiber sozialer zeigt.

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