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Ehre für den Justizreformer
Sarg von Ex-Minister Robert Badinter ins Pantheon überführt
Auf Initiative und in Anwesenheit von Präsident Emmanuel Macron wurde am Donnerstagabend symbolisch der Sarg des ehemaligen Justizministers Robert Badinter feierlich ins Pariser Pantheon, die Ruhmeshalle der Nation, überführt. Diese Ehrung erfolgte auf den Tag genau 32 Jahre nach der Abschaffung der Todesstrafe, durch die der seinerzeitige Justizminister in die Geschichte eingegangen war.
In seiner Gedenkrede betonte Präsident Macron, dass Robert Badinter »die Ideale Frankreichs, der Revolution und der Republik« verkörpere und ins Pantheon einziehe mit den Prinzipien des Rechtsstaates und der Menschenwürde. Als Anwalt habe er immer hinter dem Angeklagten den Menschen gesehen, der – wie Victor Hugo formulierte – »besser werden kann« und sich Anspruch auf einen geachteten Platz in der Gesellschaft erwerben kann.
Die Erinnerung an die Guillotine im Gefängnishof und an den von ihm erfolglos verteidigten Mandanten, der »in zwei Teile zerhackt« wurde, hat ihn geprägt und den wichtigsten Kampf seines Lebens bestimmt. Dass in Frankreich die Todesstrafe abgeschafft wurde, ist ganz besonders Badinters Verdienst, unterstrich Macron. Heutzutage gelte es, sich in seinem Sinne für die Abschaffung weltweit einzusetzen.
Familie wurde Opfer des Antisemitismus
Robert Badinter wurde 1928 in Paris als Sohn jüdischer Einwanderer geboren, die vor den Pogromen in Russland geflohen waren. Nie hat er die Verhaftung seines Vaters 1943 in Lyon vergessen, der in ein KZ fern im Osten verschleppt und dort umgebracht wurde. Die Kinder und die Mutter überlebten den Krieg unter falschem Namen und versteckt durch mutige Franzosen.
Nach dem Krieg wurde Badinter Anwalt und später Professor für Strafrecht. Als er unter anderem für die Liga für Menschenrechte tätig war, kam er auch mit dem Problem der Todesstrafe in Berührung, die es in Westeuropa außer in Frankreich nur noch im Spanien des Diktators Franco gab.
Badinter wurde zum Anwalt der Todeskandidaten
In den 70er Jahren wurde Badinter in der breiten Öffentlichkeit dadurch bekannt, dass er in mehreren spektakulären Strafprozessen als Verteidiger zugunsten von Angeklagten auftrat, die zum Tode verurteilt wurden. Das konnte er manchmal, aber anfangs durchaus nicht immer abwenden.
Diese Erfahrungen machten ihn zu einem leidenschaftlichen Gegner der Todesstrafe, trotz der vielen Anfeindungen, denen er sich dadurch ausgesetzt hat. In diesem Sinne hat er auch seinen langjährigen Freund François Mitterrand beeinflusst. Obwohl Umfragen der Institute Ifop und Sofres zufolge 60 bis 65 Prozent der Franzosen für die Beibehaltung der Todesstrafe waren, betonte der linke Präsidentschaftskandidat 1981, dass er sie im Falle eines Wahlsieges abschaffen wolle.
1981 wird die Todesstrafe abgeschafft
Das war gewagt, trotzdem wurde Mitterrand zum ersten linken Präsidenten in der Geschichte Frankreichs gewählt und Badinter als Justizminister berufen. Am 17. September 1981 legte er in einer historischen Rede das Gesetz zur Abschaffung der Todesstrafe vor. Nach einer stürmischen Debatte wurde am 9. Oktober abgestimmt. Trotz des starken Widerstands rechter Abgeordneter votierte eine deutliche Mehrheit dafür.
Für das Gesetz setzten sich vor allem die Linken ein, aber auch einzelne rechte und Zentrumspolitiker wie die Ex-Premierminister Jacques Chirac und Raymond Barre. Am 19. Februar 2007 wurde auf Initiative von Badinter die Abschaffung der Todesstrafe auch in der Verfassung verankert. Dafür waren die Stimmen von drei Fünfteln der Mitglieder beider Kammern des Parlaments nötig, doch die kamen problemlos zusammen. So weit hatte sich inzwischen die öffentliche Meinung zu diesem Thema gewandelt.
Strafvollzug unter Badinter humanisiert
Als Justizminister setzte Badinter zudem zahlreiche Reformen des Justizsystems durch und ließ sich auch nicht durch Todesdrohungen, einen Bombenanschlag auf seine Wohnung und hasserfüllte Kampagnen rechtsextremer Politiker wie Jean-Marie Le Pen und der reaktionären Polizeigewerkschaften beirren. Badinter stärkte die Rechte von Häftlingen, verbesserte den Opferschutz und setzte sich für die Humanisierung des Strafvollzugs ein. Er schaffte die per Gesetz festgeschriebene Diskriminierung und Verfolgung von Homosexuellen ab und ebnete den Weg für die Jahre später ermöglichte Ehe gleichgeschlechtlicher Paare.
Später setzte er sich als Senator ganz besonders für den Kampf gegen den Antisemitismus ein. Bis ins hohe Alter war er eine moralische Stimme für Gerechtigkeit, Toleranz und Rechtsstaatlichkeit. Am 9. Februar 2024 starb Badinter im Alter von 95 Jahren. Doch die Auseinandersetzungen um seinen Kampf dauern an. Noch am Donnerstagmorgen wurde sein Grab auf dem Friedhof von Bagneux bei Paris verwüstet und mit antisemitischen Parolen beschmiert.
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