- Politik
- Russland und Aserbaidschan
Alle wollen den DHL-Bomber
Die Causa Jaroslaw Michailow belastet die Beziehungen zwischen Moskau und Baku
Jaroslaw Michailow bleibt vorerst in Aserbaidschan. Dabei hat der 37-Jährige in den vergangenen Wochen für etliche diplomatische Spannungen und die ehemalige Sowjetrepublik zum Anlaufpunkt von Geheimagenten aus Ost und West werden lassen.
Beide Seiten fordern von Baku die Auslieferung Michailows. Denn der im südrussischen Gebiet Rostow geborene Mann soll einem Bericht der »Washington Post« zufolge hinter den Anschlägen auf die Lagerräume des Paketdienstes DHL an den Flughäfen Birmingham, Leipzig und Warschau im Juli 2024 stehen. Die Sendungen waren alle in Litauen aufgegeben worden. Die EU sieht dahinter einen Test russischer Geheimdienste für die Sabotage von Frachtschiffen, die den Atlantik überqueren.
Michailow soll hinter DHL-Anschlägen stecken
Polen, Großbritannien, Litauen und auch die Ukraine wollen deshalb die Auslieferung. Russland seinerseits schickt mit dem Inlandsgeheimdienst FSB, dem Auslandsgeheimdienst SWR und Militärgeheimdienst GRU gleich drei Schlapphutagenturen in die Spur, die Michailow zurückholen sollen.
Michailow ist in kriminellen Kreisen kein Unbekannter. In den Jahren 2025 und 2016 soll er mehrfach mit gefälschten ukrainischen Pässen in die Ukraine, auch in die umkämpften Gebiete im Osten, gereist sein. Im Dezember 2015 fingen die Rosttower Behörden an, wegen Sprengstoffschmuggel gegen ihn zu ermitteln, 2016 schrieb ihn der FSB zur Fahndung aus.
2022 wurde Michailow schließlich geschnappt, aber nicht verurteilt. Für viele Beobachter ein sicherer Hinweis auf die Zusammenarbeit Michailows mit dem Geheimdienst. Angeblich soll er später Kontakte zu einem vermeintlichen Mitglied der Hackergruppe Killnet, die russischen Geheimdiensten nahesteht, gepflegt haben.
Mit falschem Pass nach Aserbaidschan
Nach den DHL-Explosionen setzte sich Michailow nach Aserbaidschan ab, wieder mithilfe eines gefälschten Passes. Seitdem das aufflog, ermitteln aserbaidschanische Behörden gegen ihn. Michailow befindet sich weiter auf freiem Fuß, darf das Land aber nicht verlassen. Gegenüber Medien bestreitet der jegliche Schuld an den Anschlägen.
Die Causa Michailow platzt genau in eine Phase, in der Russland und Aserbaidschan sich nach einer schweren Krise wieder annähern. Nachdem im Dezember die russische Flugabwehr in Tschetschenien ein aserbaidschanisches Passagierflugzeug abschoss und dabei 38 Menschen tötete, eskalierte die Situation im Sommer.
In Russland kam es zu einer Verhaftungswelle innerhalb der aserischen Diaspora, in Baku wurden im Gegenzug Mitarbeiter der Nachrichtenagentur Sputnik sowie weitere russische Staatsbürger festgenommen. Beide Seiten gingen dabei äußerst brutal vor.
Moskau und Baku näherten sich gerade erst an
Im Oktober trafen sich die Präsidenten Wladimir Putin und Ilham Alijew in der tadschikischen Hauptstadt Duschanbe. Die Zeichen schienen auf Versöhnung zu stehen. Putin hat offiziell die Verantwortung Russlands für einen versehentlichen Abschuss anerkannt, beide Seiten bekräftigten ihre Bereitschaft zur politischen und ökonomischen Zusammenarbeit. Einige, doch längst nicht alle, Inhaftierte kamen danach frei.
Eine Verschlechterung der Beziehungen zu Russland scheint Alijew trotz allem nicht zu wollen. Beide Länder pflegen intensive Handelsbeziehungen, die jährlich wachsen. Russland ist für Aserbaidschan der wichtigste Abnehmer seiner landwirtschaftlichen Produkte. Gemeinsam mit dem Iran planen beide Länder den Ausbau des Nord-Süd-Korridors, um Waren von Russland an den Persischen Golf zu transportieren.
Jaroslaw Michailow bleibt vorerst in Aserbaidschan, auch wenn er jederzeit fürchten muss, ins Gefängnis gehen zu müssen. Gegenüber Medien wollen weder russische noch aserbaidschanische Behörden die Causa kommentieren.
Wir sind käuflich. Aber nur für unsere Leser*innen.
Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser*innen und Autor*innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen aufgreifen
→ marginalisierten Stimmen Raum geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten voranbringen
Mit »Freiwillig zahlen« machen Sie mit. Sie tragen dazu bei, dass diese Zeitung eine Zukunft hat. Damit nd.bleibt.