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Ein olympiareifes Leben: Jürgen Holz
Mehr als fünf Jahrzehnte im Einsatz für »nd«: Zum Tod unseres ehemaligen Sportredakteurs
Olympia ist das Größte. Nicht nur für Sportler, sondern auch für die Berichterstatter. Moskau 1980, Seoul 1988, Albertville 1992, Athen 2004 – Jürgen Holz war viermal für »nd« bei den Spielen vor Ort. Dazu berichtete er von unzähligen Welt- und Europameisterschaften. Mehr als 50 Jahre war er unermüdlich für seine Zeitung im Einsatz, nun ist er im Alter von 81 Jahren gestorben.
Seine außergewöhnliche Karriere startete er 1967 mit einem Volontariat beim »Deutschen Sportecho« in Berlin. Zuvor hatte er Schriftsetzer gelernt und sich zum Korrektor weiterqualifiziert. Akkuratesse, Sortiertheit, Genauigkeit – Zeit seines Berufslebens sollten ihn diese Eigenschaften prägen, neben seinem beinahe enzyklopädischen Sportwissen und seiner frechen Fröhlichkeit, die ihm bei Sportlern und Kollegen gleichermaßen Beliebtheit verschaffte.
Nach dem Volontariat beim »Sportecho« stieg der ehrgeizige Jungreporter umgehend zum stellvertretenden Abteilungsleiter auf. Schnell wurde man bei »Neues Deutschland« auf ihn aufmerksam: Kurz nachdem er 1973 ein Journalistik-Fernstudium an der Karl-Marx-Universität Leipzig begonnen hatte, wechselte er als 30-Jähriger zum Zentralorgan – der Ritterschlag für einen Sportjournalisten im sozialistischen Teil Deutschlands. Besser ging es nicht.
Während er abends für die Universität büffelte, machte er sich tagsüber einen Namen als Fachmann für Rudern und Ringen, später auch für Leichtathletik, Volleyball, Biathlon, Eishockey und Boxen. Er fuhr zu Titelkämpfen rund um den Globus. Die engen Grenzen, die die DDR ihren Bürgern setzte, konnte er in den Interflug-Maschinen mit Leichtigkeit überwinden – Seit an Seit mit den »Diplomaten im Trainingsanzug«. Ein Märchen war wahr geworden für einen Berliner Jungen aus einfachen Verhältnissen: die Mutter Verkäuferin, der Vater Tischler. 1978 schloss er sein Studium ab und reiste 1980 als Diplom-Journalist zu den Olympischen Sommerspielen in Moskau. Eine einzigartige Erfahrung im nd-Team mit sechs schreibenden Kollegen und zwei Fotografen.
Die Spiele von Los Angeles 1984 verpasste er wegen des Boykotts der Ostblockstaaten. Eine Enttäuschung, die aufgewogen wurde durch drei weitere Spiele, die er als nd-Reporter begleiten durfte: In Seoul erlebte er 1988 den Olympiasieg des Mittelgewichtsboxers Henry Maske, in Albertville 1992 Gunda Niemanns Eisschnelllauf-Gold. Bei den Sommerspielen von Athen 2004 beschrieb er die Medaillengewinne der Kanutin Birgit Fischer, die er bereits bei ihrem ersten Olympiasieg 1980 begleitet hatte. Ein Kreis schloss sich.
Als er 2009 offiziell in die Rente verabschiedet wurde, blieb er im Einsatz für »nd«. Im Sportressort schob er Sonntagsdienste und schrieb über die Berliner Eisbären. Schnell übernahm er ein zweites Feld: den nd-Ratgeber. Mehr als 15 Jahre betreute er diese feste Größe im Blatt. Ob Mietrecht, Rente oder Krankenkassen – der gewissenhafte Jürgen Holz bearbeitete auch die kompliziertesten Texte so, dass sie am Ende jeder verstehen konnte.
Anfang August meldete er sich und schrieb, dass er seinen Ratgeber-Beitrag diesmal nicht schaffe. Wir waren beunruhigt. Ende vergangener Woche teilte seine Familie mit, dass Jürgen nach kurzer, schwerer Krankheit in Brandenburg verstorben ist. Ein aufregendes Leben ist zu Ende gegangen. Wir trauern mit seiner Frau, seiner Tochter und den Enkelkindern – um unseren Kollegen und Freund. Mach’s gut, Jürgen, es war uns eine Ehre!
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