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IWF: Weltwirtschaft trotzt den Schocks noch

Chefökonom warnt vor eskalierendem Handelskonflikt und fordert China zu neuem Wachstumsmodell auf

Laut Internationalem Währungsfonds hat der Handel durch die US-Zollpolitik bislang nicht abgenommen, aber er ist deutlich komplizierter und störungsanfälliger geworden.
Laut Internationalem Währungsfonds hat der Handel durch die US-Zollpolitik bislang nicht abgenommen, aber er ist deutlich komplizierter und störungsanfälliger geworden.

»Der Zollschock ist da und verschlechtert die ohnehin schwachen Wachstumsaussichten weiter«, warnte Pierre-Olivier Gourinchas, Chefökonom des Internationalen Währungsfonds (IWF), am Dienstag bei der Vorstellung des neuen Weltwirtschaftsausblicks. Die globale Wirtschaft durchläuft tiefgreifende Umwälzungen, deren Perspektiven düster bleiben. Dennoch hat sie sich bislang widerstandsfähig gegenüber den geo- und handelspolitischen Spannungen gezeigt.

Laut aktueller Wirtschaftsanalyse des IWF nimmt die weltweite Wirtschaftstätigkeit insgesamt aufgrund des Zollstreits zwischen den USA und China ab. Insbesondere Investitionen außerhalb des Technologiesektors sinken im Vergleich zum Vorjahr deutlich. Die IWF-Ökonom*innen erwarten, dass die weltweite Wachstumsrate von 3,3 Prozent im Jahr 2024 auf 3,2 Prozent 2025 und 3,1 Prozent 2026 sinkt. Diese Prognosen liegen 0,2 Prozentpunkte unter den Schätzungen von Oktober 2024.

Gourinchas stellte die Ergebnisse der IWF-Analyse auf der Jahrestagung mit der Weltbank in Washington, D.C., vor. Dort beraten Finanzminister*innen, Zentralbankvertreter*innen, Entwicklungs- und Finanzexpert*innen, Führungskräfte aus der Wirtschaft und Wissenschaftler*innen über globale Wirtschaftsentwicklungen sowie die Stabilität von Finanz- und Arbeitsmärkten. Die Konferenz begann am Montag und endet am Samstag.

Kurzfristige Faktoren stützen Wirtschaft

Stützen für die Weltwirtschaft sind derzeit primär kurzfristige Faktoren: vorgezogene Importe, um Handelsbeschränkungen zu umgehen, und Wachstumsimpulse im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI). Derzeit fließen hohe spekulative Investitionen aus öffentlicher und privater Hand in diesen Markt. Ob die Gewinnerwartungen erfüllt werden, bleibt jedoch ungewiss. Ökonom Gourinchas warnte am Dienstag vor einer Finanzblase.

Weltweit bleiben die Wachstumsraten zwischen den Regionen stark differenziert. Die fortgeschrittenen Volkswirtschaften weisen insgesamt eine gedämpfte Wachstumsrate von nur 1,6 Prozent auf. Das Wachstum der USA, der nach Bruttoinlandsprodukt größten Volkswirtschaft der Welt, dürfte sich im Jahr 2025 auf zwei Prozent verlangsamen, nach 2,8 Prozent im Vorjahr. Für 2026 prognostiziert der IWF 2,1 Prozent. Durch Handelskonflikte und die Migrations- und Abschiebepolitik der USA drohen Angebotsschocks. »Ein geringeres Arbeitsangebot erhöht den Druck auf den Arbeitsmarkt, treibt potenziell die Kosten und senkt die Produktion«, erklärte Gourinchas.

