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Dutzende Gaza-Flotten-Aktivisten aus Israel abgeschoben
Auswärtiges Amt: 14 Deutsche sitzen in israelischer Haft
Berlin. Nach dem Stopp der Gaza-Hilfsflotte durch die israelische Marine sind dutzende pro-palästinensische Aktivisten aus Israel abgeschoben worden. Wie das israelische Außenministerium am Samstag im Onlinedienst X mitteilte, wurden 137 weitere Aktivisten in die Türkei abgeschoben. Darunter seien Staatsangehörige aus den USA, Italien, Großbritannien, der Schweiz, Jordanien und mehreren anderen Ländern gewesen. Aus türkischen Diplomatenkreisen hieß es, es sollten am Samstag 36 Türken sowie Staatsangehörige aus zwölf weiteren Ländern per Sonderflug in Istanbul eintreffen.
Nach Angaben aus dem Auswärtigen Amt befanden sich 14 Deutsche von der »Global Sumud Flotilla« in Israel in Gewahrsam, die Hilfsgüter in den Gazastreifen bringen wollte. Die deutsche Botschaft Tel Aviv stehe mit den deutschen Staatsangehörigen und ihren Angehörigen in Kontakt und betreue sie konsularisch, hieß es aus dem Auswärtigen Amt auf AFP-Nachfrage weiter. Der deutsche Konsul habe sie am Freitag »im Ketsiot Gefängnis im Süden Israels« besucht.
Den Angaben zufolge sollen diejenigen, die eine freiwillige Abschiebung abgelehnt haben, innerhalb von 96 Stunden einem Richter vorgeführt werden. »Es ist davon auszugehen, dass diese Personen dann auch nach Deutschland abgeschoben werden«, verlautete aus dem Auswärtigen Amt.
Italiens Außenminister Antonio Tajani hatte zuvor mitgeteilt, dass »eine erste Gruppe von 26 Italienern« Israel in Richtung Istanbul verlassen werde. Sie seien zum israelischen Luftwaffenstützpunkt Ramon gebracht worden und würden vom südisraelischen Flughafen Eilat starten. Weitere 15 Italiener sollen demnach in den kommenden Tagen einem israelischen Richter vorgeführt und per Zwang abgeschoben werden.
Die Besatzung der »Global Sumud Flotilla« war im September mit rund 45 Schiffen von mehreren europäischen Häfen aus in See gestochen. Nach eigenen Angaben wollte sie die israelisch-ägyptische Seeblockade des Gazastreifens durchbrechen und humanitäre Hilfe in das Palästinensergebiet bringen. Das israelische Außenministerium nannte die Aktivisten hingegen »Provokateure« und bezeichnete den Schiffskonvoi als »Hamas-Sumud-Flottille«.
Mitgereist waren mehrere Prominente, darunter die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg, ein Enkel des verstorbenen früheren südafrikanischen Präsidenten Nelson Mandela, Mandla Mandela, und die französisch-palästinensische Europaabgeordnete Rima Hassan von der Linkspartei LFI.
Thunberg habe gegenüber schwedischen Repräsentanten über die harsche Behandlung in israelischer Haft gesprochen, berichtete die britische Zeitung »The Guardian«. Sie habe sowohl zu wenig Wasser als auch zu wenig Essen bekommen. Außerdem habe sie von Hautausschlägen berichtet, verursacht vermutlich von Bettwanzen. Sie habe lange Zeit »auf harten Oberflächen« gesessen. Die Zeitung berief sich dabei auf eine E-Mail des schwedischen Außenministeriums an Thunberg nahestehende Personen.
Andere Aktivisten gaben dem Bericht zufolge an, Thunberg sei an den Haaren geschleift und geschlagen worden. Man habe sie auch gezwungen, eine israelische Flagge zu küssen. Ähnliche Vorwürfe wurden auch mit Blick auf weitere propalästinensische Aktivisten geäußert.
Israels Außenministerium hat diese Vorwürfe scharf zurückgewiesen. In einer Stellungnahme hieß es: »Die Behauptungen über die Misshandlung von Greta Thunberg und anderen Inhaftierten der Hamas-Sumud-Flottille sind dreiste Lügen.« Alle Rechte der Inhaftierten seien »vollständig gewahrt« worden. Greta habe sich außerdem bei den israelischen Behörden über keine dieser absurden und haltlosen Anschuldigungen beschwert – weil sie nie stattgefunden haben.»
Der rechtsextreme Polizeiminister Itamar Ben Gvir sagte dagegen, er sei «stolz, dass wir die »Flotten-Aktivisten« wie Terrorunterstützer behandeln». Die Aktivisten und Aktivistinnen sollten die Haftbedingungen «deutlich zu spüren bekommen und sich zweimal überlegen, bevor sie sich wieder Israel nähern». Sein Fazit: «Wer geglaubt hat, hierherzukommen und einen roten Teppich und Fanfaren zu bekommen – der irrt sich.» In einer Mitteilung Ben Gvirs hieß es: «Wer Terror unterstützt, ist ein Terrorist und verdient die Bedingungen, die Terroristen zustehen.»
Die israelische Marine hatte seit Mittwoch ein Schiff nach dem anderen auf See abgefangen. Die Boote mit mehr als 400 Menschen an Bord wurden demnach davon abgehalten, den palästinensischen Küstenstreifen zu erreichen. Am Freitag wurden vier Aktivisten aus Italien abgeschoben, die ersten von hunderten Festgenommenen.
Zuvor hatte Israel wiederholt deutlich gemacht, dass ein Anlegen der Boote im Gazastreifen nicht erlaubt werde. Ein Angebot Israels, die Hilfsgüter über den israelischen Hafen Aschdod in den Gazastreifen zu bringen, hatten die Organisatoren der Flotte abgelehnt, auch ein ähnliches Angebot Italiens schlugen sie aus.
International löste das Vorgehen Israels geteilte Reaktionen aus: Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan bezeichnete das Vorgehen der israelischen Marine als «erneuten Beweis für die Brutalität Israels». Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni kritisierte dagegen den Versuch der Aktivisten, den Gazastreifen zu erreichen.
Israel riegelt das Palästinensergebiet vom Meer aus strikt ab. Dies war 2007 nach der Machtübernahme der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas eingeführt worden und wird auch von Ägypten mitgetragen, das im Süden an den Küstenstreifen grenzt. Die Blockade dient nach israelischer Lesart auch dazu, Waffenlieferungen an die Hamas zu unterbinden. Völkerrechtsexperten zweifeln jedoch die Rechtmäßigkeit an, zumal es sich bei der Gaza-Flottille um zivile Schiffe handelt, die humanitäre Güter transportieren. Agenturen/nd
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