Widerstand gegen Abschiebeknast

Mönchengladbach: Bürger und Opposition versuchen, von Landesregierung geplante Haftanstalt zu verhindern

  • Bernhard Clasen
  • Lesedauer: 4 Min.
Auf dem ehemaligen Gelände der britischen Streitkräfte in Mönchengladbach soll ein neues Gefängnis für abgelehnte Asylsuchende entstehen.
Auf dem ehemaligen Gelände der britischen Streitkräfte in Mönchengladbach soll ein neues Gefängnis für abgelehnte Asylsuchende entstehen.

Nachdem Anfang dieses Jahres Pläne der Landesregierung in Düsseldorf bekannt geworden sind, in Mönchengladbach ein zweites Abschiebegefängnis in Nordrhein-Westfalen in mit 140 Plätzen zu bauen, regt sich in der Stadt Widerstand. Jetzt hat sich auch das vor Ort gut vernetzte »Bündnis für Menschenwürde und Arbeit« dem Bündnis »Abschiebegefängnis verhindern« angeschlossen.

Derzeit gibt es in NRW ein Abschiebegefängnis in Büren, dessen 175 Haftplätze in der Vergangenheit zu keiner Zeit vollständig belegt waren. Dennoch hat das von Josefine Paul (Grüne) geführte Familienministerium, das auch für »Flucht und Integration« zuständig ist, angekündigt, »mit Hochdruck« die Pläne umzusetzen, wonach »eine weitere Abschiebehaftanstalt so schnell wie möglich in Betrieb genommen werden« soll.

Im Haushaltsplan der Landesregierung sind 300 Millionen Euro für das Abschiebegefängnis reserviert. Das seit Anfang 2022 bestehende überregionale Bündnis »Abschiebegefängnis verhindern« bemüht sich um weitere Informationen zu den Planungen, hat bei den staatlichen Stellen aber nur wenig Erfolg.

»Statt in ein Haftsystem zu investieren, könnten diese Mittel für den Aufbau von Schulen, sozialer Infrastruktur, Integrationsangebote, Sprachkurse und Rückkehrberatung genutzt werden.«

Ute-Helene Becker Flüchtlingsrat Mönchengladbach

»Demokratisch ist das nicht, wie Behörden von NRW mit kritischen Anfragen unserer Initiative umgehen«, kritisiert Jennifer Springer vom Bündnis. Sieben Anfragen an die Stadt Mönchengladbach, die Bezirksregierung Düsseldorf, zuständige Ministerien in NRW sowie staatliche Firmen blieben weitgehend unbeantwortet. Zuletzt hat das Bündnis Klagen gegen den Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW und die Bezirksregierung Düsseldorf eingereicht, um doch noch die Herausgabe von Akten zu erwirken.

»Bereits zum dritten Mal müssen wir nun Informationen einklagen, die der Öffentlichkeit nach dem Informationsfreiheitsgesetz zustehen. Offensichtlich sollen die Planungen zum Bau des Abschiebegefängnisses soweit wie möglich geheim gehalten werden«, so Jennifer Springer. Auf das Bündnis werden durch die Klagen zusätzliche Kosten zukommen. »Günstig ist die Klagerei leider nicht. Wer Informationen will, muss auch noch tief in die Tasche greifen und die Klagen vorfinanzieren«, sagt Springer. Sie ist froh, dass das Bündnis in den vergangenen Monaten gewachsen ist und Unterstützung aus der Mönchengladbacher Zivilgesellschaft bekommt.

Seit Juni treffen sich die Aktiven regelmäßig. Aktuell wird eine Infoveranstaltung geplant. Das Bündnis lädt gemeinsam mit dem Flüchtlingsrat Mönchengladbach, der Viersener Ortsgruppe der Friedensorganisation IPPNW und der Citykirche am 29. Oktober um 18 Uhr in die Kirche am Alten Markt ein, um über die Pläne für Mönchengladbach zu informieren.

»In Mönchengladbach gibt es ein großes Potential sehr unterschiedlicher Kräfte, die ein Abschiebegefängnis ablehnen«, berichtet die Mönchengladbacherin Mara Sauer vom Bündnis gegenüber dem »nd«. »Zwar wird das Abschiebegefängnis von der grünen Flucht- und Integrationsministerin Josefine Paul vorangetrieben, doch die Gladbacher Grünen hatten in ihrem Programm für die Kommunalwahlen erklärt, dass sie dieses Gefängnis ablehnen«, sagt Sauer.

Engagieren sich gemeinsam gegen den neuen Abschiebeknast: Frank Gockel und Mara Sauer
Engagieren sich gemeinsam gegen den neuen Abschiebeknast: Frank Gockel und Mara Sauer

»Eine solche Einrichtung widerspricht unseren Grundsätzen einer humanen, rechtsstaatlichen und integrationsorientierten Migrationspolitik. (...) Abschiebehaft trifft oft Menschen, die sich nichts zuschulden kommen lassen haben, sondern lediglich aufgrund eines Verwaltungsakts inhaftiert werden«, hieß es im Kommunalwahlprogramm der Mönchengladbacher Grünen. Auch Die Linke hatte im Kommunalwahlkampf ihre Ablehnung deutlich gemacht.

»Die geplanten 300 Millionen Euro für das Abschiebegefängnis könnten deutlich sinnvoller eingesetzt werden«, sagte Ute-Helene Becker, die Vorsitzende des Mönchengladbacher Flüchtlingsrates, gegenüber »nd«. »Statt in ein Haftsystem zu investieren, könnten diese Mittel für den Aufbau von Schulen, sozialer Infrastruktur, Integrationsangebote, Sprachkurse und Rückkehrberatung genutzt werden.« Pro Asyl und der Flüchtlingsrat NRW wiesen zudem darauf hin, dass 50 Prozent der Abschiebehaft-Anordnungen rechtswidrig seien, so Becker.

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