Den wichtigsten Motor für die globale Konjunktur stellen die Schwellen- und Entwicklungsländer dar, mit 4,2 Prozent Wachstum in diesem Jahr (2026: 4 Prozent). Dabei sticht Indien mit einer Prognose von 6,6 Prozent (2026: 6,2 Prozent) hervor. Eine Wachstumsbeschleunigung wird für die Region Naher Osten und Zentralasien erwartet, von 3,5 Prozent im Jahr 2025 auf 3,8 Prozent 2026. Die Wachstumsraten in Lateinamerika stagnieren voraussichtlich bei knapp 2,4 Prozent.

Der Zuwachs Chinas, der nach BIP zweitgrößten Ökonomie, sinkt von 4,8 Prozent im Jahr 2025 auf 4,2 Prozent im kommenden Jahr. Der Premierminister der Volksrepublik, Li Qiang, betonte am Dienstag bei einem Treffen vor Wirtschaftsvertreter*innen, dass China sich bemühen müsse, seine jährlichen Wachstumsziele von rund fünf Prozent zu erreichen. Neben Maßnahmen, um die Binnenwirtschaft zu stabilisieren, kündigte er an, exportorientierte Sektoren und Investitionen zu verstärken, wie die Nachrichtenagentur Dow Jones Newswires berichtet.

Warnung vor Ungleichgewichten

Das könnte Ungleichgewichte im Welthandel weiter befeuern. IWF-Ökonom Gourinchas kritisierte Chinas Handelsbilanz am Dienstag scharf. »China versucht, sich durch Exporte aus seinen innenpolitischen Problemen zu retten, und schadet damit der Weltwirtschaft«, sagte er. Die chinesische Wirtschaft hängt stark vom Export ab, da die Binnennachfrage wegen niedriger Löhne und der anhaltenden Immobilienkrise schwach bleibt. Bereits im Juli hatte der IWF Chinas hohe Leistungsbilanzüberschüsse kritisiert.

Um die Exportüberschüsse Chinas war ein Zollstreit zwischen den beiden Großmächten China und den USA entbrannt. Im April 2025 kündigte Präsident Donald Trump wegen der Exportüberschüsse massive Zölle auf chinesische Produkte an. Nach einigen Gesprächen schien sich die Lage zu entspannen, doch zuletzt eskalierte der Konflikt erneut. China beschloss, die Ausfuhr seltener Erden zu beschränken – Rohstoffe, die vor allem in der Tech-Industrie unverzichtbar sind. Trump reagierte mit der Drohung, chinesische Importe mit 100 Prozent zu besteuern.

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Bisher ist der Handel trotz des Konflikts nicht zurückgegangen, wie aus der IWF-Studie hervorgeht. »Aber die Unsicherheit im Welthandel bleibt«, betonte Ökonom Gourinchas. Die Warenströme haben sich stark verändert und sind komplexer geworden, was Prognosen erschwert. So hat der Handel zwischen den USA und China abgenommen, während Chinas Exporte in andere Regionen wie Asien und Europa gestiegen sind. Auch die EU führt verstärkt Beschränkungen auf Importe wie Stahl ein.

China im Fokus

Gourinchas forderte China auf, sein Wachstumsmodell dringend zu ändern – hin zu einer stärkeren Binnennachfrage. Nur so könne das Land seine Abhängigkeit vom fragilen Exportsektor verringern und globale Ungleichgewichte abbauen.

Die Regierung in Peking weist die Vorwürfe des IWF regelmäßig als politisch motiviert zurück. Auf die Frage, ob der IWF die handelspolitische Linie der Trump-Regierung unterstütze, wich Gourinchas aus. Er verwies lediglich darauf, dass der Währungsfonds auch die USA kritisiert habe.

Die Politik von IWF und Weltbank steht seit Langem in der Kritik, vorrangig wegen der Stimmrechtsverteilung, die sich nach den Kapitalanteilen der Mitgliedsländer richtet. Ärmere Länder des Globalen Südens, die oft am stärksten von den Programmen betroffen sind, haben wenig Einfluss. Im Gegenzug für finanzielle Unterstützung verlangen die Programme häufig Privatisierungen, Deregulierung und Sparmaßnahmen.

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