Kriminelle Intelligenz

Die Geschäftsgrundlage der Künstlichen Intelligenz ist der Urheberrechtsverstoß

Um in Konkurrenz mit Chinas KI-Modell DeepSeek zu bestehen, müssten Meta und Co. auf juristisch zwielichtige Mittel zurückgreifen, so das Argument der Tech-Firmen.
Um in Konkurrenz mit Chinas KI-Modell DeepSeek zu bestehen, müssten Meta und Co. auf juristisch zwielichtige Mittel zurückgreifen, so das Argument der Tech-Firmen.

»Jetzt ist ein guter Zeitpunkt, seinen Account zu löschen«, hieß es dieser Tage oft in den Sozialen Medien. Gemeint ist nicht der Zugang zum Streamingdienst »Disney+«, dessen Mutterkonzern nach der von Trump forcierten Absetzung des Comedian Jimmy Kimmel unter einbrechenden Abonnements litt und Kimmel unter dem Druck wieder auf Sendung gehen konnte. Der Aufruf galt dem wissenschaftlichen Online-Netzwerk »Academia.edu«, das seine Lizenzbedingungen so geändert hatte, dass alle Nutzer*innen fortan die umfassende und unwiderrufliche Einwilligung geben, den Inhalt ihrer Profile vollumfänglich vom Unternehmen nutzen zu lassen – für Werbezwecke ebenso wie zum Training der Künstlichen Intelligenz, mit der das Portal etwa Podcasts anbietet.

Die Buchkapitel, Artikel und Aufsätze, die weltweit Wissenschaftler*innen über die letzten 17 Jahre zur sozialmedial beschleunigten Wissenschaftskommunikation auf ihren Profilen hochgeladen hatten, sind also kostenloses Futter für eine Technologie, die sie als Autor*innen demnächst überflüssig machen soll. Die Rechtefrage zum geistigen Eigentum an den Forschungsinhalten hat die KI damit einfach überrumpelt. Steht KI eigentlich für Kriminelle Intelligenz? Wer zu Zeiten des Aufstiegs des Internets schon bewusst Medien konsumierte – als auf Musiktauschbörsen illegal Mp3s gehandelt und abgefilmte Kinoleinwände herunterzuladen waren –, erinnert sich an Kampagnen gegen Onlinepiraterie, wo etwa ein Kind dem Vater an der Gefängnismauer zuwinken musste, weil dieser sich eine CD gebrannt hatte.

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Für den Quantensprung an Fortschritt, der uns angeblich mit der KI ins Haus stehen soll, wollen wir aber mit den liberalen Schutzrechten mal nicht zu kleinlich sein. Wie sollen denn die Large Language Models sonst all die Inhalte bekommen, aus denen sie den Durchschnitt errechnen und uns damit Intelligenz vorgaukeln? Müssten die Entwicklerfirmen dafür bezahlen, würde sich das Geschäftsmodell in keinster Weise rentieren – schon gar nicht im Wettbewerb mit China, wie die Tech-Entrepreneurs zur Rechtfertigung gebetsmühlenartig betonen. Daher blickte man von den Schaltzentralen des Wagniskapitals auch sehr besorgt auf jüngste Klagen gegen Tech-Firmen wegen Urheberrechtsverstößen.

Bereits im April diesen Jahres kam heraus, dass etwa der Konzern Meta zum Training der eigenen KI-Anwendung auf die Piraterieplattform »Libgen« zugegriffen hatte, also die Künstliche Intelligenz an allen Urheberrechtsregelungen vorbei mit einer Unmenge an raubkopierten Büchern versorgte. Die Zeitung »The Atlantic« stellte online ein Werkzeug zur Verfügung, mit dem Autor*innen testen konnten, ob ihre Bücher auch ohne jegliche Kompensation in die KI übergegangen sind – und entsprechend klagen könnten.

Jüngst zahlte das Startup-Unternehmen Anthropic 1,5 Milliarden Dollar, um eine solche Sammelklage wegen Urheberrechtsverletzung von Autor*innen abzuwenden, wie die »Tagesschau« berichtete. Solche Summen dürften nur Bruchteil von dem sein, um was es in dem Betrug zur Anreicherung jener Maschine geht, auf die sich global die Finanzspekulation konzentriert. Für einen kurzen Moment scheint es möglich, dieses Geschäft mit dem guten alten liberalen Recht zu verpfuschen. Kein Wunder also, dass der Aufstieg der Techoligarchie mit der Demontage des Liberalismus einhergeht.

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