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Flugverbot über allen Atomanlagen gefordert
Atomkraftgegner sehen Gefahren nicht nur durch Drohnen
Die sich häufenden Sichtungen von Drohnen über Flughäfen, militärischen Anlagen und Industrieparks beunruhigen auch Atomkraftgegner im Wendland. Sie fordern deshalb jetzt ein Überflugverbot für die Atomanlagen in Gorleben und an allen weiteren Standorten. Es soll ausnahmslos für alle oberirdischen kerntechnischen Einrichtungen sowie für Atomtransporte gelten.
Im Gorlebener Wald befinden sich zwei Zwischenlager für Atommüll. Eines enthält 113 Castor-Behälter mit hoch radioaktiven Abfällen, im anderen stapeln sich Fässer mit schwach und mittelradioaktiven Rückständen aus Atomkraftwerken, Kliniken und Forschungseinrichtungen.
Zuletzt hatten Drohnensichtungen unter anderem in Dänemark für Störungen des Betriebs von Flughäfen gesorgt. Auch in Deutschland hat das eine Debatte über Abwehrmaßnahmen bis hin zu möglichen Abschüssen der unbemannten Flugkörper entfacht. Allerdings gab es auch schon in der Vergangenheit Drohnenalarm. So überflogen ferngesteuerte Objekte im Herbst 2024 mehrmals ein Industriegebiet und das Gelände des stillgelegten Atomkraftwerks im schleswig-holsteinischen Brunsbüttel, wo ebenfalls Atommüll lagert.
Die mit der Sache betraute Staatsanwaltschaft Flensburg stellte die Ermittlungen zu diesen Vorfällen ein, weil weder Start- noch Landepunkte der Drohnen identifiziert werden konnten. »Nachdem herausgefunden wurde, dass einige Drohnenüberflüge tatsächlich stattgefunden haben, hat man versucht, Täter zu ermitteln. Das ist jedoch nicht gelungen, und damit war das Verfahren einzustellen«, erklärte die Behörde. Ermittelt hatte sie wegen des Verstoßes gegen das Luftverkehrsgesetz und Sabotage.
Vorfälle schon in der Vergangenheit
Auch in Gorlebens Nachbardorf Vietze sorgte eine Drohne schon für Unruhe. »Am 31. März saß ich kurz nach 23 Uhr noch am Laptop, als mich ein näher kommender und außergewöhnlicher Lärm aufmerksam werden ließ«, berichtete der Ingenieur Arno Freihold. »Nach wenigen Sekunden raste ein riesiger Schatten mit mehreren Metern Spannweite im Tiefflug über den Westteil des Hauses.« Es sei gut zu erkennen gewesen, dass es sich um ein Objekt mit Delta-Flügeln gehandelt habe.
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Die Flughöhe der mutmaßlichen Drohne schätzte Freihold auf »unter 300 Meter«. Das Flugobjekt habe keine Positionslichter gehabt, jedoch »kaltweiße Leuchten« am Heck. »Die Geschwindigkeit konnte ich nur grob schätzen als autobahnähnlich oder wie ein Sportflieger.« Auch etliche Nachbarn hätten das Getöse gehört, so Freihold.
Ein Überflugverbot dürfe nicht auf Drohnen und unbemannte Flugobjekte beschränkt werden, sondern müsse auch für Militärjets und Passagiermaschinen gelten, fordert Wolfgang Ehmke von der Bürgerinitiative (BI) Umweltschutz Lüchow-Dannenberg gegenüber »nd«. Er berichtet, dass in der vergangenen Woche, als er sich mit einer Gruppe Studierender der Universität Neubrandenburg zu einem Infogespräch getroffen habe, Kampfjets der Bundeswehr die Gorlebener Atomanlagen überflogen hätten.
Gefahr auch durch deutsche Kampfjets
Die Bürgerinitiative bemängelt seit Jahren, dass die Sicherheitsstandards insbesondere der deutschen Atommüllzwischenlager nicht mehr zeitgemäß seien. Die Sicherung der Lager hinke den existierenden Bedrohungsszenarien hinterher. »Der geplante Bau einer zehn Meter hohen Mauer um die Castor-Halle in Gorleben herum, deren Deckenstärke aber lediglich 20 Zentimeter beträgt, kann hier nicht die Antwort sein«, sagte Ehmke. Auch ein Überflugverbot sei allenfalls »ein erster Schritt« zu mehr Sicherheit.
Angesichts der jüngsten Bedrohungen durch Drohnen verlangen Anti-Atomkraft-Initiativen eine Absage der mehr als 150 geplanten Castor-Transporte vom Forschungszentrum Jülich ins Zwischenlager Ahaus.
Unterdessen hat der Grünen-Bundestagsabgeordnete Harald Ebner anlässlich des bevorstehenden Neugenehmigungsverfahrens für das zentrale Zwischenlager für hoch radioaktiven Abfall in Gorleben die Bundesregierung gefragt, ob neue Angriffsszenarien mit Drohnen dabei berücksichtigt würden. Das Bundesumweltministerium verweist in seiner Antwort auf die allgemein bekannte geltende Rechtslage.
Dies findet Ebner bedenklich. »Die fehlende Zusicherung, diese Szenarien zu berücksichtigen, hinterlässt nicht nur in den Standortgemeinden ein Gefühl der Verunsicherung«, erklärte er. Die Bundesregierung müsse »angesichts technologisch neuer Bedrohungsszenarien deutlich massiver auf zusätzliche Sicherheitsbemühungen setzen«, fordert der Politiker. Zumal, so Ebner, das Gorlebener Verfahren Vorbild für eine »substanziell verlängerte Zwischenlagerung von Castoren in mindestens 14 weiteren deutschen Zwischenlagern für hoch radioaktive Abfälle« werden solle.
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