Tram Ostkreuz droht die nächste Schleife

Fünfte Auslegung der Plan­feststellungs­unter­lagen für Neu­bau­strecke steht im Raum

Am 21. November soll die Straßenbahnlinie 21 zwischen Holtei- und Marktstraße das letzte Mal fahren.
Am 21. November soll die Straßenbahnlinie 21 zwischen Holtei- und Marktstraße das letzte Mal fahren.

»Es weiß keiner, wann die Straßenbahn eröffnet. Es weiß auch keiner, wann das Planfeststellungsverfahren abgeschlossen ist. Und es weiß auch keiner, ob die nächste Runde die letzte ist«, sagt BVG-Angebotsplaner Helmut Grätz auf die Frage, wie es mit der Straßenbahnlinie 21 am Ostkreuz weitergeht.

Bekanntlich soll die Linie 21 über eine rund 1,2 Kilometer lange Neubaustrecke durch die Friedrichshainer Sonntagstraße den Bahnhof Ostkreuz direkt anbinden. Derzeit verpasst sie auf der Boxhagener Straße den Bahn-Knotenpunkt um einige Hundert Meter. Doch auch bald ein Jahrzehnt nach dem ursprünglich angekündigten Eröffnungstermin für 2016 ist weiter unklar, wann das Planfeststellungsverfahren für die Strecke abgeschlossen sein wird und mit dem Bau begonnen werden kann.

»Nächste Runde«, dieser Begriff, den Helmut Grätz beim BVG-Fahrgastsprechtag des Berliner Fahrgastverbands IGEB am Montagabend im Betriebshof Lichtenberg nutzt, lässt aufhorchen. Denn bereits viermal sind die Unterlagen in dem seit acht Jahren laufenden Planfeststellungsverfahren ausgelegt worden. Und tatsächlich droht, dass sie überarbeitet und erneut ausgelegt werden müssen – ein fünftes Mal.

»Es laufen dazu Gespräche mit der Planfeststellungsbehörde«, bestätigt Andrea Paulo auf Nachfrage von »nd«. Es gehe darum, größtmögliche Rechtssicherheit für einen Planfeststellungsbeschluss zu bekommen, erläutert die BVG-Abteilungsleiterin für Infrastrukturprojekte bei U-Bahn und Straßenbahn. Denn es gibt erbitterte Gegner der Neubaustrecke, die jeden Schwachpunkt des Verfahrens nutzen würden, um eine Baugenehmigung juristisch anzugreifen.

Es ist eine unerwartete neue Wendung in der Geschichte um die Neubaustrecke zum Ostkreuz. Denn noch vor wenigen Wochen herrschte Zuversicht, dass man bereits im September Baurecht für die Verbindung bekommen könnte. »Was wir allerdings wissen, ist, dass die Straßenbahnlinie 21 zwischen Holtei- und Marktstraße nicht mehr mitmacht ab November«, sagt BVG-Mann Grätz. Am 21. November soll die Linie letztmals mit Fahrgästen auf dem rund 900 Meter langen Abschnitt unterwegs sein. Die rund 40 Jahre alten Gleise in diesem Teil von Boxhagener und Marktstraße sind so abgefahren, dass kein Linienbetrieb mehr zulässig wäre. Die Linie 21 wird ab diesem Datum zweigeteilt. »Dazwischen gibt es auch keinen expliziten Ersatzverkehr, sondern es gibt die Buslinie 240, die genau auf der Strecke fährt«, erläutert Grätz. Zwischen den Haltestellen Wismarplatz und Holteistraße wird eine Weiche eingebaut, damit die Straßenbahnzüge das Gleis wechseln können.

Entgegen früheren Aussagen der BVG wird das stadtauswärts führende Gleis in dem für den Fahrgastbetrieb gesperrten Abschnitt als Betriebsverbindung erhalten bleiben, wie aus Ausschreibungsunterlagen hervorgeht. Dadurch könnten weiterhin Straßenbahnen zwischen Marktstraße und Blockdammweg verkehren während des für 2026 geplanten Gleistauschs in der Karlshorster Ehrlichstraße. Nur in der heißen Phase der Anbindung des neuen Wendegleises am Blockdammweg, das ebenfalls kommendes Jahr gebaut werden soll, müssten dort Ersatzbusse fahren.

Doch es gibt auch erfreulichere Nachrichten aus dem BVG-Kosmos. »Die Einflottung läuft absolut nach Plan«, kann Felix Fischer zum Einsatz der neuen Züge vom Typ JK auf der Linie U2 berichten. Nach jahrelanger Verzögerung konnte der erste Acht-Wagen-Zug am 8. September feierlich in den Fahrgasteinsatz gebracht werden. Seitdem nimmt jede Woche ein weiterer Zug den Betrieb auf. Nur drei Tage dauere es von der Ablieferung durch den Hersteller bis zur Inbetriebnahme im Netz, erzählt Fischer stolz.

»Es weiß keiner, wann die Straßenbahn eröffnet.«

Helmut Grätz BVG-Angebotsplaner

Im sogenannten Kleinprofil, das die Linien U1 bis U4 mit ihren schmaleren Fahrzeugen umfasst, sei die Zuverlässigkeit um fast sieben Prozentpunkte auf knapp 95 Prozent gestiegen, berichtet BVG-Chef Henrik Falk. Im gesamten U-Bahn-Netz finden derzeit 97,3 Prozent aller geplanten Fahrten statt. Im zweiten Halbjahr 2024 lag dieser Wert bei 92 Prozent. Auch an der Oberfläche ist die BVG demnach zuverlässiger geworden. Bei der Tram stieg der Wert im Vergleichszeitraum von 95,8 auf 98,4 Prozent, beim Bus von 98,4 auf 99,1 Prozent – allerdings ist dort das Fahrtenangebot seit Dezember 2023 und weiterhin gegenüber der ursprünglichen Bestellung durch den Senat um 6 Prozent gekürzt worden. Mit seinem Mantra »Stabilität vor Wachstum« erteilt Henrik Falk möglichen Ausbauten des Angebots vor 2027 erneut eine deutliche Absage.

Vor der zweistündigen Vortrags- und Fragerunde in einem Versammlungsraum des Betriebshofs hatte die BVG die Besucher*innen des Fahrgast-Sprechtags auf die Gleisfläche eingeladen. Dort stand die Besichtigung des neuesten Straßenbahnmodells an: Mit fast 51 Metern ist der Urbanliner der bisher längste Fahrzeugtyp auf dem Berliner Tramnetz.

Drei Vorserienfahrzeuge sind inzwischen für Test- und Zulassungsfahrten im BVG-Netz unterwegs. Ursprünglich war der Fahrgasteinsatz für das Frühjahr 2025 angekündigt. Derzeit geht man davon aus, dass die Züge bis Jahresende tatsächlich den Betrieb auf der M4 aufnehmen können. Grund für die Verzögerungen seien eher viele kleine als wenige große Themen gewesen, heißt es. 65 Züge sind bisher fest bestellt, rund die Hälfte wird allein für die Linie M4 benötigt. Daher wird es noch rund drei Jahre dauern, bis eine weitere Linie umgestellt werden kann. Ein heißer Kandidat ist die M2.

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